Am 24. Juni 1934 holt der FC Schalke 04 zum ersten Mal in seiner Geschichte die Deutsche Fußballmeisterschaft. Sechs weitere Meistertitel bis 1958 sollten folgen.
Ernst Kuzorra schilderte die entscheidende Szene später so: „Ich bekam den Ball und wusste vor Schwäche nicht mehr, wohin damit. Da habe ich ihn einfach rein gewichst und bin dann zusammengebrochen. Als ich aus der Ohnmacht erwachte, war ich von jubelnden Kameraden umringt. Da wusste ich erst: Wir haben gewonnen“.
„Hätte nicht spielen dürfen“
Es war der 24. Juni 1934, als der FC Schalke 04 im Stadion des Post-SV Berlin zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte die Deutsche Meisterschaft gewann und Ernst Kuzorra eine denkwürdige Rolle spielte. Denn beim 2:1-Erfolg gegen den 1. FC Nürnberg erzielt der Schalker Mannschaftskapitän den Siegtreffer kurz vor dem Abpfiff, obwohl er mit einem Leistenbruch ins Spiel gegangen war und höllische Schmerzen litt.
„Der Ernst hätte eigentlich gar nicht spielen dürfen. Doch vor dem Finale hat er uns gesagt: Ich bin der Kapitän und lasse Euch jetzt nicht im Stich“, erzählte mir der mittlerweile verstorbene Hermann Nattkämper, Mitglied der Schalker Meistermannschaft von 1934, als ich ihn vor vielen Jahren für eine Serie über die Königsblauen in Gladbeck besuchte.
Schalke statt WM-Teilnahme
Diese denkwürdige Episode über Kuzorra machte deutlich: Er war durch und durch Schalker. Dabei kostete ihn sein Leistenbruch die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1934. Reichstrainer Nerz hatte ihm zur sofortigen Operation geraten, doch Kuzorra zog Schalke vor. „Wenn ich das gemacht hätte, wäre ich für die Spiele um die Deutsche Meisterschaft ausgefallen. Und Schalke war mir wichtiger als die Weltmeisterschaft“, so erzählte es der gebürtige Gelsenkirchener immer wieder.
Aus diesen Kuzorra-Sätzen geht hervor, wem seine ganze sportliche Liebe galt. Erst nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft, die im gesamten Ruhrgebiet begeistert gefeiert wurde, ließ er sich operieren und blieb auch danach der Fixpunkt des Schalker Spiels.

Solche Härte gegen sich selbst war bei Kuzorra kein Einzelfall. Als er sich nur kurze Zeit später einen Muskelriss im linken Oberschenkel zuzog, spielte er trotz großer Schmerzen und Beschwerden weiter. Denn zu dieser Zeit war auch sein Schwager und Mannschaftskamerad Fritz Szepan verletzt. Erst nach der Titelverteidigung von 1935 nahm Kuzorra sich die Zeit, seine Verletzung auszukurieren.
Nach jenem Sonntag im Juni 1934 war für den Arbeiterverein aus dem Ruhrgebiet nichts mehr so, wie es einmal war. In einem wahren Triumphzug reisten die Helden von Berlin tags darauf zurück in die Heimat. Bereits in Bielefeld stoppte der Zug das erste Mal, auf dem Bahnhof wurde die siegreiche Mannschaft geehrt.
Eintrag ins „Goldene Buch“
Später in Dortmund trugen sich die Deutschen Meister ins Goldene Buch der Stadt ein, die heutigen Rivalitäten zwischen Dortmund und Schalke waren damals noch kein Thema. In Gelsenkirchen schließlich folgte die große Meisterfeier, die „Allgemeine Zeitung“ berichtete in ihrer Dienstagsausgabe von Tausenden von Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz, von Frauen, die in Ohnmacht fallen und von einem noch nie dagewesenen Enthusiasmus.
Angestachelt wurde die ohnehin schon aufgeheizte Menge noch von jenen, die politisches Kapital aus dem Sieg der Schalker schlagen wollten. Neben den blau-weißen Fahnen wehten auch die rot-weiß-schwarzen mit dem Hakenkreuz der Nationalsozialisten. Der NSDAP-Kreispropagandaminister Wilhelm Bunse hatte die Organisation des Empfangs übernommen, die Schalker Feierlichkeiten wurden im Sinne des Regimes instrumentalisiert. Mit dem „Siegheil auf den Volkskanzler“ und dem „Deutschland-Lied“ endete der große Empfang in Gelsenkirchen.
Das große Lob von Helmut Schön
Helmut Schön, 1940 mit dem Dresdner SC bei Schalkes 1:0-Sieg Endspielgegner um die Deutsche Meisterschaft und später Bundestrainer, stellte den Schalker Kapitän einst auf eine Stufe mit Fritz Walter und Franz Beckenbauer: „Ernst Kuzorra war für mich der größte Fußballer seiner Zeit.“ Mehr Lob von einem Fachmann geht nicht. Erst am 12. November 1950 beendete Ernst Kuzorra seine glanzvolle Karriere.
Unter der Regie von „Clemens“, so sein Spitzname, gewannen die Königsblauen zwischen 1933 und 1942 nicht weniger als sechs Deutsche Meisterschaften. Dabei revolutionierte Kuzorra mit seinem Schwager Szepan den Fußball mit dem sogenannten „Schalker Kreisel“, ein Geflecht an Kombinationen, mit dem Ziel, die besten Schützen der Mannschaft in Position zu bringen. Kam der Kreisel richtig in Schwung, war der Gegner hoffnungslos verloren. An jenem 24. Juni 1934 machten die Nürnberger den Schalkern aber im Finale lange Zeit das Leben schwer. Dann kam der goldene Treffer von Kuzorra und Schalke jubelte und jubelte. Damals ahnten nur die wenigsten, dass der 24. Juni 1934 der Beginn einer Schalker Erfolgsära im deutschen Fußball war, die Ernst Kuzorra wesentlich prägte.
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