
Es ist immer schwierig, Dinge dann zu kommentieren, wenn noch gar nicht alle Details bekannt sind. Versuchen wir es bei der Schalker Fördergenossenschaft also mit ein paar grundsätzlichen Einschätzungen über die Sachverhalte, die jetzt schon auf der Hand liegen und erste Bewertungen zulassen.
Worum geht es also? Der FC Schalke 04 hat (wir berichteten) eine Fördergenossenschaft gegründet, über die Schalke-Mitglieder und Unternehmen Anteile an der Veltins-Arena erwerben können. Einzelheiten zu diesem „spannenden Projekt“, wie es S04-Vorstandschef Matthias Tillmann beschreibt, werden den Vereinsmitgliedern bei der Jahresversammlung am 16. November präsentiert. Darüber abstimmen können sie nicht, die Fördergenossenschaft ist beschlossene Sache.
Natürlich war, wie alles Schalke betreffende, die Aufregung groß. Für die einen ist die Verwirklichung des „königsblauen Genossen“ die ideale Möglichkeit, dem klammen Klub durch diese Form der Teilhabe zu helfen, für andere ist es nichts anderes als eine „peinliche Betteltour“, mit der Schalke-Fans das Geld aus der Tasche gezogen werden soll, um damit auch die Mannschaft zu verstärken.
Es ist vielleicht langweilig, aber: Die Wahrheit liegt tatsächlich irgendwo in der Mitte.
Schalke lässt die Hosen runter
Denn durch die Gründung der Fördergenossenschaft lässt Schalke - nicht zum ersten Mal - die Hosen runter und dokumentiert die finanzielle Not, ohne die ein solches Konstrukt ja gar nicht notwendig wäre. Aber die nun grassierende Hektik ob dieses Zustandes ist überflüssig, weil es ja längst kein Geheimnis ist, wie prekär die finanzielle Schalker Situation ist. Nicht ohne Grund wird zumindest auf mittleren und unteren Ebenen so kräftig gespart, dass man als Außenstehender manchmal schon schlucken muss, wie da um jeden Cent gerungen wird.
Zweite Liga ist Millionen-Grab
Schalke hat 160 Mio. Euro Gesamtverbindlichkeiten, ein negatives Eigenkapital in Höhe von ca. 95 Mio. Euro, und dass bei der letzten Bilanzbesprechung erstmals seit 2018 wieder „schwarze Zahlen“ verkündet werden konnten, lag vor allem an dem kurzen Comeback in der Ersten Liga. Das wird sich nun als Zweitligist wieder ändern, insofern ist der Hilferuf durch die Fördergenossenschaft vielleicht auch ein Weckruf an diejenigen, die sich an der Zweiten Liga mit all ihren tollen Traditionsvereinen berauschen.
Für einen Verein mit den Schalker Strukturen ist die Zweite Liga ein Millionen-Grab, auch wenn die Arena alle zwei Wochen ausverkauft ist. Die Schere alleine an TV-Geldern zwischen Erst- und Zweitligisten ist mittlerweile so groß geworden, dass der Rückstand für Schalke in Liga zwei gar nicht aufzuholen ist.
Verein steckt in Abwärtsspirale
Und das ist der große Unterschied zu den Jahren davor: Schalke hatte ja zumindest in den 2000-er Jahren tatsächlich nie ein Einnahmeproblem, im Gegenteil. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt korrespondierten die getätigten Ausgaben nicht mehr mit den daraus erhofften sportlichen Erfolgen. Die blieben aus, beschleunigt durch Corona und den Abstieg 2020/21 steckte Schalke plötzlich in einer Abwärtsspirale, aus der es in der Zweiten Liga zumindest kein planbares Entrinnen geben kann.
Jetzt sollen Mitglieder helfen
Schalke braucht also „frisches“ Geld, und irgendwann fragt man da natürlich auch in der eigenen Familie nach. Die soll nun in Form des Kaufs von Arena-Anteilen helfen, insofern ist die Vokabel von der „Betteltour“ zwar etwas hart, aber im Kern auch nicht ganz wegzudiskutieren. Denn natürlich geht es um nichts anderes, als nun die eigenen Vereinsmitgliedern um finanzielle Unterstützung zu bitten.
Das gute Gefühl als Rendite
Ob sich diese Hilfe irgendwann auch finanziell rentieren könnte, lässt sich wohl noch gar nicht seriös prognostizieren. Es ist nicht das Wesen von Genossenschaften, hohe Renditen zu garantieren. Genossenschaften stehen für Stabilität, für die ungewöhnlich hohe Verzinsungen eher kontraproduktiv wären. Vielleicht gibt es eine kleine Dividende, aber reich wird durch den Arena-Anteilskauf wahrscheinlich niemand. Das gute Gefühl, geholfen zu haben, muss wohl als Rendite reichen.

