50 Jahre Steinmetz Middelmann in Olfen „Bin mit Steinen um mich herum aufgewachsen“

50 Jahre Steinmetz Middelmann: „Bin mit Steinen aufgewachsen“
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Es war eine turbulente Zeit für die Familie Middelmann vor 50 Jahren: Erst kam Ute Middelmann zur Welt. Nur zwei Monate später gründete Theo Middelmann den Steinmetz-Betrieb, deren Inhaberin seine Tochter heute ist. Das goldene Jubiläum haben Inhaberin Ute Middelmann, Mutter Hildegard, die mit 84 Jahre noch immer im Büro mitarbeitet und das Team in der Werkstatt jetzt gebührend gefeiert. Während die Millionen Jahre alten Arbeitsmaterialien noch dieselben sind, haben sich Werkzeuge, Aufgaben und Farben im Betreib in 50 Jahren verändert.

Seit 1980 liegt die Steinwerkstatt Middelmann an der Robert-Bosch-Straße im Olfener Gewerbegebiet Ost. Die Familie zog damals in eine Wohnung direkt darüber. „Ich bin mit den Steinen um mich herum aufgewachsen“, erzählt Ute Mittelmann. „Das war immer Alltag.“ Schon als Kind habe ihre Tochter dicke Gesteinsbrocken im Urlaub aus den Bergen heruntergeschleppt, erzählt Mutter Hildegard Middelmann.

Bei so viel Leidenschaft für das Material wundert es nicht, dass Ute Middelmann in die Fußstapfen ihres Vaters trat und Steinmetzin und Steinbildhauerin wurde. 2013 hatte Ute Middelmann die Steinwerkstatt übernommen, nachdem ihr Vater Theo gestorben war. Es brauche absolute Leidenschaft, um sich erfolgreich selbstständig zu machen, sagt die 50-Jährige. „Es war ein langer Weg.“

Steinmetz-Chefinnen sind selten

Im Jahr 2000 hatte sie ihre Meisterprüfung abgelegt. Als eine von zwei Frauen unter 40 Prüflingen, erzählt sie. Noch immer hätten Frauen im Handwerk eher eine besondere Rolle, sagt Ute Middelmann. Vorurteile seien ihr aber weniger begegnet. Kunden reagierten eher mit Erstaunen, wenn sie sie in Arbeitskleidung sähen. Früher sei sie auch mal gefragt worden, ob sie die Praktikantin sei. Das habe aufgehört, spätestens als sie graue Haare bekam, erzählt Ute Middelmann mit einem Lächeln. Doch auch 2023 ist ein von einer Frau geführter Steinmetzbetrieb selten. Von über 800 Steinmetz- und Steinbildhauer-Betreiben in NRW, haben nur 40 einen weiblichen Inhaber, listet die Handwerkskammern-Statistik für 2021 auf.

Nachdem sie 2013 den Betrieb übernahm, hat sie die Ausrichtung verändert. Ihr Vater und die Familie komme aus der Bauunternehmung, ihr Vater habe daher viele Steinarbeiten für Bauvorhaben ausgeführt - Treppenhäuser, Türeinfassungen oder Fensterbänke waren der Schwerpunkt. Ute Middelmann setzt inzwischen neben Restaurationsarbeiten und Skulpturen hauptsächlich auf Grabsteine. „Meine Leidenschaft war schon immer die Gestaltung“, sagt die 50-Jährige. Sie und ihr Team fertigen individuelle Grabsteine speziell für einen Verstorbenen an. Die „wunderbare Natursteine“ dafür beziehen sie hauptsächlich aus der Region, wie den Ruhrsandstein aus dem Süden Dortmunds.

