So muss sich Tourismus im Münsterland verändern
Experten-Treffen
Gute ausgebaute Radwege, viele Schlösser und Burgen am Wegesrand, dazu ordentliche Quartiere und eine vielfältige Gastronomie: Fertig ist das Tourismus-Konzept, das Jahr für Jahr mehr Besucher ins Münsterland lockt. Aber trägt das auch noch in einigen Jahren?

Das Schloss Nordkirchen: Hier darf man nur noch mit Coptern (Drohnen) in die Luft gehen, wenn man sich den Flug vorher von der Schlossverwaltung besorgt hat. Unserem Fotografen gelangen im Herbst 2015, noch vor der klaren Regelung, diese Aufnahmen mit seinem Quadrocopter.
Welche wirtschaftliche Gefahren in dem Ansatz stecken, was sich dringend ändern sollte und warum sich Tourismus-Experten aus dem gesamten Münsterland am Montagabend auf der Burg Vischering getroffen haben, klären wir in den folgenden Fragen und Antworten.
Warum beschäftigen sich aktuell Experten mit dem Tourismus im Münsterland? Die Wasser-Burgen-Welt – also die engere Verknüpfung von Burg Vischering und Burg Lüdinghausen – ist ein zentrales Projekt der Regionale. „Wir schauen aber über den Tellerrand hinaus“, sagt Regionale-Geschäftsführerin Uta Schneider. „Denn das Münsterland ist nicht teilbar.“ Und damit ist auch der Herzstück des Tourismus, die 100-Schlösser-Route, stärker in den Blick geraten.
Wieso steht das Konzept auf dem Prüfstand? „Es geht darum, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern“, sagt Uta Schneider. „Wir werden alle älter. Das hat auch Auswirkungen auf den Tourismus. Die Besucher haben andere Bedürfnisse.“ Wo die konkreten Stärken sind und wo es Schwächen gibt, soll ein Masterplan aufzeigen. Die Arbeiten sind bereits angelaufen. Im Juli gibt es im gesamten Münsterland vier Workshops, so auch am 4. Juli von 10 bis 13 Uhr auf Schloss Senden.
Was waren die ersten Schritte? Mitarbeiter der ift Freizeit- und Tourismusberatung GmbH haben in den vergangenen Wochen viele Gespräche mit Tourismusexperten der Region, mit Gastronomiebetrieben und Eigentümern von Burgern und Schlössern geführt. Angelaufen ist auch eine Online-Befragung. Eine erste Runde hat vom 2. bis 16. Juni stattgefunden, eine zweite Runde soll folgen.
Welche neuen Erkenntnisse gibt es? Ein riesiges Problem für den Tourismus in der Region ist die „beschränkte Zugänglichkeit“ vieler Burgen und Schlösser. Was die Experten damit sagen wollen? Die Touristen können oft nur aus größerer Entfernung einen Blick auf die Burgen und Schlösser werfen, sie aber nicht besichtigen. Das reicht vielen Besuchern aber nicht. Kritik gibt es auch an der in den vergangenen Jahren bereits gekürzten 100-Schlösser-Route. Sie sei zu lang und zu unübersichtlich. Zudem sei die Beschilderung innerorts oft nicht gut. Geschlossene Schlösser und Burgen sowie die Schwächen bei der Radroute würden dafür sorgen, dass Radtouren für Kinder oft langweilig seien. Deutliche Kritik gibt es auch an den Gastgebern: „Viel Mittelmaß“, so das Urteil.
Gibt es bereits Verbesserungen? Positiv stellten die Mitarbeiter der ift Freizeit- und Tourismusberatung die Entwicklung in Lüdinghausen heraus. Hier habe man erkannt, „welchen Schatz man hat und welches Entwicklungspotenzial ist noch gibt.“ Das sei aber nicht überall so. Kurz vor dem Treffen am Montag auf Burg Vischering haben Eigentümer von Schlössern und Burgen in der Region ein Netzwerk gegründet. Die Geschäftsführung übernimmt Markus Kleymann vom Kulturamt des Kreises Coesfeld. Vordingliches Ziel ist, die Häuser erlebbar zu machen.