Niemand wird gezwungen
Aber: Es wird ja auch niemand gezwungen, sich als Schalker Genosse einzubringen. Unter den mittlerweile ca. 180.000 Mitgliedern wird es genügend geben, die sich den Spaß gönnen und leisten können. Wer es sich nicht leisten kann, sollte die Finger davon lassen und braucht vor allem kein schlechtes Gewissen zu haben. Die Probleme, die Schalke nun auch mit Hilfe der Mitglieder in den Griff kriegen will, haben sich die S04-Bosse, mittlerweile über mehrere Generationen, selbst eingebrockt.
Arena ist in „Streubesitz“
Wer nun mit Vehemenz den Zeigefinger hebt und schimpft, Schalke würde seine Seele verkaufen, mag damit einen großen Resonanzboden finden, liegt aber in der Sache nicht ganz richtig. Denn es geht ja (zumindest noch) nicht um Anteile am Verein, also am e. V., sondern um Arena-Anteile. Deren Besitz liegt ohnehin in mehreren Händen.
Mehrheitlich in Schalker Hand, aber zur FC Schalke 04-Stadion Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Immobilienverwaltungs-KG, gehören auch noch diverse andere Kommanditisten, z. B. die Stadtwerke, Ex-Aufsichtsratschef Clemens Tönnies oder Ex-Finanzvorstand Peter Peters, der auch noch Geschäftsführer der Stadion-Beteiligungsgesellschaft ist. Wenn man so will, ist die Arena also sowieso schon in „Streubesitz“. Und so bleibt das Stadion immerhin in Schalker Hand - die Arena betreffend wäre die Alternative ansonsten tatsächlich der Verkauf an einen Großinvestor oder an einen Immobilienfonds.
Vollendete Tatsachen
Andere große Vereine haben Anteile des Klubs bzw. der Profiabteilung an Unternehmen verkauft, diese Möglichkeit ist in der Schalker Vereinsfamilie ein schwer vorstellbares Szenario. Es gilt, den Mitgliederwunsch zu respektieren, die Mitgliederversammlung ist - auch wenn das nicht jedem gefällt - die höchste Instanz des Vereins.
Insofern ist es gesellschaftsrechtlich und juristisch wahrscheinlich einwandfrei, dass die Mitglieder bei der Fördergenossenschaft nun vor vollendete Tatsachen gestellt werden und nicht darüber abstimmen dürfen. Aber etwas mehr Charme hätte es vielleicht doch gehabt, wenn eine Entscheidung von einer solchen Tragweite auf und durch die Versammlung beschlossen worden wäre.
Erst einmal abwarten
Jetzt gilt es überhaupt erst einmal abzuwarten, wie viel Geld Schalke durch den Verkauf der Arena-Anteile einnimmt. Eine erste ungefähre Zielsetzung sollen zehn Millionen Euro sein, das wäre ein Bruchteil von dem - und auch das ist schwer zu schätzen - tatsächlichen Wert der Arena.
Assauers „Torjäger GmbH“
Königsblaue Genossen. Die Schalker Not macht erfinderisch. Und wer sich nun echauffiert, das hätte es früher alles nicht gegeben, soll sich da mal nicht täuschen. Auch Rudi Assauer fand in seiner ersten Amtszeit auf Schalke ziemlich leere Kassen vor. Um 1984 den Mittelstürmer Dieter Schatzschneider trotzdem vom Hamburger SV verpflichten zu können, gründete Assauer die „Torjäger GmbH“. Dem FC Schalke 04 wohlgesonnene Geschäftsleute legten zusammen, um die Ablöse - schätzen wir mal 800.000 D-Mark - zu finanzieren. Dafür sollten sie bei einem späteren Schatzschneider-Verkauf am Transfergewinn beteiligt werden.
„Der will sein Geld zurück“
Ein plausibler Plan, der nur einen Haken hatte: Schatzschneider wurde 1986 nicht mit Gewinn, sondern mit Verlust an Fortuna Köln verkauft. Nichts war es mit der Rendite für die „Torjäger GmbH“. Der 66-jährige Schatzschneider, das verriet er 2022 in einem Interview mit den Ruhr Nachrichten/Medienhaus Bauer, bekommt noch heute einmal im Jahr einen Anruf von einem damals beteiligten Geschäftsmann: „Der will sein Geld von mir zurück.“
Emotionale Investition
Zumindest solche Tücken sind bei der Schalker Fördergenossenschaft wohl auszuschließen. Da weiß man vorher, dass es sich wohl eher um eine emotionale als um eine gewinnbringende Investition handelt.
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