Rinderherde am Schloss Nordkirchen begeistert Naturschützer "Das ist für mich die heile Welt"

Rinderherde am Schloss Nordkirchen steht im Dienst des Naturschutzes
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Sie grasen mit Blick aufs Schloss Nordkirchen, unter großen alten Bäumen und - für die vielen Spaziergänger dort kaum zu erahnen - auf einer der artenreichsten Wiese im Kreis Coesfeld. Die rot-braune Rinderherde vom Biolandhof Altfeld darf weite Teile des Jahres auf der Weide neben dem Schloss leben. Auch jetzt im November passt das Wetter noch. Und ganz nebenbei leisten die Kühe einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz und zum Artenreichtum ihrer Weide.

Der Biolandhof Altfeld hat 1989 auf ökologischen Landbau umgestellt. Seit 1995 beweidet der Landwirt Weiden und Wiesen am Schloss Nordkirchen. Seine Kühe ziehen jedes Jahr viele Spaziergänger an, die am Zaun stehen bleiben und den rot-braunen Tieren eine Weile beim Grasen zusehen. Dass viele Kälber auf der Wiese grasen, wird mit für die Aufmerksamkeit der Passanten sorgen.

Die Kühe sind Mutterkühe, die im Frühjahr ihre Kälber bekommen und dann mit ihrem Nachwuchs auf der Weide stehen, erklärt Landwirt Christoph Altfeld. „Das ist unsere eigene Rasse sozusagen“, erklärt er. Limousin-, Angus- und Charolais-Rinder sind darin enthalten. Keine Milchkühe, sondern Fleischrassen. Denn die Kälber verkauft der Landwirt nach einem Jahr. Die Mutterkühe sind jetzt bereits wieder tragend. Von Mai bis September steht ein Deckbulle mit auf der Weide und sorgt auf natürliche Weise für neuen Nachwuchs, erklärt Altfeld.

Viele Spaziergänger, die das Schloss Nordkirchen besuchen, bleiben auch interessiert bei den Kühen stehen.
Viele Spaziergänger, die das Schloss Nordkirchen besuchen, bleiben auch interessiert bei den Kühen stehen. © Günther Goldstein

Vielleicht noch zwei, drei Wochen werden die Kühe am Schloss stehen, sagt Christoph Altfeld. Dann ziehen sie in einem offenen Stall um. „Die Kälte macht denen gar nichts“, erklärt Altfeld den Grund. Das Problem ist eher Nässe. Regnet es viel, würden die Kühe die Weide in Matsch verwandeln.

Mehr als 40 Arten auf der Wiese

Und das ist nicht gewünscht. Denn die Kühe leisten seit Jahren einen wichtigsten Beitrag zum Naturschutz. Der Biolandhof Altfeld arbeitet seit 1995 mit dem Naturschutzzentrum des Kreises Coesfeld zusammen. Und das hat im Frühjahr gerade wieder bestätigt, dass die Weide eine der artenreichsten im ganzen Kreis Coesfeld ist. „Mehr als 40 Pflanzenarten konnten die Naturschützer pro Weidefläche nachweisen“, sagt Diplom-Biologin Kerstin Wittjen vom Naturschutzzentrum. Für die Spaziergänger auf den ersten Blick gar nicht sichtbar, gebe es dort ein „Mosaik aus verschiedenen Pflanzen“.

Verschiedene Kuhrassen sind in den Kühen des Biolandhofs Altfeld vereint. Alles gemein ist inzwischen, dass sie rotbraunes Fell haben.
Verschiedene Kuhrassen sind in den Kühen des Biolandhofs Altfeld vereint. Alles gemein ist inzwischen, dass sie rotbraunes Fell haben. © Günther Goldstein

So ist dort etwa der Erdbeerklee zu finden. Die selten gewordene Pflanze, deren Blüten an unreife Erdbeeren erinnern bilden am Schloss Nordkirchen die größten Bestände im ganzen Kreis Coesfeld. Auch Mähweiden bewirtschaftet die Familie Altfeld in der Nähe des Schlosses. Sie beherbergen seltene Pflanzen wie die Margarite, die Flockenblume, das Kammgras, die Wiesensilge, den Flammenden Hahnenfuß oder die Hauhechel, zählt Kerstin Wittjen auf. In den Weißdornhecken an der Rinderwiese brütet der selten gewordene Neuntöter. Viele Insekten sind dort zu finden oder auch der Laubfrosch. „Was Flora und Fauna angeht, gehört Nordkirchen zu den artenreichsten Orten im Kreis“, sagt Wittjen begeistert. Hier sei einiges bewahrt worden.

