
Elfriede Winterott fühlt sich wohl in der Senioren-WG und genießt ihre Selbstständigkeit und Gesellschaft gleichermaßen. © Petra Berkenbusch
Elfriede Winterott (85) hat sich für eine Senioren-WG entschieden
Neues Projekt in Erle
Mit 85 Jahren ist Elfriede Winterott in eine WG gezogen. Die Wohngemeinschaft für Senioren wurde jetzt am Kirchring in Erle eröffnet und verfolgt ein zukunftsweisendes Modell.
Wann ist man eigentlich aus dem WG-Alter raus? Nach dem Studium? Oder erst nach der Familiengründung? Keine Frage für Elfriede Winterott, denn für sie hat dieser Lebensabschnitt gerade erst begonnen, und die 85-Jährige ist beileibe nicht die Älteste in ihrer Wohngemeinschaft. Mit fünf weiteren Bewohnern wartet die fidele Seniorin auf neue Mitbewohner, denn sechs der zwölf WG-Zimmer sind noch zu haben.
Der gerade fertiggestellte Bau am Erler Kirchplatz ist Teil des zweiten Bauabschnitts im Schatten der Erler Silvesterkirche. Teil 1 mit seinen 19 Wohneinheiten (zwei sind gerade frei) im Betreuten Wohnen und der Tagespflege wurde nun vervollständigt durch weitere fünf Wohnungen (eine ist noch zu haben) und die Wohngemeinschaft, in der zwölf Bewohnerinnen und Bewohner demnächst eine ganz eigene „Kultur“ entwickeln sollen.
Elfriede Winterott, die zuvor schon Gast in der Erler Tagespflege war gehörte zu den ersten WG-Mietern, und sie hat ihre Entscheidung nicht bereut. „Ich kann hier machen, was ich will“, freut sie sich. Die schlanke alte Dame ist noch immer gerne und gut zu Fuß unterwegs, sie liebt Spaziergänge und würde am liebsten noch mit dem Fahrrad fahren. Die Mahlzeiten nimmt sie gern in Gesellschaft ein, wenngleich ihr Appartement auch über eine Küchenzeile mit Kochgelegenheit verfügt.
Ein Leben mit so viel Selbstständigkeit wie möglich
Aber bevor sie was für sich alleine zubereitet, hilft sie lieber bei der Zubereitung des Essens für die ganze Gruppe. „Wir essen dann gemeinsam“, berichtet sie munter. Dass Frau Winterott gerne bügelt, hat sich schon herumgesprochen. Das „Angebot“ von Dieter Britzius, seine Hemden demnächst vorbeizubringen, lehnt sie dennoch lachend ab. Britzius’ 101-jährige Mutter ist ebenfalls in die WG gezogen und bekommt dort jede Unterstützung, die sie aufgrund ihrer altersbedingten Einschränkungen benötigt.

In der Senioren WG sind noch einige Zimmer frei, zum Beispiel dieses rund 40 Quadratmeter große, das Bürgermeister Martin Tesing und Investor Tobias Brun sich anschauen. © Petra Berkenbusch
Für Hilfe bei Haushaltsführung, Alltagsbewältigung, Freizeitgestaltung, Seelsorge und Pflege je nach Pflegegrad sorgt am Erler Kirchplatz der Borkener Caritasverband als Betreiber, dem ein möglichst selbstbestimmtes Leben der Senioren ein wichtiges Anliegen ist.
Neue Mitbewohner werden gemeinsam ausgesucht
Dazu gehört übrigens auch, dass Elfriede Winterott und ihre Mitbewohner bei der Belegung der freien Zimmer ein Wörtchen mitzureden haben. Alina Hilp, Koordinatorin der Wohngruppe: „Wir laden die Bewerber zu einem gemeinsamen Kaffeetrinken ein und schauen dann gemeinsam, wie‘s passt.“ Für Erle wünschen sich Hilp und die WG-Damen übrigens endlich mal männliche Verstärkung. „Ach, Mann oder Frau, Hauptsache nett“, schiebt die 85-Jährige allerdings hinterher. Ein langes Leben macht anspruchslos.
Investor Tobias Brun und Bürgermeister Martin Tesing zeigten sich bei der kleinen Eröffnungsfeier erleichtert, dass der lange gehegte Plan am Kirchplatz nun endlich fertiggestellt ist. „Wir schließen hier eine Bau- und Versorgungslücke“, erklärte Tobias Brun, „und freuen uns über ein rundum gelungenes Projekt, das nun für jeden ein passendes Wohnangebot offerieren kann.“
Bebauung passt perfekt ins Dorfentwicklungskonzept
Der Bürgermeister erinnerte daran, dass die Bebauung am Kirchring, die die Stadt durch den Ankauf des Areals schon in den 90er-Jahren unter ihrer Kontrolle behalten konnte, jetzt ein weiterer Teil des Dorfentwicklungskonzepts Erle realisiert werden konnte.
Pfarrer Dr. Fabian Tilling, der die neuen Wohnungen segnete, versprach, dass die Gemeinde im Herbst den Kirchplatz feierlich einweihen werde und es dann erneut was zu feiern gebe in der Nachbarschaft. Bis dahin, diesen Wunsch drückte Caritas-Vorstand Matthias Brinkmann aus, sollen die neuen Bewohner am Kirchring ihre Heimat, ihr Zuhause gefunden haben. Elfriede Winterott nickt zustimmend. Sie ist schon angekommen.
Geboren und geblieben im Pott, seit 1982 in verschiedenen Redaktionen des Medienhauses Lensing tätig. Interessiert an Menschen und allem, was sie anstellen, denken und sagen.
