Paul Ostrop (91) ist gestorben „Bürgermeister von Vinnum“ war ein politischer Rekordhalter

Trauer um Paul Ostrop: „Bürgermeister von Vinnum“ hinterlässt viele Spuren
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Das Kreuz in der Traueranzeige ist farbenfroh: grün wie satte Wiesen und rot wie die Sonne, die nach einem arbeitsreichen Tag untergeht. Paul Ostrop gefiel beides: die münsterländische Parklandschaft, der er sein 91 Jahre langes Leben lang die Treue hielt, genauso wie die ausdauernde Arbeit, sowohl die auf dem Hof seiner Vorfahren als auch die im Olfener Stadtrat und in den Gremien zahlreicher Verbände und Vereine seiner Heimatstadt. Dass seine Familie gerade dieses Kreuz in Grün und Rot für seine Traueranzeige gewählt hat, hätte dem am Dienstag (18. Juli) verstorbenen Paul Ostrop gut gefallen. Denn er kannte es nur zu gut.

Das quadratisch gefasste Kreuz ist gläsern: ein Teil der Fensterfront der Kirche St. Marien Vinnum. Paul Ostrop war 36 Jahre alt, als das Gotteshaus 1968 eingeweiht wurde. Eigentlich hatte das Bistum Münster nie vorgesehen, dass der kleine Olfener Ortsteil Vinnum eine eigene Kirche bekam: weder den Vorgängerbau, noch die mit 340 Plätzen stattlich große Kirche aus den 1960er-Jahren. Die Vinnumer hätten es aber stets verstanden, einen Weg zu finden, sagte Ostrop einmal rückblickend: mit Fleiß, Beharrlichkeit und „einer gewissen Vinnumer Schlitzohrigkeit“. Am Montag (24. 7.,) um 14 Uhr wird die Kirche mit den grün-roten Kreuzen vollbesetzt sein. Dann beginnt die Beerdigungsfeier für Paul Ostrop.

Der Ort des Abschieds liegt nur einen Steinwurf von dem Ort seiner Geburt entfernt: der Hofstelle der Familie an der Borker Straße. Paul Ostrop wurde am 29. April 1932 in eine streng gläubige Familie geboren. „Das Familienleben damals war ein anderes“, sagte Ostrop in einem Interview vor einigen Jahren. „Es gab keine Diskussionen, sondern die preußische Tugend des Gehorchens.“ Vielleicht legte das schon früh den Keim für große Diskussionsfreude in dem Heranwachsenden.

Zeitzeuge und Mahner

Etwas anderes prägte ebenso seiner Kindheit: die Erfahrung von Diktatur und Krieg. Ein Anstoß für den Landwirtschaftsmeister, der den elterlichen Hof übernahm, schon früh in die Kommunalpolitik einzusteigen und im demokratischen Wettbewerb um Mehrheiten für seine Positionen zu werben, aber auch Niederlagen einzustecken. Denn nur das Miteinander bringe die Menschen voran, meinte er. Welche katastrophalen Folge das Gegeneinander birgt, hat er nicht nur als Zeitzeuge erfahren, sondern auch recherchiert. Das Ergebnis ist unweit von Hof und Kirche zu sehen.

Der Gedenkstein für Heinrich Pötter erinnert an einen Mann, der 1906 in Vinnum geboren wurde. Kurz vor Kriegsende war er Ende 1944 im Taunus gestorben. in einer der sogenannten Tötungsanstalten der Nationalsozialisten, in denen Patienten durch Unterversorgung ermordet wurden. Ein Verbrechen, das nicht in Vergessenheit geraten dürfe, meinte Paul Ostrop. Er beließ es nicht bei einer Abhandlung zu Pötters Leben, sondern sorgte auch dafür, dass mit Unterstützung der Stadt und des Schützenvereins der Gedenkstein am Ehrenmal aufgestellt wurde. Ratsmitglied war er damals schon nicht mehr.

Politischer Rekordhalter

2009 hatte Paul Ostrop für die CDU seine letzte Ratssitzung besucht - nach 48 Jahren: eine derart lange Zeit des ehrenamtlichen Engagements, dass es dem damaligen Bürgermeister Josef Himmelmann schwer fiel, sein Lob auf eine kurze Formel zu bringen. Ostrop sei ein „politischer Rekordhalter“, ein „unangepasster Geist“, sein „Lehrmeister“, „väterlicher Freund“ und „Prüfstein in harten und ehrlichen Diskussionen“ reihte Himmelmann damals aneinander. Schließlich fand er doch ein einziges treffendes Wort: „Fossil“. Denn so werde ja ein Stück Erdgeschichte bezeichnet., „genauso wie Paul Ostrop ein Stück Stadtgeschichte ist“.

„Vinnumer Bürgermeister“: Diesen Titel trug er bis zum Schluss. Zwar hatte Paul Ostrop 27 Jahre lang verschiedene ehrenamtliche Bürgermeisterämter für die Stadt Olfen ausgeübt, das des Vinnumer Bürgermeisters gehörte aber nicht dazu. Denn das gibt es gar nicht. Ostrop trage diese Bezeichnung aber völlig zu Recht, sagte Bürgermeister Wilhelm Sendermann 2016. Damals hat er Ostrop, der auch sein langjähriger politischer Wegbegleiter war, die Ehrennadel der Stadt Olfen verliehen.

Ehrennadel der Stadt

Es gibt immer nur fünf Menschen, die gleichzeitig diese Auszeichnung tragen als „Anerkennung von Verdiensten von Personen, welche sich um das Wohl und Ansehen der Stadt Olfen gekümmert haben“. Gründe für die Auszeichnung gebe es so viele im Fall von Paul Ostrop, dass die Aufzählung lange dauern würde, sagt Sendermann drei Tage vor der Beerdigung. Für ihn persönlich sei aber eine Leistung besonders herausragend.

„Dass wir heute so eine hervorragende Gesamtschule haben, ist Paul Ostrop zu verdanken.“ Der CDU-Politiker habe vor 35 Jahren - „in einer Zeit, als das längst nicht selbstverständlich war“ - die Weichen gestellt in der Schulpolitik. „Er war der Motor.“

Paul Ostrop (l.) mit der Urkunde und der Ehrennadel der Stadt Olfen: Bürgermeister Wilhelm Sendermann (r.) dankte dem CDU-Parteimitglied 2016 für sein Engagement.
Paul Ostrop (l.) mit der Urkunde und der Ehrennadel der Stadt Olfen: Bürgermeister Wilhelm Sendermann (r.) dankte dem CDU-Parteimitglied 2016 für sein Engagement. © Foto: Tobias Weckenbrock

Einsatz für den Roten Keil

Weniger laut und weithin sichtbar, aber ebenso zukunftsweisend und relevant war Ostrops Engagement für den Verein „Der Rote Keil“, der sich einsetzt für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Ausbeutung durch Prostitution und Pornographie sowie sexuellem Missbrauch: Paul Ostrops „Herzensprojekt“, wie es in der Traueranzeige heißt.

Paul Ostrops Witwe und seine Familie bitten um Spenden für diesen Verein an Stelle von Blumen- und Kranzspenden. Auch das hätte ihm gefallen. Ebenso wie das farbenfrohe Kreuz und der fromme Spruch von Pater Delp, dem katholischen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus: „Wenn durch einen Menschen mehr Liebe und Güte, mehr Licht und Wahrheit in der Welt war, hat sein Leben einen Sinn gehabt.“ Paul Ostrops Leben hatte Sinn.

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