Was die evangelische Christus-Kirchengemeinde Olfen gerade durchmacht, ist nichts weniger als ein Ringen um Zukunftsfähigkeit. Das Haushaltsdefizit - so lauten die Prognosen - wird sich, wenn sich nichts ändert, bis 2027 auf 77.000 Euro anhäufen. Gründe dafür: Die Zahl der Gemeindeglieder sinkt und damit schrumpfen auch die Kirchensteuereinnahmen. Zudem steigen die Kosten für Personal und Gebäude. Sicher ist, dass die Kirchengemeinde ihre Gebäude an der Von-Vincke-Straße - Pfarrhaus, Gemeindehaus und Kirche - auf Dauer nicht mehr unterhalten kann.
Presbyterium und Pfarrer Thorsten Melchert müssen jetzt die Reißleine ziehen und ein Haushaltssicherungskonzept bis 2027 aufstellen. Aus einem seit Monaten dauernden Meinungs- und Beteiligungsprozess haben sie Handlungsoptionen erarbeitet, um Einnahmen zu generieren und das Haushaltsdefizit auszugleichen.
- Option 1: Das Pfarrhaus, in dem derzeit Pfarrer Thorsten Melchert wohnt, wird an einen externen Investor verkauft. Der Teil des Gemeindegrundstücks, auf dem das Pfarrhaus steht, wird auf Erbpacht abgegeben. Kirche und Gemeindehaus bleiben bei der Kirchengemeinde.
- Option 2: Verkauf aller Gebäude an eine zu gründende Betreibergesellschaft. Der Standort bleibt erhalten, die Kirchengemeinde ist Gesellschafter und Mieter.
- Option 3: Komplettverkauf. Der Standort bleibt erhalten. Alle Gebäude werden an einen externen Investor verkauft. Das Gesamtgrundstück wird auf Erbpacht abgegeben. Die Kirchengemeinde mietet am Standort Räumlichkeiten.
- Option 4: Der Standort wird aufgegeben, alle Gebäude werden an einen externen Investor verkauft, das Gesamtgrundstück wird gegen Erbpacht abgegeben, die Kirchengemeinde mietet Räume an einem anderen Standort.
Diese Optionen hat die Kirchengemeinde interessierten Gemeindegliedern am Freitagabend, 29. November, vorgestellt. Und auch die erste Entscheidung wurde öffentlich gemacht.
„Trauerprozess“ für Kirchengemeinde
Diese Entscheidung lautet: Option 1 wird umgesetzt. Sprich: „Das Pfarrhaus wird verkauft“, sagt Presbyterin Gudrun Schlaphorst im Gespräch mit der Redaktion. Pfarrer Thorsten Melchert wird in das Haus seiner Familie außerhalb von Olfen ziehen. „Das geht, weil es keine Residenzpflicht mehr für Pfarrer gibt“, sagt der 62-Jährige. Und da allen klar sei, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um die Haushaltssituation zu verbessern, sei der Verkauf des Pfarrhauses der erste Schritt.
Sollte die Kirchengemeinde das Pfarrhaus verkaufen und den Teil des Grundstücks, auf dem es steht, vererbpachten können, werde der Erlös aber nicht reichen, berichtet Gudrun Schlaphorst. „Wir prüfen auch, ob wir das Gemeindehaus und die Kirche verkaufen, das Grundstück vererbpachten und dann Räumlichkeiten am Standort mieten.“

Dass das kein leichter Prozess ist, sich unter der Voraussetzung einer defizitären Haushaltslage von Gebäuden trennen zu müssen, betonen sowohl Melchert als auch Presbyterin Gudrun Schlaphorst. „Ich gebe zu, dass es erstmal ein Schock für mich war“, erklärt der Pfarrer. Er sei seit 1992 Gemeindepfarrer. „Wir haben etwas aufgebaut. Deshalb floriert das Gemeindeleben. Das Gemeindehaus ist voll.“ Gleichwohl: Der einzige Weg, aus der Haushaltssicherung herauszukommen, sei, sich von Gebäuden zu trennen.
