
© Garnhartner
Trauerbegleiterin aus Nordkirchen: Corona macht Trauer noch schwieriger
Trauerbegleitung
Die Trauerbegleiterin Sandra Garnhartner weiß: Trauer ist in unserer Gesellschaft ein schwieriges Thema. Und eines, das in der Coronakrise noch einmal eine drängendere Bedeutung gewinnt.
Sandra Garnhartners Herzensangelegenheit ist etwas, das viele Menschen vor persönliche Herausforderungen stellt: Sie begleitet Menschen in der Trauer. Garnhartner ist Trauerbegleiterin und engagiert sich zudem ehrenamtlich im ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Lünen. Dort werden Familien begleitet, deren Kinder tödlich erkrankt sind. „Lebensmut und Lebenswut“ ist ihr Motto. Denn es sei valide, neben Trauer auch Wut zu empfinden - und es erfordere viel Mut, etwas Neues zu beginnen.
Garnhartner arbeitet seit 2019 selbstständig als Trauerbegleiterin - neben ihrem Beruf als Steuerfachangestellte. „Viele finden, das sei eine spannende Kombination. Im Hauptberuf habe ich mit nackten Zahlen zu tun und mein Nebenberuf gibt mir eine soziale Komponente.“ Auch Erwachsene begleitet Garnhartner in ihrer Trauer. Es sei einfacher, mit den Grundlagen der Jugendtrauerbegleitung auch mit Erwachsenen zu arbeiten, als umgekehrt mit einer Ausbildung explizit für die Erwachsenenbegleitung. „Kinder haben eine andere Art zu trauern - und auch der Unterschied zwischen Kindern und Jugendlichen ist wichtig.“
Auf die Arbeit gekommen ist sie vor 20 Jahren über die Kinderhospizarbeit: „Ich hörte den Vortrag einer betroffenen Mutter und war beeindruckt, was der Deutsche Kinder- und Jugendhospizverein macht. So habe ich beschlossen, selbst die Ausbildung zu machen“, sagt Garnhartner. Daran schloss sie eine weitere, tiefer greifende Ausbildung an. Sie ließ sich zur Kinder- und Jugendtrauerbegleiterin zertifizieren und schloss sich dem Bundesverband der Trauerbegleiter an. Sogar eine Kinderhospiz-AG hat Garnhartner mitgegründet - am Christopherus-Gymnasium in Werne. „Dort darf ich mit Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 8 über das Thema Tod und Trauer reden.“
Kinder haben andere Art zu trauern
Die Nordkirchenerin arbeitet mit Kindern gern in Gruppen zusammen - damit diese sehen, dass sie nicht alleine sind. In diesen Trauergruppen nähere man sich dem Thema spielerisch. „Man schaut auch, wie es den Kindern geht, lässt sie erzählen, welche Verluste sie haben. Die Trauer muss auch nicht zwingend bedeuten, dass jemand gestorben ist. Auch Scheidung oder ein Umzug können ein Verlust sein.“ Garnhartner lässt die Kinder gern aktiv werden: Es werden Kerzen gebastelt und Briefe an die Verstorbenen geschrieben, die mit zum Grab gebracht werden können. Auch Zeit für freies Spielen gibt es.
Garnhartner schult auch Erzieherinnen und Erzieher in der Trauerbegleitung. „Das kommt nicht in der Ausbildung vor, ist aber eine wichtige Komponente.“ Es habe einen Fall gegeben, in dem selbst gestandene Erzieherinnen nicht gewusst hätten, wie sie mit einem Kind umgehen sollten, in dessen Familie sich ein Trauerfall ereignet hatte. „Das Problem ist: Trauer hat in unserer Gesellschaft wenig bis gar keinen Platz. Am Anfang bringt man trauernden Menschen viel Empathie entgegen, aber das verblasst sehr schnell.“
Viele Trauernde schämen sich für ihre Tränen
Dann werde man schon nicht mehr darauf angesprochen. Trauernde wiederum wollen oft ihre engen Kontakte nicht belasten oder schämen sich teilweise für ihre Tränen. „In der Coronazeit ist das alles noch schwieriger. Einige Trauernde haben nicht einmal die Möglichkeit, über ihre Gefühle zu sprechen. Das kann zu Problemen führen, wieder in ein normales Leben zurückfinden.“ Hinzu komme, dass viele Menschen ihre geliebte Person nicht einmal bis in den Tod begleiten können, weil die Umstände der Pandemie es nicht erlauben. „Was das mit den Menschen macht, werden wir sicher erst in Jahren merken.“
Für Garnhartner steht fest: Es muss einen höheren Stellenwert haben, über Trauerfälle sprechen zu dürfen und diese zu bewältigen. In den Trauerbegleitungen erhalten die Menschen den Raum, all ihre Gefühle erleben zu dürfen. Sie seien darüber glücklich und es tue ihnen gut, über die Verstorbenen sprechen zu können. Einige Trauernde kommen über viele Monate zu Garnhartner. „Man merkt, wie sich die Trauer und die Gefühle der Personen verändern. Es ist nach wie vor ein großer Schmerz, aber sie lernen, damit umzugehen.“
Ihr wird für die Arbeit viel Respekt gezollt, doch auf der anderen Seite möchten viele am liebsten nicht darüber sprechen. Und Garnhartner selbst hat keine Angst vor dem Tod. „Ich habe schon viele Vorbereitungen getroffen. Was mich trifft sind die Schicksale der Kinder im Hospiz und die der Trauernden, die einen jungen Menschen, Angehörige oder den Partner verlieren.“ Doch die Arbeit sei für sie auch eine Bereicherung, da sie dadurch das Leben anders zu schätzen weiß.
Die Arbeit bringt sie weiter nach vorne
Zudem bringe sie die Arbeit eher nach vorne. In einer Zukunft nach der Pandemie möchte Garnhartner Gruppenbegleitungen anbieten - für Kinder und auch für Erwachsene. Über örtliche Hospize will sie diese Gruppen möglich machen. Der Plan dafür stand bereits fest, bevor dann die Pandemie kam und nur noch Einzelbegleitungen möglich waren. „An dieser Arbeit hängt mein Herzblut“, sagt sie.
Tabuisierung des Themas Trauer sei der falsche Weg. Wer spüre, dass er die Trauer alleine nicht bewältigen kann, der solle sich Hilfe holen. „Für viele Menschen sind Tode auf der Welt oder ein Krieg weit entfernt. Der Tod ist aber jetzt bei uns vor der Tür und man sollte das nicht wegdrängen.“ Und wer spürt, er kann die Trauer nicht alleine bewältigen, der solle sich Hilfe holen.
Kamener Kind mit Wurzeln in Bergkamen. Findet seriösen Journalismus wichtiger denn je. Schreibt gern nicht nur über Menschen und Geschehen, sondern in der Freizeit auch über fantastische Welten. Seit 2017 im Einsatz, erzählt seit 2022 die Geschichten ihrer Heimatstadt.
