
© Günther Goldstein
Eine Wildnis vor der Haustür - Olfen hat große Pläne für Waldgebiet
Raum für Natur
In Olfen soll auf einer riesigen städtischen Fläche zwischen Rönhagen und Eversumer Straße ein Wildnisgebiet entstehen. Möglich wurde das Projekt erst durch das Ende des Steinkohlenbergbaus.
Der Einstieg in das Waldgebiet Rönhagener Heide ist von der Eversumer Straße aus symbolträchtig. Fußgänger und Radfahrer haben es leicht, Autofahrer finden nur schwer eine Abstellmöglichkeit. Das passt gut ins neue Konzept für die Fläche, die so groß ist wie rund 140 Fußballplätze. Wie bei den Sportplätzen finden sich auch im Wald viele gerade Linien. Ein klassischer Nutzwald. Doch es gab eine Zeit davor.
„Hier ist Sand, hier gab es Heidelandschaften“, sagt Bürgermeister Wilhelm Sendermann bei einem Spaziergang. Er dreht das Rad der Geschichte einige Jahrzehnte zurück in eine Zeit, in der Olfen Zechenstandort werden sollte. Mit Blick auf die zu erwartenden Bergschäden habe die Ruhrkohle vorgesorgt, um nicht nach Bergsenkungen privat entschädigen zu müssen. Sie hat Haus Vogelsang und viele Flächen gekauft. „Sie ist zum größten Grundstückseigentümer in Olfen geworden“, sagt Sendermann. Der Wald wurde zum Wirtschaftsgut, die Holzproduktion stand im Vordergrund.
Naturschutzstiftung NRW und Stadt haben Flächen gekauft
Doch auch das ist wieder Geschichte. Als das „Aus“ für den Steinkohlenbergbau beschlossen war, hat die Ruhrkohle alle Flächen abgegeben. Das riesige Waldgebiet im vergangenen Jahr. Jetzt sind die Stadt Olfen und die Naturschutzstiftung NRW Eigentümer. Die Stadt hat ihr Ziel bereits klar formuliert. „Wir würden der Natur wieder mehr Raum geben und uns zurücknehmen - wie in der Steveraue“, sagt Sendermann. Das gilt für den Wald, nicht aber für die sich direkt anschließende Fläche.

In unmittelbarer Nähe zum Wald verläuft ein schmaler Bach. Nach einem Ausbau (inklusive Radweg) soll hier die Neue Stever entstehen. © Günther Goldstein
An der Waldgrenze verläuft aktuell ein eher unscheinbarer Bach. Geht es nach den Plänen der Stadt Olfen, wird daraus in den nächsten Jahren die „Neue Stever“. Sendermann räumt vor Ort ein, dass der Graben dann breiter werden muss - „etwa 25 Meter“. Dabei eingerechnet sei ein „begleitender Fuß- und Radweg“, um die Natur erlebbar zu machen. Dazu gehört auch, dass ortskundige Menschen sehen, dass der aktuelle Bach als Neue Stever in die entgegengesetzte Richtung fließt. Für das künftige Wildnisgebiet hat die Stadt einen ganz anderer Ansatz.