Das sei laut Melchert „ein Trauerprozess“, den die gesamte Kirchengemeinde durchlaufe. Die Gemeindeführung hat die Mitglieder früh informiert und ihnen die Gelegenheit gegeben, sich einzubringen mit Ideen. Insofern stecken in den Handlungsoptionen auch Vorschläge von Gemeindegliedern und nicht nur des Presbyteriums inklusive Pfarrer. „Viele kamen mit kreativen und guten Ideen“, lobt Melchert. Gleichwohl: Wenn nichts passiert, kann die Kirchengemeinde die Gebäude nicht erhalten. Wobei Pfarrer und Presbyterin versichern, dass die Gebäude in Schuss seien. „Vor ein paar Jahren haben wir die Kirche erst renoviert“, erzählt Gudrun Schlaphorst. Wie viel Pfarrhaus, Gemeindezentrum und Kirche wert sind, verraten beide nicht.

Gemeindeglieder können spenden
Noch ist es nur eine Prüfung, ob alle Gebäude an externe Investoren verkauft werden sollen, das Gesamtgrundstück vererbpachtet werden kann und die Kirchengemeinde sich Räumlichkeiten in den dann ehemals eigenen Gebäuden anmietet. Klar ist aber auch, wofür die Gemeinde Räume braucht. Es müsse einen Ort der Spiritualität geben für Gottesdienste und Andachten, Begegnungsräume für Senioren, Kinder und Familien, Raum für Konzerte, Ausstellungen, eine Bücherei, für Konfirmandenunterricht, Vorträge, ein Gemeindebüro und ein Amtszimmer für den Pfarrer und Räume für Sozialberatung, interkulturelle Angebote und für die Tafel-Ausgabestelle. Kurz: Die evangelische Christus-Kirchengemeinde will weiter in Olfen präsent sein.
Wie und wo, das wird die nahe Zukunft zeigen. Was zunächst nicht verfolgt werde, sei die Aufgabe des Standortes, Verkauf aller Gebäude und Vererbpachtung des Gesamtgrundstücks und die Miete von Räumen an einem anderen Standort. Neben dem beschlossenen Verkauf des Pfarrhauses wird es weitere Maßnahmen geben, um Einnahmen zu generieren. Räume im Gemeindehaus sollen vermietet werden. Die Gemeindeglieder sind aufgerufen, Geld für die Kirchengemeinde zu spenden.
Was bedeuten die beschlossenen Maßnahmen zunächst mal für das bestehende Angebot der evangelischen Christus-Kirchengemeinde? Das Pfarrbüro (bisher im Pfarrhaus) wird in das Erdgeschoss des Gemeindehauses verlegt. Der Jugendkeller wird so genutzt: Vormittags ist die Spielgruppe dort, nachmittags der offene Kindertreff Gaudium. Die evangelische öffentliche Bücherei wird verlegt: Bücherregale kommen in die Kirche und die Ausleihtheke ins Büro. Die Kirche soll multifunktional umgestaltet und genutzt werden.
Wie geht es weiter im Prozess? Arbeitsgruppen arbeiten an den verschiedenen Optionen und suchen Partner dafür. Das Pfarrbüro und das Amtszimmer werden ins Gemeindehaus verlegt. Es wird Spendenprojekte geben. Im Juni 2025 soll es eine weitere Gemeindeversammlung geben, in der die Gemeindeglieder über die Situation informiert werden.
Haushaltszahlen
Die evangelische Christus-Kirchengemeinde Olfen hat derzeit 2463 Gemeindeglieder. Bei einem Haushaltsvolumen für 2024 von 420.000 Euro wird das Haushaltsdefizit mit minus 4500 Euro prognostiziert. Wenn nichts geschieht und alles so bleibt, wie es ist, sehen die Zahlen bis 2027 so aus:
- 2025: Haushaltsvolumen: 440.000 Euro, Defizit: minus 20.000 Euro
- 2026: Haushaltsvolumen: 450.000 Euro, Defizit: minus 23.000 Euro
- 2027: Haushaltsvolumen: 450.000 Euro, Defizit: minus 30.000 Euro