Von Trinkerlisten und der Eindämmung von Kneipenkonzessionen Das Olfener Bier- und Kneipenbuch erscheint

Von Trinkerlisten und der Eindämmung von Kneipenkonzessionen
Lesezeit

Herr Leushacke, was war der Grund für dieses Buch?

Rund um den Dorfladen Vinnum hat sich ein Team gebildet, das gerne ein Vinnumer Bürgerbräu brauen wollte. Da dieses nicht irgendein Bier, sondern ein besonderes Bier werden sollte, sollte auch die Geschichte des Bieres in Vinnum erforscht werden. Hierzu kam man auf mich zu. In einem ersten Gespräch war ich noch sehr zurückhaltend. Ich hatte nie damit gerechnet, dass es über Bier in Vinnum so viel zu erzählen geben könnte.

Wie lange haben Sie für die Recherche gebraucht?

Insgesamt habe ich rund zweieinhalb Jahre recherchiert. Im Lauf dieser Nachforschungen hat sich schnell ergeben, dass ich die Vinnumer und Olfener Kneipen mit in meine Arbeit einbeziehen musste. Über viele Jahrhunderte waren die Kneipen der einzige Ort, an dem man ein gutes Bier bekommen konnte.

Kneipengemütlichkeit in der Kellerbar (v.l.): Johannes Leushacke, Jürgen Pflips, Brigitte Hischer, Karl-Heinz Dulle, David Wiegers, Katrin Wiegers und Frauke Hischer.
Kneipengemütlichkeit in der Kellerbar (v.l.): Johannes Leushacke, Jürgen Pflips, Brigitte Hischer, Karl-Heinz Dulle, David Wiegers, Katrin Wiegers und Frauke Hischer. © Antje Pflips

Wo sind Sie fündig geworden?

Fündig geworden bin ich vor allem im Stadtarchiv. Ich war selbst überrascht, wie viel Material zu den Themen Bier und Kneipen dort vorhanden war. 40 Akten habe ich hier durchgesehen. Über die Olfener Bier- und Getränkesteuer, über Alkoholiker und „Trinkerlisten“ und über Anträge auf Konzessionserteilung. Denn lange Zeit versuchte der Staat die Anzahl der Kneipen zu begrenzen.

Hierzu fanden sich auch rund sechs Akten in den Beständen des Kreisarchivs in Coesfeld. Darüber hinaus haben auch einige Olfener und Vinnumer Material zur Verfügung gestellt.

Natürlich habe ich auch etliche Bücher gelesen. Hilfreich waren zudem Recherchen im Internet und Zeitungen, insbesondere im Lokalteil der Ruhr Nachrichten. Besonders nachdrücklich war das Gespräch mit dem Ehepaar Wilms. Die beiden haben wirklich ein unglaubliches Wissen über die (Bier- und Kneipen-) Geschichte Olfens!

Haben Sie für das Buch das eine oder andere Bier probiert?

Da muss ich doch zugeben, dass ich gar kein Bier trinke. Es schmeckt mir einfach nicht. Ich trinke aber gerne mal ein Radler.

2011 brauten Harald Still (r.) und sein Schwiegersohn Dirk Elias (l.) Bier für den Heimatverein. Mit auf dem Foto v.l.: Jürgen Pflips, Christoph Elias und Ludger Besse.
2011 brauten Harald Still (r.) und sein Schwiegersohn Dirk Elias (l.) Bier für den Heimatverein. Mit auf dem Foto v.l.: Jürgen Pflips, Christoph Elias und Ludger Besse. © Antje Pflips

Aus welchem Zeitabschnitt berichten Sie?

Ich versuche, die Geschichte des Bieres systematisch nachzuerzählen. Daher fange ich auch in der Steinzeit an. Aus der frühen Neuzeit stammen auch die ältesten Hinweise auf Brauer und Gastronomen in Olfen und Vinnum. Der Schwerpunkt des Buches liegt aber eindeutig in der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Hier ist die Überlieferung in den Archiven einfach deutlich dichter. Man darf auch nicht vergessen, dass bei dem Olfener Stadtbrand 1857 viele Akten (und auch Kneipen!) vernichtet worden sein dürften. Dass sich ein Verzeichnis der Olfener Gaststätten aus dem Jahr 1841 erhalten hat, darf daher wirklich als Glücksfall gelten. Einige Gaststätten in Olfen und Vinnum sind aber deutlich älter. Hier fehlen aber leider meist die Quellen.

Wie viele Kneipen gab es einstmals in Olfen?

Insgesamt konnte ich in Olfen, Vinnum und den Olfener Bauernschaften 55 Kneipen und Gaststätten nachweisen. Diese haben allerdings nicht alle gleichzeitig existiert. Manche gab es nur wenige Jahre, beispielsweise während der Bauarbeiten an der ersten Fahrt des Dortmund-Ems-Kanals, andere gab oder gibt es seit weit über 150 Jahren. 1883 gab es in Olfen immerhin 27 Kneipen, auch 1952 waren es noch 23. Im Jahr 1906 kam eine Kneipe auf 92 Einwohner. Bei rund 12.000 Einwohnern und etwa elf Kneipen kommen im Jahr 2023 heute etwa 1100 Einwohner auf eine Kneipe. Hinzu kommen noch Schnellrestaurants oder Pizzerien.

Wer hat selber Bier gebraut?

Ursprünglich braute man das täglich getrunkene Bier selbst. Erst im Mittelalter professionalisierte sich das Brauen, es wurde zu einem Handwerk. Im Mittelalter brauten professionelle Brauer vor allem in den Städten. Auf dem Land wurde meistens auf den einzelnen Höfen selbst gebraut.