Der Hauptgrund, dass sich so viele Tier- und Pflanzenarten hier wohlfühlen und einen Rückzugsraum gefunden haben, sei die extensive Landwirtschaft. Die Familie Altfeld düngt ihre Wiesen nicht, setzt keine Herbizide ein und auch die Kühe bekommen nicht vorbeugend Antiparasitiker. Heißt: sie bekommen Wurmmittel nur dann, wenn sie wirklich krank sind. Ansonsten entstehe „steriler Kot“, erklärt die Biologin. So sorgen die Altfeld-Rinder dafür, dass um ihre Ausscheidungen herum große Lebensgemeinschaften von Insekten entstehen. Auch Pilze profitieren von dieser Art der Landwirtschaft, sagt Kerstin Wittjen. „Das ist vorzeigemäßig“, lobt sie, „wie die Landwirte mit ihren Wiesen und Weiden umgehen.“

Trifolium fragiferum - oder auf deutsch Erdbeerklee - ist auf der Vorwarnliste der roten Liste bedrohter Arten. Die Pflanze ist in Deutschland selten geworden. Die größten Bestände von Erdbeerklee finden sich im Kreis Coesfeld auf den Wiesen rund um das Schloss Nordkirchen.
Trifolium fragiferum - oder auf deutsch Erdbeerklee - ist auf der Vorwarnliste der roten Liste bedrohter Arten. Die Pflanze ist in Deutschland selten geworden. Die größten Bestände von Erdbeerklee finden sich im Kreis Coesfeld auf den Wiesen rund um das Schloss Nordkirchen. © Kerstin Wittjen

Artenvielfalt durch Nutzung

Denn ganz ohne Bewirtschaftung gehe es auch nicht. „Die Vegetation soll auch genutzt werden“, erklärt Wittjen. Die Kühe hätten den Vorteil, dass sie nicht selektieren, sondern gleichmäßig alles abfressen. Andere Fläche werden auch regelmäßig und zu den passenden Zeitpunkten gemäht. Die Artenvielfalt entstehe gerade durch die Nutzung, erklärt Wittjen. Denn die Pflanzen dürfen auf den Wiesen auch nicht zu hoch wachsen, damit konkurrenzschwache Arten nicht verdrängt werden.

Im Winter kommen die Kühe in einen offenen Stall. Kalte Temperaturen machen ihnen nichts aus. Wenn es draußen zu nass ist, würden sie allerdings die Weide zu Matsch zertreten.
Im Winter kommen die Kühe in einen offenen Stall. Kalte Temperaturen machen ihnen nichts aus. Wenn es draußen zu nass ist, würden sie allerdings die Weide zu Matsch zertreten. © Günther Goldstein

„Ohne diese extensive Landwirtschaft geht es gar nicht“, sagt Kerstin Wittjen. Die Landwirte übernähmen naturschutzfachliche Aufgaben. Das werde ihrer Meinung nach von der Politik gar nicht genug gefördert. In Nordkirchen sei belegt, dass das Prinzip funktioniere. „Das ist für mich hier die heile Welt“, sagt die Diplom-Biologin vom Naturschutzzentrum des Kreises.

Viele Flächen in Nordkirchen gehören dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW. Mit ihm und der Unteren Naturschutzbehörde Kreis Coesfeld arbeitet das Naturschutzzentrum Coesfeld gut zusammen, sagt Kerstin Wittjen. Die Partner versuchen auch, finanzielle Förderung der landwirtschaftlichen Pflege zu bekommen, um die Arbeit von Landwirten wie der Altfelds zu unterstützen.

Denn die artenreichen Wiesen sollen mehr werden. Dafür wird Mahdgut von Wiesen der Altfelds auf andere artenärmere Wiesen aufgebracht, um sie zu entwickeln. So gelangen ganze Pflanzengemeinschaften von vor Ort wie Pilze, Pflanzensamen, Moose und Insekteneier zusammen auf eine neue Wiese. Fachlicher Naturschutz und extensive Landwirtschaft sei rund ums Nordkirchener Schloss eine „Erfolgsgeschichte“, so die Biologin. Das soll sich in den nächsten Jahren weiterverbreiten. Damit Flockenblumen, Kammgras und Erdbeerklee bald wieder häufiger aufblühen.

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