Schalker Krise spitzt sich zu
Schalke 04
Demütigung für die S04-Profis beim und nach dem 0:4 gegen Fortuna Düsseldorf. Das Vorstands-Vakuum bewahrt Trainer Domenico Tedesco noch vor dem Rauswurf.

Ein Bild des Jammers: Hamza Mendyl nach dem 0:4 gegen Fortuna Düsseldorf. © dpa
Als Marketing-Vorstand leistet Alexander Jobst auf Schalke hervorragende Arbeit. Als Prophet würde er wohl „verhungern“. Die Stimmung“, prophezeite Jobst in der Halbzeit-Pause beim Stand von 1:0 für Düsseldorf in einem Sky-Interview optimistisch, „wird nicht kippen!“
Eine komplette Fehleinschätzung. Schalke verlor nach einer fürchterlichen Vorstellung mit 0:4, und nach diesem Debakel spielten sich gespenstische Szenen ab.
Tedesco geht in die Fan-Kurve
S04-Trainer Domenico Tedesco marschierte quasi als Speerspitze der Bewegung („Das ist das Mindeste, was ich in dieser Situation tun kann“) Richtung Nordkurve, um sich bei den wütenden Fans zu entschuldigen. Tedes- co wurde mit Gegenständen und Getränkebechern beworfen, die wahrscheinlich gar nicht mal ihm, sondern der in einem Sicherheitsabstand von zehn Metern folgenden Mannschaft galten. Um die Situation nicht komplett eskalieren zu lassen, durften zwei Vertreter der „Ultras“ den Spielern persönlich die Meinung geigen. Die gipfelte in einem symbolischen Liebesentzug: Benjamin Stambouli, gegen Düsseldorf Kapitän einer total versagenden Mannschaft, wurde die Spielführerbinde mit der Aufschrift „Nordkurve“ abgenommen – die hatten die „Ultras“ vor der Saison Kapitän Ralf Fährmann überreicht.
Stambouli war diese Demütigung sehr nahe gegangen. Der Franzose hatte Tränen in den Augen – sowieso kam dieser „Eingriff“ der Ultras bei aller berechtigten Kritik an den S04-Profis nicht überall gut an. Stellvertretend für die Fraktion, die solchen Aktionen kopfschüttelnd gegenüber stehen, meinte Heribert Bruchhagen, Schalkes früherer Marketing-Chef und Freund von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies bei Sky: „Die Ultras haben auf Schalke eine große Bedeutung. Aber es muss auch Grenzen geben. Die Sache mit der Binde war ein Eingriff, der an Arroganz nicht zu überbieten ist. Das hätte ich nicht akzeptiert.“
Düsseldorf präsentiert sich hellwach
Schalke ließ alles über sich ergehen – genau wie die 90 entsetzlichen Minuten vorher. Wer gedacht hatte, lebloser als beim 0:3 in Mainz könne die Mannschaft gar nicht mehr spielen, wurde eines Schlechteren belehrt. Tedescos Bilanz in Kurz-Form: „Mutlos und leer. Sehr leer.“
Flasche(n) leer auf Schalke. Aufsteiger Düsseldorf machte das, was der Ex-Schalker Marcel Sobottka im Interview mit dieser Zeitung angekündigt hatte: „Wir müssen hellwach sein, um die aufkommende Unruhe auszunutzen.“
Funkel zeigt mehr Temperament als die Schalker Mannschaft
Natürlich wurde es irgendwann, wenn auch relativ spät, unruhig – kein Publikum der Welt könnte bei solch stümperhaften Versuchen der eigenen Mannschaft die Füße still halten. Bis auf die ersten zehn Minuten der zweiten Spielhälfte, als es durch Amine Harit die einzige Schalker Torchance gab, waren die Königsblauen nur ein Spielball des effektiv auf Schalker Fehler wartenden Aufsteigers.
Die eigene Nervosität durch Aggressivität abzuschütteln kam den S04-Kickern nicht in den Sinn – Düsseldorfs Trainer Friedhelm Funkel zeigte mit seinen 65 Jahren bei seinem Protest gegen das nach Eingriff des Video-Assistenten aberkannte 0:1 durch Dodi Lukebakio mehr Temperament als die Schalker Mannschaft im ganzen Spiel.
Hott und Spott von den eigenen Fans
Spätestens nach dem 0:3 war sogar Mitleid mit den Blau-Weißen erlaubt. Die Fortuna-Fans riefen „Absteiger“ – und meinten nicht die eigene Mannschaft. Als aus der Gäste-Kurve ein fröhliches „Oh, wie ist das schön...“ angestimmt wurde, stimmten viele S04-Fans ironisch mit ein. Schalkes Fußballer waren da längst so etwas wie die Funkel-Mariechen beim großen Düsseldorfer Karnevals-Ball.
Am Aschermittwoch könnte zumindest für S04-Trainer Domenico Tedesco alles vorbei sein, zumindest auf Schalke. „Ich glaube weiter an meine Arbeit und bin keiner, der sich jetzt verpisst“, stellte er direkt nach dem Spiel klar, dass er nicht – wie Manager Christian Heidel – die Brocken von sich aus hinwerfen wird. Alles andere als eine Beurlaubung des Trainers vor dem Freitag-Spiel in Bremen wäre allerdings eine Überraschung – aktuell wird Tedesco davor offenbar nur geschützt durch das Vakuum im S04-Vorstand. Heidel ist nicht mehr aktiv im Amt, der neue Sportvorstand Jochen Schneider – der sich das Elend am Samstag in der Arena ansah und auch gestern auf Schalke vor Ort war– wird erst am 14. März offiziell „bestellt“. Handlungsfähig ist der S04-Vorstand dennoch, allerdings wird vor Schneiders Präsentation am Dienstag wohl noch keine Entscheidung in der Trainerfrage verkündet.
„Aber Fußball spielen wir nicht“
Mark Uth bricht eine Lanze für Tedesco: „Der Trainer kann nichts dafür, wenn wir so einen Schrott spielen. Ich weiß nicht, was wir da machen. Aber Fußball spielen wir nicht.“ Stambouli appelliert: „Wir sind kleine Spieler in einem großen Verein. Wir müssen zeigen, dass wir Männer sind.“
Zu spät – findet zumindest der hochrangige S04-Funktionär, der schon in der Halbzeit kreidebleich stöhnte: „Diese Mannschaft ist tot. Toter geht‘s gar nicht mehr.“
Die Stimmung ist gekippt.