
© Matthias Heselmann
Schalke-Teamkoordinator Sascha Riether: „Wir haben uns Respekt erarbeitet“
S04-Interview
Im Büro hängt noch sein Trikot - seine aktive Karriere hat Sascha Riether aber an den Nagel gehängt. Im Interview spricht er über die „Sorgenspieler“ Amine Harit und Nabil Bentaleb.
Sie sind bei fast jedem Schalker Training dabei. Juckt es Ihnen nicht manchmal in den Füßen, selbst mal wieder mit zu kicken?
Beim Training nicht. Aber ganz ehrlich: Beim Spiel würde ich schon gerne manchmal mitmachen. Da steckt so viel Adrenalin in mir. Auf der Bank sitzen zu bleiben und sich das Geschehen von außen mit allen Emotionen anzusehen, das war für mich schon etwas gewöhnungsbedürftig.
Wie sieht es mit ihrem Gewicht aus ohne tägliches Training?
(lachend) Noch passen mir alle Hosen und Hemden. Ich halte mich ganz gut.
Als Sie vor einem halben Jahr als Lizenzspiel-Koordinator anfingen, hatten Sie bestimmt gewisse Vorstellungen von Ihrer Arbeit. Wie hat sich das Ganze entwickelt?
Wir sind ein gutes Team mit einer klaren Aufgabenverteilung. Es gibt einen ständigen Austausch zwischen den Personen rund um die Mannschaft. Wir tun alles dafür, dass die Rahmenbedingungen stimmen, damit die Mannschaft Tag für Tag professionell arbeiten kann.
Sympathisch, aufrichtig und uneitel
Der ehemalige Nationalspieler Sascha Riether war in seiner aktiven Karriere für den SC Freiburg, den VfL Wolfsburg, den FC Fulham sowie den 1. FC Köln aktiv und absolvierte neben 249 Bundesliga- und 81 Zweitliga-Spielen auch 66 Spiele in der englischen Premier League. 2009 wurde er mit Wolfsburg unter Felix Magath Deutscher Meister. 2015 aus Freiburg nach Gelsenkirchen gewechselt, verkörpert er den sympathischen, aufrichtigen und uneitlen Profi, der ein sehr hohes Ansehen auf Schalke genießt. Am 23. Oktober 2002 debütierte Riether in der U-20-Nationalelf bei der 1:2-Niederlage gegen England. Er spielte 20 Mal in der U21-Nationalelf. Am 11. August kam er im Länderspiel gegen Dänemark als Einwechselspieler zu seinem A-Länderspiel-Debüt.
Macht es Ihre Arbeit leichter, dass Sie viele Jahre selbst Profi waren und wissen, wie die Spieler ticken?
Das spielt sicherlich eine Rolle. Viele Spieler kennen mich außerdem schon eine Reihe von Jahren. Sie wissen, dass Sie zu mir Vertrauen haben können. Wenn es etwas zu besprechen gibt, rede ich nicht nur mit einzelnen Spielern, sondern auch regelmäßig mit dem Mannschaftsrat. Momentan läuft alles gut, was natürlich auch mit der sportlichen Situation zusammenhängt.
Sind Sie überrascht, dass es so gut läuft?
Ich habe es gehofft, aber nach der vergangenen Saison konnte man diese positive Entwicklung nicht unbedingt erwarten. Du kannst nach so einer Saison nicht sagen, in der nächsten Spielzeit qualifizieren wird uns wieder für einen internationalen Wettbewerb. Insofern ist es gut, wie es bisher gelaufen ist. Allerdings hätten wir den einen oder anderen Punkt mehr mitnehmen können. Wir müssen weiter konzentriert und hart arbeiten und dürfen nicht nachlassen. Wenn wir einen Schritt weniger machen, geht es nach hinten los, und das will hier keiner.
Ihre Meinung wird durch das Tabellenbild bestätigt.
