Erle ist ein Ort, in dem es sich gut leben lässt. Das zeigen die Ergebnisse unseres Ortsteil-Checks. Familie Hudournik kann das bestätigen, weiß aber auch, wo in Erle noch der Schuh drückt.
Die gebürtige Erlerin Astrid Horstmann (44) lernte ihren späteren Mann Boris Hudournik (45) im Lehramtsstudium kennen. Sie und der Gladbecker zogen nach Oberhausen. Direkt an eine Hauptstraße. Das sei sehr zentral gewesen, sagt Boris Hudournik. Aber: „Wir haben überlegt: Wenn man Kinder kriegen will, will man die hier großziehen?“
Auf Haussuche merkte das Paar schnell: „Kirchhellen war unbezahlbar.“ In Erle zog das Paar erst zur Miete ein, fand zwei Jahre später ein Haus an der Dechant-Karthaus-Straße. Aufs Dorf zu ziehen, war für Städter Boris Hudournik kein Problem. „Ich bin kontaktfreudig, finde schnell Anschluss. Über den Sport hat das auch geklappt.“ Seine Frau, die an der Silvesterschule unterrichtet, sagt, sie habe ihren Mann nicht gedrängt, nach Erle zu ziehen: „Landleben muss man wollen. Ich weiß, dass das speziell ist.“

Die Erler Femeiche: Mehr als 1000 Jahre alt und so grün wie der Ort. © Berthold Fehmer
Das Paar lebt gerne in Erle. Wie auch dessen Kinder Luc (8) und Caspar (6). Und die 83 Erler, die bei unserem Ortsteil-Check mitgemacht haben und Erle gute Noten geben. „Erle ist der beste Wohnort“, schreibt eine Erlerin. Zehn von zehn Punkten erhält der Punkt „Grünflächen“. Also alles super? Boris Hudournik bestätigt das für Erles Umgebung, sagt aber auch, dass ihn störe, wenn die Gemeinde Grünflächen im Ort zugunsten weiterer Bebauung opfere. „Der Ortskern hat kaum noch Grünflächen.“
Das wurde (noch) gut bewertet
Lebensqualität, Sauberkeit und Radfahren erhielten von den Befragten neun von zehn Punkten. „Freunde von uns kommen manchmal aus Essen mit dem Fahrrad zu uns und machen gerne mit uns eine Radtour“, erzählt Astrid Hudournik. Weil man in Erle „absolut super“ Radfahren könne. Sie sagt, dass Menschen, die aufs Land ziehen, die Bereitschaft mitbringen sollten, sich einzubringen. „Sich verantwortlich fühlen, nicht nur den eigenen Vorgarten sauber zu halten.“
Bei den meisten Kategorien verteilten die Erler acht Punkte. Zu Kategorien wie Nahversorgung, Gastronomie, Gesundheit sagt Astrid Hudournik, dass eigentlich alles vor Ort sei, was man brauche. Sie kaufe bewusst in Erle ein, „damit wir den Edeka halten können“. Beim Thema Gastronomie sagt sie: „Ein schönes Café vermisse ich.“
Das wurde negativ bewertet
Verkehrsanbindung: Nur fünf von zehn Punkten vergeben die Erler Befragten für diesen Punkt. Mit dem Auto, so Astrid Hudournik, sei zwar alles erreichbar, aber beim ÖPNV sieht die Familie ebenfalls Nachholbedarf. „Ich fahre immer mit dem Auto nach Gladbeck“, sagt Boris Hudournik über seinen Arbeitsweg und kann sich nur schwer vorstellen, wie das ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln funktionieren sollte.