Auch in Olfen wurde, zumindest auf den größeren Höfen, selbst gebraut. Zum Teil noch bis in das 20. Jahrhundert hinein. Auf Schloss Sandfort gab es ein großes Brauhaus, hier wird wohl auch für die Umgebung gebraut worden sein. Auch zum Pfarrhof an der Kirche gehörte eine Braustätte.

In der Frühen Neuzeit entstanden auch auf dem Land, so auch in Olfen und Vinnum, professionelle Brauereien. Meistens waren es Gastwirte, die das Bier, welches sie ausschenkten, selbst brauten. Wer kein eigenes Bier braute, kaufte hier auch Bier, um es zu Hause zu trinken. Man ließ sich einfach einen Krug oder ein anderes Gefäß befüllen. Erst im 19. Jahrhundert, während der Industrialisierung, entstanden moderne Großbrauereien, so wie wir sie auch heute noch kennen. Viele kleinere Betriebe mussten schließen. Mit der Erfindung und weiten Verbreitung des Flaschenbiers tranken immer mehr Menschen ihr Bier zu Hause. Viele Gaststätten litten unter diese Entwicklung. Auch das eigene Brauen auf dem Hof lohnte jetzt kaum noch.

Eine Auswahl Olfener Biere.
Eine Auswahl Olfener Biere. © Antje Pflips

Macht das heute noch jemand?

Seit etwa Ende der 1970er-Jahren gibt es in den USA eine Craft-Beer-Bewegung. Dieser Trend ist auch in Olfen angekommen. Im Jahr 2007 hat der Heimatverein sein Back-, Brenn- und Brauhaus eröffnet. Seit 2009 wurde hier auch Olfener Heimatbier gebraut. Über viele Jahre engagierten sich Mitglieder des Heimatvereins und brauten Bier mit der Brauanlage des Vereins. Dieses gab es auf den Veranstaltungen des Vereins zu kosten. Seit einigen Jahren gibt es in Olfen auch zwei Mikrobrauereien: Winnis Brauwerkstatt (seit 2017) und „Hafen 23“. Seit diesem Jahr gibt es ja auch das Vinnumer Landbier. Wie viele Hobbybrauer in Olfen ihr eigenes Bier brauen, ist kaum zu beantworten. Übrigens: In einigen Olfener Gärten wächst auch Hopfen, eine Grundzutat für Bier.

Was bewegte die Menschen, ihre Freizeit in der Kneipe zu verbringen?

Es ist wohl vor allem die Geselligkeit und Gemeinschaft, die Menschen in die Kneipen zieht. Hier kann man, in ungezwungener Atmosphäre, mit bekannten oder (noch) unbekannten Menschen ins Gespräch kommen und eine gute Zeit verbringen. Sehr gut bringt dieses besondere Lebensgefühl, so glaube ich, der Song von Peter Alexander aus dem Jahr 1976 zum Ausdruck: „Die kleine Kneipe in unserer Straße; Da wo das Leben noch lebenswert ist; Dort in der Kneipe in unserer Straße; Da fragt dich keiner was du hast oder bist.“ Die Kneipe ist ein echtes Kulturgut! Viele werden sie wohl erst dann vermissen, wenn sie nicht mehr da ist. Schade.

Wie war das mit den Kellerbars?

Kellerbars wurden in den 1970er-Jahren modern. Hier wurden jetzt viele Partys gefeiert. Viele sahen aus und waren eingerichtet wie eine Kneipe. Der Kneipenbesuch wurde so von manchen in das eigene Haus verlegt; durchaus eine Konkurrenz für die öffentlichen Kneipen.

Wie erklären Sie sich das Kneipensterben nicht nur in Olfen, sondern landesweit?

Die Verbreitung der Kellerbar hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass immer mehr Kneipen geschlossen wurden. Die Ursachen des sogenannten Kneipensterbens sind aber sehr vielfältig und häufig individuell. Beispielsweise hat die veränderte Arbeitslandschaft dazu beigetragen, dass die Anzahl der Kneipen zurückging. Im 19. Jahrhundert waren die Wohnungen vieler Arbeiter so klein und ärmlich, dass viele Arbeiter ihre Freizeit in den Kneipen verbrachten. Dies hat sich zum Glück geändert. Auch die Verbreitung des Fernsehers hat den Kneipen geschadet. Insgesamt muss man sagen, dass sich das Freizeitverhalten geändert hat.

Wer gerne mehr über das Buch erfahren oder es kaufen möchte, der hat am Sonntag, 20. August, im Heimathaus von 12 bis 18 Uhr dazu Gelegenheit. Das Buch hat 13 Kapitel, 228 Seiten und ist mit 285 Fotos, neue und historische, und Abbildungen bestückt. Der Preis für das Buch stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest.

An diesem Tag wird das neue Vinnumer Landbier ausgeschenkt. Außerdem gibt es eine große Ausstellung zur Bierstadt Dortmund mit Postkarten und Bierdeckeln. Ab 14.30 erfolgt ein Stadtrundgang zu historisch interessanten Orten der Innenstadt.

Spitzkohl, Süßkartoffel, Fenchel:: Bei Mutter Althoff kommt nicht nur Fleisch auf den Grill

Idyllisch, stadtnah oder sportlich: Biergärten in Selm, Olfen und Nordkirchen

Vinnum bekommt doch noch sein Bürgerbier: Projektgruppe findet neue Brauerei für Landbier