Ute Middelmann hat eine Leidenschaft für Natursteine - und für Mosaiken. Mit den filigranen bunten Einlegearbeiten möchte sie Farbe auch auf Friedhöfe bringen.
Ute Middelmann hat eine Leidenschaft für Natursteine - und für Mosaiken. Mit den filigranen bunten Einlegearbeiten möchte sie Farbe auch auf Friedhöfe bringen. © Jessica Hauck

Eine weitere Leidenschaft hegt die Firmenchefin für Mosaiken, die sie aus Glas, Keramik oder Naturstein in Steinskulpturen einbaut. „Das Kleinteilige hat mich fasziniert“, sagt Ute Middelmann. Mit den bunten Kunstwerken wolle sie „auch etwas Farbe auf die Friedhöfe bringen.“

Erster Azubi seit Jahrzehnten

Einen Schritt in die Zukunft macht Ute Middelmann jetzt mit einem neuen Auszubildenden - der erste, seit sie die Steinwerkstatt leitet. Wie lange der Betrieb schon keinen Azubi mehr hatte, daran können sich weder sie noch ihre Mutter genau erinnern. 10, 15 Jahre oder länge sei es bestimmt her. „Ich denke schon lange, dass es gut wäre wieder auszubilden“, sagt Ute Middelmann. Bislang hatte sie aber nie geeignete Bewerber.

Die Nachwuchssorgen im Handwerk bestehen auch in der Branche der Steinmetze und Steinbildhauer. 2021 haben laut Handwerksstatisik des Westdeutschen Handwerkkammertags 53 Personen in ganz NRW diese Ausbildung begonnen. Um die drei Jahre Ausbildung zu schaffen, brauche es besondere Voraussetzungen, findet Ute Middelmann. Wenn der Bezug zum Material, den Steinen, nicht da sei, dann halte man die Ausbildung auch nicht durch, ist die Chefin überzeugt.

Muskelkater gehört dazu

Bislang sei die Arbeit aber ziemlich interessant, sagt Tim Jesussek. Der 17-Jährige hat am 1. August seine Ausbildung bei Ute Middelmann begonnen. Dass der Olfener diesen Berufsweg eingeschlagen hat, verdankt er wohl seinem Großvater. Denn der nahm ihn mit, als Ute Middelmann den Grabstein für die Großmutter fertigte. Einen Tag hospitierte Tim Jesussek in der Werkstatt, erzählt sie. Danach folgte noch ein Praktikum und dann stand der Entschluss für die Ausbildung fest.

Jetzt wird er nach und nach den Umgang mit den Naturmaterialien kennenlernen, die mit großen Sägen, Flex und Presslufthämmern in verschiedenen Größen bearbeitet werden. Das sei auch ganz schon fordernd, sagt der neue Azubi über die Arbeit, Muskelkater gehört seit August dazu. „Er lernt jetzt Muskeln im Körper kennen, die er noch nicht kannte“, sagt Steinmetz- und Bildhauermeister Andreas Rüttershoff lächelnd.

Dabei erleichterten heute Diamantwerkzeuge und gehärtete Meißel die Arbeit, wo es früher nur Meißel und Knüpfel gab. In ihrem ersten Ausbildungsjahr sei die Flex noch tabu gewesen, erzählt Ute Middelmann. Inzwischen werden die Steinmetz-Azubis auch in computergesteuerter Bearbeitung geschult.

Steinplatten stehen auf dem Gelände der Steinwerkstatt Ute Middelmann an der Robert-Bosch-Straße in Olfen.
Granit, Sandstein, Marmor: Drei Steinmetz-Meister, ein Mitarbeiter und ein Azubi bilden derzeit das Team der Steinwerkstatt Ute Middelmann an der Robert-Bosch-Straße 7 im Olfener Gewerbegebiet Ost I. © Jessica Hauck

Das Mosaik-Legen sei auch ihre Arbeit fürs Alter, sagt Ute Middelmann mit einem Augenzwinkern. Wenn die ganz schweren Steinmetz-Arbeiten nicht mehr möglich seien, könne sie gut noch die filigranen Muster legen. In einigen Jahren werde sie auch einen Nachfolger suchen. Der ist für den Olfener Betrieb derzeit nicht in Sicht. Ein paar Jahre könne sie den Betrieb gut noch leiten, sagt Ute Middelmann. „Mit 55 fange ich an, über die Nachfolge nachzudenken“, sagt die 50-Jährige.

Innerhalb der Familie drängt sich bislang niemand auf, der die Familientradition fortführen möchte. Ihr eigener Sohn habe zwar auch gerne mit Stein gearbeitet, habe sich dann aber entschieden, Musiker zu werden. Dass das Steinmetz-Handwerk generell und ihr Betrieb im Speziellen Bestand haben wird, da ist Ute Middelmann aber zuversichtlich: „Wir werden schon noch eine 100 aus der 50 machen.“

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