Hier will die Stadt Wege auflösen und Gräben zuschütten. Damit nicht genug. Es soll eine Wildnis entstehen - weitgehend ohne menschliches Eingreifen. „Die Natur macht das von alleine“, sagt Sendermann und verweist auf die Steveraue. „Hier haben wir eine Waldgewinnung in einer Größenordnung von 1,5 Hektar gehabt. Einfach dadurch, dass nichts gemacht wurde. Durch Sukzession.“ Die aktuelle Situation ist jedoch eine ganz andere. „Das ist hier ein Wirtschaftswald“, sagt Sendermann und zeigt auf „ökologisch wertigere Flächen“ im hinteren Teil des Waldes. Dicke Moosschichten bedeckten schon vor Jahren abgebrochene Zweige, entwurzelte Bäume hat man liegen lassen und dem ganz natürlichen Prozess überlassen. „Wir haben hier nichts gemacht.“
Selbst nach einem Orkan wie Kyrill würde die Stadt nichts machen
Naturliebhaber freuen sich über diese Entwicklung in einem Wald, der „nicht mehr gefegt“ wird und spannende Ein- und Ausblicke bietet. Menschen, die mit Rädern unterwegs sein wollen oder die mit „feinem Schuhwerk“ in der Natur unterwegs sein wollen, werden hingegen weniger begeistert sein. Auf Unterstützung der Stadt dürfen diese Menschen nicht hoffen. Im Gegenteil. Die Stadt denkt darüber nach, Bäume auf Wege fallen zu lassen, um so der Natur Vorrang zu geben. Selbst nach einem Orkan wie Kyril, der im Januar 2007 mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 225 km/h viele Bäume entwurzelte, würde die Stadt nicht zum Handeln bewegen.

Mitten im Wald gibt es Mulden, die sich vor allem im Herbst füllen. © Günther Goldstein
„Wir würden nichts machen“, sagt Sendermann. Es gehe darum, eine Eigenentwicklung zu ermöglichen. Allerdings gibt es eine „Problempflanze“ in diesem Wald, die spätblühende Traubenkirsche. „Sie ist häufig ein forstliches Problem“, sagt Johanna Sissmann von der Stadt Olfen. „Es gibt Meinungen vom Forstamt, dass man diese Traubenkirsche besonders bekämpfen müsste. Soweit sind wir hier aber noch nicht. Wir müssen erst einmal den Bestand ermitteln. Dann müssen wir überlegen, ob zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Traubenkirschen ergriffen werden.“ Es könne aber auch sein, dass das der Natur selbst überlassen werde.
Weniger Wege durch den Wald - und schon herrscht mehr Ruhe
„Wir wollen Waldumbau machen, weniger Wege haben“, sagt Wilhelm Sendermann zu den geplanten nächsten Schritten. Es gehe darum, den Wald zu beruhigen. Aktuell würden die Fahrradfahrer auf zwei Achsen von Süd nach Nord und umgekehrt kommen. „Aber müssen es zwei Wege sein“, fragt Sendermann. „Und müssen wir überall spazieren gehen? Es wäre schön, wenn zwei Kilometer gar kein Weg durch den Wald geht. Wir würden uns freuen, wenn Wildschweine die Fläche auf links ziehen.“ Eine Ausrichtung eines Waldes, wie es viele Menschen von Besuchen beispielsweise im Bayerischen Wald kennen. Gleichzeitig ein Weg, der in unserer Region die absolute Ausnahme ist.
„Die nächste Aufgabe ist: Wie vermittele ich den Menschen das Konzept? Viele kennen solche Naturwälder nicht mehr“, sagt Sendermann. Die Stadt wolle die Menschen nicht vom Wald fernhalten, aber sie sollten „ganz konzentriert“ durch den Wald geführt werden. „Vielleicht gibt es irgendwann mal einen Aussichtsturm, um die Natur aus rund 30 Metern Höhe zu beobachten. Wichtigstes Ziel ist jedoch, den Wald sich zu einer Wildnis zurückentwickeln zu lassen.“ Das gilt zunächst für die Fläche der Stadt. Aber natürlich hätte die Verwaltung nichts dagegen, wenn sich der Wald im Besitz der Naturschutzstiftung NRW in eine ähnliche Richtung entwickelt.
Journalist aus Leidenschaft, Familienmensch aus Überzeugung, Fan der Region. Als Schüler 1976 den ersten Text für die Ruhr Nachrichten geschrieben. Später als Redakteur Pendler zwischen Münsterland und Ruhrgebiet. Ohne das Ziel der Arbeit zu verändern: Die Menschen durch den Tag begleiten - aktuell und hintergründig, informativ und überraschend. Online und in der Zeitung.
