Besser geht nicht: Im Schloss tafeln, wo ein Sternekoch und Künstler am Herd steht. Können sich das Ottilie Normal und ihr Mann überhaupt leisten? Fühlen sie sich wohl? Und schmeckt es auch?

Nordkirchen

, 15.06.2019, 04:32 Uhr / Lesedauer: 4 min

Blauer Himmel, Sonnenschein, sommerliche Temperaturen: An diesem Donnerstagabend herrscht Kaiserwetter. Ideale Voraussetzungen, um wie die Fürsten im Schloss Nordkirchen speisen zu wollen. Zwischen den barocken Gebäudeflügeln von Klein-Versailles lehnen Stühle an den Tischen. Speisekarte? Fehlanzeige. Bedienung ebenfalls. Da bleibt uns nichts anderes übrig als uns der barbusigen Sphinx zuzuwenden.

Das steinerne Fantasiewesen - eine von 300 Skulpturen auf dem Schlossgelände - bewacht zusammen mit seinem Zwilling auf der anderen Seite die Treppe des Hauptportals.

Die Sphinx am Treppenaufgang. Restaurantbesucher müssen hinabsteigen in den Gewölbekeller.

Die Sphinx am Treppenaufgang. Restaurantbesucher müssen hinabsteigen in den Gewölbekeller.

Bereits Fürstbischof Ferdinand von Plettenberg hatte sich in den 1730er-Jahren an dem strengen Blick - und wohl auch an dem Rest - erfreut, wenn er nach oben in seine Gemächer schritt. Uns zieht es in den Keller.

Schwarzes Brot mit herrlichem Dip

Schwarzes Brot mit herrlichem Dip © Sylvia vom Hofe

Zuerst passieren wir einen Vorraum mit einem kleinen Bücherregal und landen im Bistro. Dort empfängt uns ein Kellner. Unser Anliegen? Vielleicht sind wir nicht ganz so aristokratisch gekleidet, wie sich das für dieses Ambiente geziemt. Doch eigentlich ist unser Anliegen eindeutig: Gediegen speisen, deswegen sind wir hier. Also raus aus dem Bistro, rein ins Restaurant, direkt an der sonnigen Gräfte. Außer uns befindet sich noch ein anderes Paar mit seiner Tochter in diesem großartigen Raum mit barockem Flair und zeitgenössischer Kunst. Gott sei Dank auch in Straßenkleidung.

12-Gänge Menü? Es muss nicht immer Kaviar sein

Der Ober bereitet den Tisch für uns vor und bringt die Speisekarten. Ein 12-Stationen-Spaziergang durch die aktuelle Jahreszeit: das sogenannte Anbiss-Menü für lächerliche 111 Euro? Das muss es dann doch nicht sein. Man kann auch acht, sechs oder auch nur vier Stationen genießen - oder auch nur ein einzelnes Gericht.

Ein Vergnügen: lockerleichte Spargelsuppe

Ein Vergnügen: lockerleichte Spargelsuppe © Sylvia vom Hofe

In der Saisonkarte finde ich Gerichte, die Spargel ganz anders versprechen: genau das Richtige. Ich entscheide mich für eine Spargel-Kokos-Suppe mit Rhabarber-Jalapeno-Salsa, gefolgt von blanchiertem Spargel mit Ei und Hähnchenbrust als Hauptgericht. Dazu gehöre natürlich Weißwein, sage ich dem Ober und freue mich auf eine Unterhaltung über Anbauregionen, Weingüter und Böden, der ich mich halbwegs gewachsen fühle. Stattdessen nickt er nur und sagt: „Grauburgunder“, mehr nicht. Ich bin so überrascht, dass ich nicht nachhake. Mein Mann beschließt, einen kleinen viergängigen Spaziergang zu unternehmen. Dazu bestellt er ein Bier. Wieder nickt der Ober.

Schwarze Croissants, die aber nicht verbrannt sind

Das Essen beginnt mit einer Überraschung: schwarzes Gebäck in der silbernen Brotschale. Dazu gibt es zwei Dips: rot-tomatig und weiß-quarkig. Ein Fest fürs Auge - und für den Gaumen. Der Ober lächelt angesichts des kulinarischen Scherzes. Denn das selbst gebackene Brot ist selbstverständlich nicht verbrannt, sondern eingefärbt mit Sepia.

Die Insel ist besonders köstlich: Bärlauchsuppe.

Die Insel ist besonders köstlich: Bärlauchsuppe. © Sylvia vom Hofe

Als unsere Suppen kommen, reiche ich dem Kellner mein jetzt ja nicht mehr benötigtes Vorspeisentellerchen. Er nimmt es an und stellt es an seinen Platz zurück: lächelnd, aber bestimmt. Ich Dummerchen.

Vor mir steht die Spargel-Kokos-Suppe, vor meinem Mann eine Bärlauchsuppe mit einer Frühlingsrolle mit Lachsfüllung. Wie eine kleine Insel ragt die Frühlingsrolle aus der Suppe. Herrlich: eine Geschmacksexplosion - zitronig, fischig, cremig, wie mein Gegenüber befindet. Meine Spargelsuppe steht dem in Nichts nach: ein schaumiges Abenteuer für die Zunge. Und ein Versprechen für meinen Mann: dass ich zuhause nie mehr Spargelsuppe mit Mehl binden werde.

