Schalkes Trainer Karel Geraerts: Längst Hoffnungsträger Wie der S04-Coach sein Profil schärfte

Der Freischwimmer
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Als der Klassenerhalt geschafft war, versammelte Karel Geraerts seine Mannschaft direkt nach dem 4:0-Sieg beim VfL Osnabrück im Stadion Millerntor auf St. Pauli um sich. Die Ansprache, die Schalkes Trainer hielt, war so beeindruckend intensiv, dass Schalke das Video davon direkt ins Netz stellte - dabei soll sonst grundsätzlich geheim bleiben, was „im Kreis“ so alles besprochen wird.

Geraerts empfahl seinen Spielern, sich bei ihren Familien zu bedanken, bei Ehefrauen, Kindern, Lebensgefährtinnen: „Weil sie immer für Euch da sind. Denn das war keine normale Saison.“ Diesen Satz wiederholte Geraerts noch einmal so laut und beherzt, fast als ob er zum Mitschreiben gedacht war: „Das war keine normale Saison.“

Reis biss sich die Zähne aus

Wer wüsste das besser als Geraerts selbst? Er übernahm Schalke vor dem zehnten Spieltag, mit sieben Punkten nach neun Spielen stand der Aufstiegsfavorit auf dem Abstiegsrelegationsplatz. Thomas Reis, der aufgrund der Vorsaison mit großen Vorschusslorbeeren in die Zweitliga-Saison gegangen war, hatte sich an einer komplizierten Mannschaft die Zähne ausgebissen und war letztlich gescheitert.

Auch Geraerts hatte lange daran zu knabbern, dass positiven Ansätzen direkt auch wieder fiese Rückschläge folgten. Schalke flüchtete in die Winterpause, ein allgemein als geglücktes bewertetes Trainingslager in Portugal sollte den Neustart bewirken - insgeheim blickten die Königsblauen in der Tabelle immer noch etwas nach oben.

„Große Probleme“

Doch statt des Neustarts gab es im Januar und Februar weiterhin „große Probleme im Verein und in der Mannschaft“, wie Geraerts neulich beim Abschied von Simon Terodde selbst einräumte. Angesichts zum Teil unfassbar schwacher Auswärtsauftritte wirkte auch der Belgier zusehends ratlos, sogar über eine vorzeitige Trennung wurde öffentlich diskutiert.

Der Stabilitätsanker waren die Heimspiele und der dort treffsichere Kenan Karaman. Siege in der Arena und vor allem Karamans Tore und Müllers Paraden sorgten dafür, dass Schalke zumindest nicht ganz unten reinrutschte.

Geraerts schwamm sich frei

Geraerts wurde immer mehr zum „Freischwimmer“ - es gelang ihm, sich in einer komplizierten Situation freizuschwimmen, der 42-Jährige gewann immer mehr an Profil und ist längst einer der großen Hoffnungsträger vieler Schalker Fans auf bessere Zeiten.

Schalkes Trainer Karel Geraerts
Auswärtsspiele machten ratlos: Schalkes Trainer Karel Geraerts hat die Mannschaft nun stabilisiert. © Teresa Kroeger/RHR-FOTO

„Klar Schiff“ gemacht

Geraerts verzichtete nach mehreren Anläufen auf sein bevorzugtes 3-5-2-System, weil er erkannt hatte, dass die Mannschaft im 4-4-2 besser zurechtkommt. Mit den Suspendierungen von als Leistungsträgern eingeplanten Spielern wie Timo Baumgartl und Dominick Drexler machte Geraerts „klar Schiff“ im Kader und verschaffte sich intern sowie öffentlich Respekt.

Es gelang ihm, die Mannschaft, die nach Gegentoren zu oft eingebrochen war, zu stabilisieren. Einfacher Fußball war nun angesagt, Schalke hat jetzt seit sieben Spielen nicht mehr verloren. Punkte-Schnitt unter Karel Geraerts: 1,5. Thomas Reis hatte es in sieben Spielen auf einen Schnitt von 1,0 gebracht.

„Es darf nicht mehr passieren“

Seine jüngsten, fast schon euphorischen Äußerungen über Schalke lassen zwar die Vermutung zu, dass Geraerts Schalke erhalten bleibt, öffentlich erkärt hat er das noch nicht - muss er im Prinzip auch nicht, weil sein Vertrag bis Mitte 2025 läuft.

Aber Geraerts will Klarheit. „Wir müssen genau analysieren, wie das passieren konnte. Weil es nicht mehr passieren darf“, weiß Geraerts, dass in dieser Saison die Schere zwischen Erwartung und Realität zu weit auseinander ging. Geraerts möchte die Gewissheit haben, dass der kommende Kader auch seine Handschrift trägt, bislang war er auf Schalke weitestgehend mit „Aufräumarbeiten“ und einer Mannschaft beschäftigt, deren einziger Klebstoff offenbar war, nicht den ersten Schalker Drittliga-Abstieg in der Vita stehen zu haben.

Geraerts spürt S04-Potenzial

In der Tat schlummert viel Fantasie in dem Gedanken, mal in eine Saison mit Geraerts und einer Mannschaft seines Vertrauens zu gehen. Dass er aufgrund seiner guten Arbeit bei Royale Union Saint-Gilloise ganz oben beim FC Brügge auf der Liste stehen soll, heißt nicht, dass Brügge auch bei ihm ganz oben steht: Geraerts, so heißt es in Belgien, sei noch immer verstimmt, dass Brügge sich vor der letzten Saison für einen anderen Kandidaten entschieden habe.

Geraerts spürt das Schalker Potenzial, diese seltene Verbindung zwischen Größe und Familie. Dabei geht er mit gutem Beispiel voran. Direkt nach dem Sieg gegen Osnabrück bedankte er sich auf seinem Instagram-Account öffentlich bei seiner Frau. Sie war immer für ihn da in einer Saison, die keine normale ist.

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