Pro und Kontra
Muss man Profis bei heiklen Transfers schützen?
Leon Goretzka wurde nach der Bekanntgabe seines Wechsels zum FC Bayern beim Training beschimpft, Schalke-Chef Clemens Tönnies goss am Sonntag noch einmal Öl ins Feuer und gab ihn damit medial zum Abschuss frei. Wir diskutieren: Muss man Profis bei heiklen Transfers schützen?
Der Wechsel von Leon Goretzka von Schalke 04 zum FC Bayern schlägt weiter hohe Wellen. © dpa
Deisler und Enke vergessen - Nichts aus der Vergangenheit gelernt
Es ist genau elf Jahre her, dass sich Sebastian Deisler aus dem Fußball zurückzog. Ein Ausnahmetalent machte Schluss. Mit 27. Deisler litt unter Depressionen, es wurde selbst in seiner Biografie nicht so richtig klar, welchen Einfluss der immense Druck hatte, der nach seiner Entscheidung, von Hertha zu Bayern zu wechseln, auf ihm lastete. Doch die Wucht, die medial auf ihn einprasselte, wurde auch durch niemanden gebremst.
Am Freitag hat Leon Goretzka Schalke 04 erklärt, dass er seinen Vertrag nicht verlängern werde. Goretzka stiehlt sich nicht aus seinem Kontrakt, er verhöhnt auch nicht Klub und Mitspieler, wie es ein paar Kilometer weiter passiert. Und trotzdem sind sie wütend auf den 22-Jährigen, weil er in den Wochen der Entscheidungsfindung gesagt hat, was man halt so sagt, wenn man sich aus emotionaler Verbundenheit zu Schalke noch nicht sicher ist, ob man zu einem Klub wechseln soll, der einem die Nationalmannschaft quasi garantiert.
Daraus wollen sie ihm jetzt einen Strick drehen. Und anstatt den Spieler zu schützen, agiert Schalke-Boss Tönnies als Brandbeschleuniger, plaudert larmoyant Details über die Verhandlungen aus und erwähnt, dass seine erste Reaktion gewesen sei, Goretzka solle das Schalke-Trikot nicht mehr tragen. Das zeigt wieder einmal, dass einige Akteure aus dem Fall Deisler, auch aus dem Fall Enke und generell der Vergangenheit nichts lernen. Fußballspieler, gerade junge, sind trotz ihres Gehalts - das jeder von uns nehmen würde - auch Menschen. Das sollten wir nicht vergessen.
Von Daniel Otto
Stimme der Betrogenen - Vereinsverantwortliche sind zurecht sauer
Etwa zwölf Millionen Euro soll Leon Goretzka ab dem Sommer 2018 bei seinem neuen Arbeitgeber, dem FC Bayern München, verdienen. Ähnlich viel wäre Schalke auch bereit gewesen, ihm zu bezahlen. Er folgt scheinbar der Aussicht auf Titel. Soweit nachvollziehbar.
Nur das Wie bei diesem Transfer ist das, was die Verantwortlichen zurecht auf die Palme brachte. Dass der Aufsichtsratschef des FC Schalke 04, Clemens Tönnies, am Sonntag im Fernsehen seinem Unmut über die Abwicklung des Transfers Luft verschaffen wollte, ist verständlich. Goretzka gab ihm und den Vereinsvertretern vor dem Confederations Cup 2017 die mündliche Zusage auf eine Vertragsverlängerung. Er brach sein Wort und vertröstete die Verantwortlichen monatelang. Aus Tönnies sprach die Stimme der Betrogenen. Keinen Cent Ablöse werden die Königsblauen an Goretzka verdienen, den sie fünf Jahre mit weiterentwickelt haben. Ein wirtschaftliches Fiasko. Hätte es die Goretzka-Zusage nicht gegeben, hätte Schalke bereits im Sommer 2017 versucht, letztmalig eine Ablöse zu erzielen. Dass ein Arbeitgeber da auf seinen Arbeitnehmer sauer ist, verwundert nicht.
Und dann soll der Verein noch die schützende Hand über Spieler mit derart moralisch fragwürdigen Verhaltensmustern halten? Profi-Fußballer sind absolute Medienprofis, so geschult, um möglichst jeder Kritik in der Öffentlichkeit aus dem Weg zu gehen. Ihnen sollte klar sein, was für ein Echo ein solches Verhalten mit sich bringt.
Von Moritz Mettge