Pater Rajakumar Mathias im Februar 2021 © Foto: Maria Niermann
Coronavirus
Corona in Indien: „Die Menschen sind schon unten, tiefer geht es nicht“
Eigentlich hatte Pater Rajakumar Mathias einen längeren Indien-Urlaub bei seiner Familie geplant. Dann kam Corona. Er berichtet von der Situation dort und wieso Inder bei Corona entspannter sind.
Als Pater Rajakumar Mathias vor ziemlich genau einem Jahr zum letzten Mal in seiner Heimat war, in Indien, ahnte er nicht, dass er seine Eltern im Jahr 2020 überhaupt nicht mehr sehen würde. „Am 4. Februar waren wir ungefähr eine Stunde bei meinen Eltern und der gesamten Großfamilie. Mehr Zeit war während der Pilgerreise nicht vorgesehen.“ Das war für Pater Rajakumar, der seit fünf Jahren in der Olfener Vitus-Gemeinde lebt und arbeitet, völlig in Ordnung.
Flug zum dritten Mal verschoben
Schließlich würde er ja schon ein Vierteljahr später seinen richtigen Heimaturlaub antreten. Er würde nach Indien fliegen, um dann mehr Zeit mit seinen Eltern zu verbringen. Das ist für ihn umso wichtiger, als seine Mutter sehr krank ist. Inzwischen ist die Reise zum dritten Mal verschoben worden. Nun hofft der indische Pastor im Sommer dieses Jahres nach Indien fliegen zu können.
Dennoch ist Pater Rajakumar sehr glücklich darüber, dass er einer Olfener Gruppe mit 30 Teilnehmern sein Heimatland, seine Heimatregion, die Menschen in Indien hat zeigen können. Er kehrte mit einer sehr bewegten, begeisterten Pilgergruppe zurück nach Olfen. Danach veränderte ein Virus das Leben sowohl in seiner Heimat Indien als auch an seinem jetzigen Wirkungsort Olfen.
Ohne Abstand - ohne Mundschutz
Wie Deutschland, wie Olfen, mit dem Virus lebt, das ist bekannt. Tagtäglich gibt es ausführliche Informationen. Aber was ist eigentlich in Indien los, dem Land mit 1,35 Milliarden Einwohnern? Menschen, die häufig sehr arm sind und oft auf engstem Raum zusammenleben? Zwischenzeitlich gab es aus dem südasiatischen Land sehr drastische TV-Bilder zu sehen. Menschen, die sich nicht an die Corona-Schutzauflagen hielten, wurden gedemütigt: man sah Kniebeugen und Schläge, konnte von schriftlichen Strafarbeiten lesen, wie man sie aus den 1960er Jahren kennt.
Die Eltern von Pater Rajakumar waren glücklich darüber, dass ihr Sohn mit 29 Begleitern die Heimat des Paters besuchten © Foto: Christoph Reinkober;CHRIST
Auf diese Frage – Wie ist die Situation in Indien?- zückt Pater Rajakumar sein Handy und zeigt ein Foto, von einem Gottesdienst vor einigen Tagen in seiner Heimatgemeinde: mehrere Priester am Altar, Messdiener, Gottesdienstbesucher sitzen nebeneinander, ohne Abstand, ohne Mundschutz, natürlich wurde auch gesungen. Wie geht das? Was ist bezüglich der Pandemie anders in Indien?
Geringere Infektionszahlen als in Deutschland
Anders und sehr viel höher, sind schon mal die Infektionszahlen. Pater Rajakumar berichtet: In den Monaten Mai und Juni wurden laut WHO zwischen 2000 bis 20.000 Infizierte pro Tag in Indien gemeldet. Noch Mitte September gab es rund 96.000 Infizierte pro Tag, gleichzeitig 1247 Verstorbene. Und nun, am 15. Februar zum Beispiel, 11.649 Infizierte 90 Tote, das sind – zumindest in Bezug auf die Einwohnerzahlen - deutlich geringere Zahlen als in Deutschland.
Erklärungsversuche von Pater Rajakumar: Die Menschen in Indien seien nicht sehr mobil, meint er. Sie bleiben dort, wo sie sind. Sicherlich seien zu Beginn der Pandemie Tagelöhner zu ihren Familien in die Dörfer zurückgekehrt, auch gegen die Vorgaben der Regierung. Viele seien aber auch in den Städten geblieben Die strenge Ausgangssperre, die übrigens bis in den Monat August hinein gegolten habe, und die sowieso geringe Mobilität habe sicherlich Wirkung gezeigt. Gegen den Hunger gab es Reis und Linsen von den Behörden.
„Sie sind schon unten, was soll da noch passieren?“
Pater Rajakumar schüttelt beim Gespräch immer wieder den Kopf: „Indien ist so anders, das ist mit Deutschland nicht vergleichbar. Die Menschen sind arm. Die Tagelöhner leben von der Hand in den Mund. Ihnen geht es schlecht. Sie verdienen gerade so viel, dass sie sich ernähren können. Eine Pandemie wirft sie nicht aus der Bahn. Sie sind doch schon unten, was soll da denn noch passieren? Ich glaube, das ist ein Grund für mehr Gelassenheit bei den Indern im Umgang mit dieser Pandemie. Die Menschen sind schon unten, tiefer geht es nicht.“
In Deutschland gebe es eine hohe soziale Sicherheit. Den Menschen in Deutschland gehe es gut, sie lebten auf einem hohen Niveau. Da sei es natürlich schwierig, von den vielen Privilegien, die die Menschen hier haben, etwas abzugeben, von dem Niveau herunterzugehen.
Entspanntere Herangehensweise - auch beim Thema Tests
„Die Menschen in Indien dagegen haben keine Angst weil es nicht schlimmer werden kann.“ Pater Rajakumar meint, dass die Menschen aus diesem Grund eine entspanntere Herangehensweise hatten. Auch wenn sie beispielsweise Symptome gehabt hätten, hätten sie sich nicht testen lassen.
Auf der anderen Seite, sei die medizinische Versorgung in vielen Teilen Indiens gut. „In jedem Kreis gibt es ein Krankenhaus und eine medizinische Hochschule.“ Diese medizinische Infrastruktur sei während des Lockdowns immer weiter verbessert worden. Eine weiter fortschreitende Privatisierung in allen Wirtschaftsbereichen und auch in der Medizin sieht Pater Rajakumar kritisch. „Dann muss natürlich für alle Leistungen gezahlt werden. Und die große Mehrheit der Inder kann sich dann die Versorgung nicht mehr leisten.“
Seit dem 16. Januar wird in Indien geimpft, mit zwei Impfstoffen, die eine Schnellzulassung erhalten haben. In Indien haben die Mitarbeitenden im Gesundheitssystem die höchste Prioritätsstufe. Am 15. Februar waren 8,7 Millionen Menschen laut dem indischen Gesundheitsministerium geimpf, sagt Pater Rajakumar. Staatschef Modi will 300 Millionen Menschen bis Juli geimpft haben.
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