Unzufrieden sind viele Erler mit der Verkehrsanbindung. © Berthold Fehmer
Die Statistik sagt: Die Gemeinde Raesfeld verfügt mit rund 629 Pkw pro 1000 Einwohner über die höchste Pkw-Dichte im gesamten Kreis Borken. Nachzulesen ist das im neuen Nahverkehrsplan, der Bedarf nach weiteren Angeboten für Raesfeld sieht. Ab 2020 soll es auf der Linie R21 Borken-Raesfeld-Dorsten acht weitere Fahrten samstags geben. Zwischen 8 und 17 Uhr soll die Linie im Stundentakt verkehren, wobei die Strecke Erle-Rhade per Taxibus realisiert wird.
Jugendliche: Für Familie Hudournik ist dieser Punkt, der in der Online-Befragung sechs von zehn Punkten erhielt, ein ganz wichtiges Thema. Noch genießt der achtjährige Luc die kurzen Wege zum Bäcker oder zu seinen Freunden. Er und sein Bruder Caspar (6) bemängeln eigentlich nur, dass es in Erle kein Spielzeuggeschäft gibt. Ihre Eltern denken bereits mehr in die Zukunft. „Wenn man nicht mobil ist, ist man sehr abhängig“, sagt ihre Mutter.
Zwar gibt es in Erle das Jugendhaus an der Silvesterstraße. Doch Boris Hudournik sagt, es müsse auch Bereiche geben, wo Jugendliche sich ohne Aufsicht treffen könnten. „Hier ist die Geburtenrate hoch, deshalb muss man mehr für die Jugendlichen tun. Insgesamt wird zu wenig in den Bereich investiert.“ Vielleicht könne ein Bauwagen eine Alternative sein. Eine Erlerin schreibt in der Online-Umfrage: „Für die Jugend ab 16 könnte mehr angeboten werden.“ Ein anderer bemängelt „keine Treffpunkte für Jugendliche“.

Trotz eines Jugendhauses im Ort wünschen sich viele Erler, dass mehr für Jugendliche getan wird. © Berthold Fehmer
Hans-Dieter Strothmann, seit 21 Jahren Vorsitzender des Jugendwerks Raesfeld, sieht im Ort ein „breites Angebot für Jugendliche“. Man habe zwei Jugendhäuser, die auch personell gut ausgestattet seien. Bevor er sein Amt am Donnerstag (21. März) niederlegt, hat er beide Häuser, die erst kürzlich technisch aufgerüstet wurden, zum Abschied besucht und war begeistert, als er eine VR-Brille ausprobierte. Dabei erlebte er einen virtuellen „Haiangriff, so authentisch, als würde ich im Mittelmeer schwimmen“.
Solche Angebote müssten auch in die Öffentlichkeit transportiert werden - „nicht nur über die Sozialen Medien“, glaubt Strothmann, denn auch die Eltern wollten Bescheid wissen. Treffpunkte ohne Kontrolle für Jugendliche sieht Strothmann mit einigen Bedenken, da Lautstärke, Vandalismus oder auch Alkohol und Drogen zu Problemen führen könnten. Schutzhütten seien allerdings auch im Dorfentwicklungskonzept priorisierte Projekte.
„Wir hatten früher in Raesfeld eine Jugenddisco“, erinnert sich Astrid Hudournik, die den Bereich Jugend auch mit der Verkehrsanbindung verknüpft sieht. Die Eltern überlegen, was passiert, wenn ihre Kinder als Jugendliche in die Disco wollten: „Man hört immer wieder von schweren Verkehrsunfällen.“ Vielleicht könne man vergünstigte Tickets für Taxifahrten anbieten? Ein Eventbus-Angebot hatte die Gemeinde 2015 auslaufen lassen. „Da musste man feststellen, dass die Nachfrage gering war“, erinnert sich Strothmann (CDU).
Sicherheit: Die relativ schlechten sieben Punkte für Sicherheit erklären sich die Hudourniks mit der Einbruchsserie vor einiger Zeit. Früher sei sie überzeugt gewesen, dass man sein Rad in Erle auch unabgeschlossen stehen lassen könne, sagt Astrid Hudournik. „Das würde ich jetzt nicht mehr machen, selbst an der Kirche nicht.“

© Verena Hasken
Seelsorge: Ebenfalls „nur“ sieben Punkte vergeben die Befragten für diesen Punkt. Astrid Hudournik ist Katechetin, hat Kindergottesdienste mitgestaltet. Ihr Mann und sie haben Eltern beraten, die ihr Kind taufen lassen wollten. „In unserer Kirchengemeinde wird viel für Kinder angeboten. Zum Beispiel die Kindermessen oder eine ausführliche Kommunionsvorbereitung.“ Es gebe viele Laien, die Kirche mitgestalten wollten, denen man auch den Raum dafür bieten solle.
Astrid Hudournik sieht zudem den gesellschaftlichen Hintergrund, der hinter der Bewertung stehen könnte. Kirche sei derzeit „am Pranger“, Gemeinden würden zusammengelegt, Pfarrer müssten immer mehr Verwaltungsaufgaben übernehmen.
Als Erle 1975 zu Raesfeld kam

Ein Luftbild von der nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaute Silvesterkirche mit damals noch stumpfem Turm. © unbekannt, www.dorf-erle.de
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