Von Platz zwei zu Rang zehn sind es nur neun Punkte. Das sagt alles. Aber wir sind erst einmal froh, wie unsere Mannschaft spielt. Man merkt, dass die Zuschauer wieder gerne ins Stadion kommen. Für uns ist es sehr wichtig, dass die Schalker Fans einen Fußball von ihrer Mannschaft sehen, mit dem sie sich identifizieren können.

Amine Harit: „Besonders kreative Spieler brauchen ein Umfeld, in dem sie sich wohlfühlen“, sagt Riether über ihn. © dpa
Amine Harit war in der vergangenen Saison das große Sorgenkind. Wie ist seine Wandlung zu erklären?
Einen großen Anteil an seiner Entwicklung hat unser Trainer David Wagner, der mit Amine viele Gespräche geführt hat. Für Amine war es die Chance, neu anzufangen. Er hat das mit Unterstützung der gesamten Mannschaft in die Hand genommen. Besonders kreative Spieler brauchen ein Umfeld, in dem sie sich wohlfühlen. Das hat Amine hier. Er ist Vater geworden und seine Familie hat jetzt hier richtig Fuß gefasst.
Bei Nabil Bentaleb ist genau das Gegenteil der Fall.
Wir sind mit Nabil immer offen und ehrlich umgegangen, haben viele Gespräche mit ihm geführt. Aktuell nimmt er am Trainingsbetrieb der U23 teil, um sich fit zu halten und ein sein altes Niveau anknüpfen zu können.

Nabil Bentaleb: „Wir sind mit Nabil immer offen und ehrlich umgegangen“. © dpa
Wie lautet jetzt die Schalker Marschroute bis zur Winterpause?
So viele Punkte wie möglich zu holen. Ich denke, dass wir uns durch unsere bisherigen Leistungen in dieser Saison Respekt bei unseren Bundesliga-Konkurrenten erarbeitet haben. Aber Fakt ist meiner Meinung nach auch, dass jedes Bundesligaspiel ein Kampf auf Augenhöhe ist. Es ist nicht mehr so wie früher, wo du sagen konntest: Wir sind klarer Favorit, fahren da hin und hauen den Gegner weg. So etwas gibt es nicht mehr.
Wird die nächste Aufgabe in Bremen auch deshalb besonders knifflig, weil Werder seit sieben Spielen sieglos ist?
Das sehe ich auch so. Zumal für Bremen auch einige Spiele recht unglücklich gelaufen sind. Gegen Freiburg bekommen sie das Ausgleichstor in der Nachspielzeit, oder in Mönchengladbach verschießen sie einen Elfmeter.
Ist Matija Nastasic wieder fit?
Die letzten Trainingseindrücke waren positiv. Wir hoffen, dass die Achillessehne ihm keine Probleme mehr bereitet. Da sieht man wieder einmal, wie schnell es im Fußball geht . Vor einiger Zeit hatten wir noch vier Top-Innenverteidiger, plötzlich steht aus Verletzungsgründen mit Ozan Kabak nur noch einer zur Verfügung. Ich hoffe, dass dieser Zustand nicht mehr lange anhält.
Was haben Sie persönlich in den letzten Monaten aufgrund ihrer neuen Aufgabe mitgenommen?
(lachend) Für mich hat das Arbeitsleben angefangen. Im Ernst: Als aktiver Fußballer nimmt man oft gar nicht wahr, welcher Organisationaufwand und welche Arbeit um die Mannschaft herum geleistet werden muss. Ich habe jetzt eine ganz andere Perspektive und vollkommen andere Arbeitsinhalte als Spieler, aber die Arbeit macht mir großen Spaß.
Wer ist Ihr Meisterschaftsfavorit?
Die Bayern. Zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck, dass sie diesmal nicht so dominant auftreten könnten. Aber wenn man dann das Spiel gegen Dortmund gesehen hat...
Und was sagen Sie zu ihrem Ex-Verein SC Freiburg?
Wahnsinn! Sie haben es das erste Mal nach längerer Zeit geschafft, ihre Mannschaft zusammenzuhalten. Trainer Christian Streich vermittelt eine Leidenschaft und einen Teamgeist, der alle mitreißt.