„Bevor die Stimmung kippt“ Münsterland-Kommunen richten eindringlichen Appell an Berlin

„Bevor Stimmung kippt“: Münsterland-Kommunen richten Appell nach Berlin
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„Wir bewegen uns bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten seit bald einem Jahr an den Grenzen des Leistbaren“, schreiben die Städte und Gemeinden im Regierungsbezirk Arnsberg in einer gemeinsamen Erklärung. Vor dem Flüchtlingsgipfel am Mittwoch (10. Mai) in Berlin wollen sie einen eindringlichen Appell nach Berlin schicken. Für den Kreis Coesfeld hat Olfens Bürgermeister Wilhelm Sendermann als Sprecher der Kreis-Coesfeld-Kommunen die Erklärung unterschrieben.

Die Münsterlandkommunen in den Kreisen Coesfeld, Warendorf, Steinfurt und Borken haben sich zusammengetan, um in Berlin mehr Gehör zu finden. Gemeinsam haben sie ein Schreiben an die Bundesministerinnen Nancy Faeser (Inneres) und Josefine Paul (Integration) geschickt, in dem sie mehr Hilfe fordern. „Wir brauchen gemeinsame Anstrengungen“, sagt Wilhelm Sendermann. Bislang hätten die Kommunen die Unterstützung von Land und Bund nicht so wahrnehmen können.

Der Frust in den Kommunen ist spürbar. „Es ist sehr ruhig, es wird nicht viel drüber gesprochen“, sagt Marc Schrameyer, Bürgermeister von Ibbenbüren und Sprecher für die Bürgermeister im Kreis Steinfurt. Alle Kommunen seien sich einig darin, den Anspruch aus dem Grundgesetz, das Verfolgten und Geflüchteten Schutz zusichert, erfüllen zu wollen. Doch die Hauptlast liege bei den Kommunen. Alle Kommunen seien an der Belastungsgrenze so Schrameyer. „Das kann man nur eine bestimmte Zeit lang tragen.“

„Helfen werden uns nur zusätzliche, von Bund oder Land betriebene Unterkünfte sowie eine gerechtere Verteilung in Europa. Es kann nicht sein, dass NRW mehr Flüchtlinge aus der Ukraine aufnimmt als ganz Frankreich. Wir fordern den Bund auf, dieses Thema mit höchster Priorität anzugehen“, heißt es in der Erklärung an die Ministerinnen.

Flüchtlingsunterkunft Vinnumer Landweg
Die Flüchtlingsunterkunft am Vinnumer Landweg: Einige Flüchtlinge leben hier jahrelang, weil sie keine Wohnung finden. Neben der Einrichtung wird die Stadt Olfen Platz für weitere 116 Menschen schaffen. © Theo Wolters (A)

„Wir haben derzeit die Verantwortung für eine Zahl von Menschen in der Größenordnung von ganzen Ortsteilen“, verdeutlicht Wilhelm Sendermann. Die Frage sei, wie man gesamtgesellschaftlich mit der Aufgabe umgehe. „Wir brauchen einen strukturierten und koordinierten Prozess“, sagt auch Mechthild Schulze Hessing, Bürgermeisterin in Borken. Die Kommunen benötigten eine Perspektive. „Bevor die Stimmung kippt“, sagt die Politikerin. Davor warnt auch Wilhelm Sendermann. Die Kommunen forderten jetzt Unterstützung. „Es geht um viel mehr als Geld“, sagt der Olfener Bürgermeister. Es gehe um eine Gesamtstrategie, wie Deutschland sich in Europa positioniert, wie man als Gesellschaft die Aufgabe erfülle.

Deshalb wollen sich die Münsterland-Kommunen jetzt Gehör in Berlin verschaffen. Bevor es zu spät sei, so Sendermann. „Zu spät wäre es, wenn die Gesellschaft die Aufgabe nicht mehr mittragen würde“, warnt Sendermann. Ansätze seien zu sehen, auch in bestimmten politischen Strömungen. Wichtig sei es, Perspektiven zu schaffen. „Der Bund lässt uns damit allein und vertröstet uns immer wieder. Wir werden nicht lockerlassen, etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig“, so die Sprecher der Bürgermeister im Regierungsbezirk Münster.

Viele Hilferufe nach Berlin

Die Bundesregierung hat für Mittwoch zu einem Flüchtlingsgipfel eingeladen. Dabei sollen die Regierungschefs der Bundesländer mit Bundeskanzler Olaf Scholz besprechen, wie sie mit der großen Zahl Geflüchteter umgehen können. Nicht nur aus dem Münsterland, auch aus anderen Kommunen haben sich vor dem Gipfel die Hilferufe und Appelle gemehrt. Viele Kommunen haben große Probleme mit der Versorgung und Unterbringung der Geflüchteten. Es gab Forderungen nach mehr Geld, einfacherem Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge und mehr Regulierung an den EU-Außengrenzen.

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