Grünes Ei: eine kulinarische Farbenlehre

Mit Spannung erwarten wir die Hauptgänge. Wieder freut sich zuerst das Auge: Zart-rosa gebratenes Kalbsfilet neben grünem Spargel auf einer gold-gelben Polenta, mit roten Klecksen von Fruchtjus - und von allem mehr als erwartet. Mein Mann blickt begeistert.

Hühnchenbrust auf Spargel

Hühnchenbrust auf Spargel © Sylvia vom Hofe

Die Hähnchenbrust liegt filetiert auf weißem Spargel. Der besondere Witz: Das halbierte Ei ist in einem grünen Knuspermantel gebettet, schön und lecker. Leider muss ich eine Hälfte des Eis abgeben. Kalbs-, wie auch Hähnchenfilet sind einfach hervorragend. Da herrscht bei uns beiden große Einigkeit. Beim Spargel gehen unsere Meinungen aueinander. Ich finde die königlichen Gemüsestangen in bissfester Konsistenz genau so richtig. Mein Gegenüber dagegen hätte sie „eine Spur“ länger im Topf gelassen. Durchschnittlich werde Spargel aber zu lange gekocht, kommen wir überein.

Gemein. Ein weiterer Gang steht bei meinem Mann an, und ich kriege nichts? Das darf nicht sein, also bestelle ich mir das gleiche Dessert: eine Schokoladen-Avocado-Mousse. Warum Ich dem Ober erzähle, dass ich selbst Avocado immer mit Olivenöl, Zitrone und Knoblauch zubereite, weiß ich nicht. Denn auch das scheint mich nicht als Gourmet zu qualifizieren. Aber das muss man auch nicht sein, um das Dessert himmlich zu finden - wie alles andere auch. Und auch die Rechnung, die im Schatzkästchen serviert wird, ist nicht die Hölle.

Rosa Kalb und grüner Spargel

Rosa Kalb und grüner Spargel © Sylvia vom Hofe

Wie gut, dass der Sommer noch bevor steht: Gelegenheit Franz Lauters Schlossrestaurant mit dem Fahrrad anzusteuern, vielleicht doch noch draußen zu essen und bestimmt zu reden: über Wein, Tellerchen und Farbkompositionen auf dem Teller und auf Lauters Leinwänden.

Avocadocreme mit Schokolade

Avocadocreme mit Schokolade © Sylvia vom Hofe

Service

Das Personal ist professionell geschult und bemüht um den Gast. Vielleicht etwas zu sehr bemüht.

Preis-Leistungsverhältnis

Ambiente und Raffinesse haben ihren Preis. Das Vier-Gänge-Menü schlägt mit 39 Euro zu Buche, die Spargelkarte ist aber mit Preisen unter 20 Euro für vier mögliche Spargelvariationen als Hauptgericht ganz sicher nicht zu teuer. Wählt man die angebotenen Klassiker als Hauptgericht aus der Karte, kann man je nach Geldbeutel zwischen einer günstigeren Poulardenbrust in Kokos-Curry-Sauce für 19,80 Euro und einem Rinderfilet in Rotweinjus für 31,90 Euro wählen. Zu teuer erscheint uns das nicht.

Dem Restaurant ist noch ein Bistro angegliedert, in dem man kleinere Gerichte und Kuchen bestellen kann. Die Getränkepreise sind dagegen unterschiedlich zu bewerten. 0,3 L Bier für 3 Euro liegen im übliche Rahmen. Der Viertelliter Grauburgunder für 8,50 Euro trägt seinen Namen allerdings zu Recht: Lieblingssünde!

Kinderfreundlichkeit

Kindermenüs stehen nicht auf der Karte. In der schönen Jahreszeit haben Kinder viel Platz im Schlosshof.

Barrierefreiheit

Das Restaurant befindet sich in Tiefparterre und ist nicht barrierefrei.

Fazit

Wer wie Gott in Frankreich speisen will und in der Region wohnt, muss nicht weit fahren. Ein Katzensprung genügt, um Louis Quatorzes Sehnsüchten nachzueifern. Gutes Dinierenin edler Atmosphäre gibt es auch im westfälischen Versailles.

Was sagt das Internet

Das Restaurant verfügt über eine eigene gut gebaute Internetseite, auf der auch die Speisekarte mit Preisen zu finden ist. Bei gegenwärtig 105 Google-Rezensionen erreicht das Restaurant 4,1 von 5 möglichen Sternen. Wer schlecht bewertet hat, scheint mit dem Patron aneinandergeraten zu sein. Die guten Bewertungen loben hingegen Personal und Service. Bei Trip Adviser wurden 31 Bewertungen bis jetzt abgegeben. Hier erreicht das Restaurant nur 3,5 von 5 möglichen Punkten. 17-mal ausgezeichnet/sehr gut steht 11-mal mangelhaft/ungenügend gegenüber.

Infos zum Restaurant

Adresse: Schloß 1, Nordkirchen. Öffnungszeiten: mittwochs, donnerstags, freitags und samstags: 15 bis 0 Uhr, sonntags 12 bis 0 Uhr, montags und dienstags geschlossen; Telefon: (02596) 972472.