Was können die Städten und Gemeinden, Hoteliers, Gastronomie und Schlossbesitzer tun? „Es gibt keine Standardlösung“, sagt Kerstin Clev, Projektleiterin des Masterplans. „Vergessen Sie Standardangebote. Lassen Sie sich immer wieder etwas Neues einfallen“, betont Dr. Manfred Zeiner, Geschäftsführer dwif-Consulting GmbH. Er riet den Vertretern der Kommunen, in Vorleistung zu gehen. „Die Betriebe ziehen bei den Investitionen nach.“ Ganz wichtig sei, langfristig zu denken und stets die Folgekosten einzuplanen.
Gibt es konkrete Beispiele dafür, dass sich die Investitionen rechnen? Manfred Zeiner nannte den Erlebnisaufzug an der Burg Altena, der in Verbindung mit anderen Veränderungen für einen „sprunghaften Anstieg“ der Besucherzahlen gesorgt hat. In Sachsen-Anhalt seien 60 Millionen Euro in die Parks und Gärten investiert worden. „Mit Erfolg.“ Dass sich Investitionen in den Tourismus für viele Branche lohnt, zeigte Zeiner am Beispiel des Ruhrtal-Radwegs auf, der das Sauerland mit dem Ruhrgebiet verbindet. Die neu generierten Einnahmen belaufen sich danach über alle Branchen hinweg auf knapp 27 Millionen Euro. Pro Jahr. Und auch Städte in der direkten Nachbarschaft hätten die Bedeutung des Tourismus erkannt. „Die Stadt Hamm hat zwischen 2005 und 2015 fast 44 Millionen Euro in den Tourismus investiert.“
Wo sieht der Verein zur Förderung des Münsterlandes Ansatzpunkte? Michael Kösters, Bereichsleiter Tourismus, nennt folgende Herausforderungen: Es gehe um eine deutlich stärkere Digitalisierung, mehr Service und Qualität („Die Region ist nicht preiswert“) und um Barrierefreiheit.
Wie geht es weiter? Im Oktober soll der Masterplan vorliegen. Danach muss die Politik in den Kreisen des Münsterlandes sowie in den Städten und Gemeinden entscheiden, was wann und wo umgesetzt wird. In Nordkirchen sind bereits erste Dinge umgesetzt. Hier ist das Tourismusbüro jetzt auch am Wochenende besetzt. Genau dieses Thema beschäftigt jetzt auch die Politiker in Olfen.
Das Interesse am Münsterland ist riesig. Bei der Hitliste der beliebtesten Radregionen in Deutschland belegt das Münsterland den zweiten Platz nach Bayern. Auf dem dritten Rang liegt die Ostsee, der Bodensee kommt erst auf dem 7. Platz.
Deutlich gestiegen ist in den vergangenen zehn Jahren auch die Zahl der Übernachtungen – von 2,7 Millionen in 2005 auf 3,8 Millionen in 2015. Und das Jahr 2016 ist richtig gut angelaufen. In den ersten vier Monaten gab es bei den Übernachtungen ein Plus von 7,6 Prozent. Das landesweite Plus lag hingegen bei 2,2 Prozent.
Das größte Plus der Region sind die Burgen und Schlösser. Für 22 Prozent der befragten Touristen ist das der wichtigste Grund. Weitere wichtige Aspekte sind: Rad fahren und Natur erleben.
Nachholbedarf hat das Münsterland bei der Qualität. Bei der Analyse aller Bewertungsplattformen kommt das Münsterland auf 82,5 von 100 möglichen Punkten, nur Platz 29 in Deutschland. „Höhere Qualität bedeutet mehr Weiterempfehlungen und damit mehr Gäste“, so die Experten. Das Thema sei also nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Ein Schlösser- und Burgentag findet in 2017 am 17. Juni statt. Was wann wo angeboten wird, steht derzeit noch nicht fest.