Der erste Blick in die Unterlagen lässt nicht vermuten, dass sich überhaupt Widerspruch regt an dem bedeutendsten Bauprojekt Nordkirchens: die Gestaltung des Hotel-Quartiers zwischen Schloßstraße und der Straße Am Gorbach und damit näher am berühmten Schloss Nordkirchen als jede andere Baumaßnahme der Gemeinde bisher. Die Spalten in der Tabelle für „Bedenken und Anregungen“ sind leer.
„Im Rahmen des Beteiligungszeitraums sind aus der Öffentlichkeit bisher keine Stellungnahmen bei der Gemeinde eingegangen“, steht in roter Schrift über der Abwägungstabelle zur Änderung des Flächennutzungsplans und zur Aufstellung des Bebauungsplans für das fünf Hektar große Grundstück, auf dem Hotel, Oberstufengebäude für die Gesamtschule, Hallenbad sowie Gesundheitszentrum und Wohngebiet mit neuen Wohnmodellen entstehen sollen. Die notwendigen Entscheidungen werden am Donnerstag (24. 8., 17.30 Uhr) der Bauausschuss und eine Woche später (31. 8., 17.30 Uhr) der Gemeinderat treffen.
Ob die Spalte der Anregungen und Bedenken von Bürgerinnen und Bürgern bis zur Beratung tatsächlich leer bleiben werden, ist noch offen. Denn zumindest laut Tabelle reicht der Beteiligungszeitraum noch bis zum 24. August - also zwei Tage länger als die Gemeinde an anderer Stelle mitteilen ließ. Kritik hatte es an anderer Stelle bereits gegeben.
Die Gemeinde hatte einen neu aufgestellten Angebotsbebauungsplan ausgelegt anstatt der Änderung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans - und das ohne vorherigen Ratsbeschluss dazu. Und ohne Information der Öffentlichkeit.
Den Vorwurf der Heimlichtuerei will Bürgermeister Dietmar Bergmann nicht gelten lassen. Der offenere Angebotsbebauungsplan, der mehrere Träger zulässt aber durch einen gesetzlich nicht geforderten städtebaulichen Vertrag begleitet wird, sei notwendig geworden, nachdem das Land NRW als Partner kurzfristig und völlig überraschend abgesprungen war. Von einer „juristischen Notwendigkeit“ im laufenden Verfahren sprach auch SPD-Fraktionschef Gereon Stierl in einem Leserbrief. So etwas öffentlich zu diskutieren, sei “eher unüblich“.
Wechselvolle Projektgeschichte
Gelegenheit, es doch noch zu einem öffentlichen Diskussionsthema zu machen, bieten nur noch die Sitzungen des Bauausschusses und des Rates im August. Denn dort soll nach dem Wunsch der Verwaltung der Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan fallen: die Voraussetzung für die Realisierung der ersten Teil-Projekte im Hotelquartier, wie Bürgermeister Bergmann sagt. Darauf drängt inzwischen vor allem die Gesamtschule. Der Bau der Oberstufe dürfe angesichts des Platzmangels nicht länger aufgeschoben werden, hatte Schulleiter Ulrich Vomhof gefordert. Das Hotelprojekt steht in jedem Fall vor einer wichtigen Weichenstellung - wieder einmal. Wie es sich in den vergangenen Jahren gewandelt hat, zeigt ein Rückblick.
Freibad und Jugendherberge
1974 hatte die Gemeinde erstmals ins Auge gefasst, die Fläche nördlich des Barockschlosses zu gestalten. „Schlossfreizeit Nordkirchen“ lautete damals der Projektname. Geplant war unter anderem ein Freibad. Daraus wurde nichts. Die Idee, das Grundstück zu nutzen, verschwand aber nie. Aus der Überlegung, eine Jugendherberge zu bauen, wurde in den 2010er-Jahren das Hotel-Projekt. Seit 2016 steht es auf der politischen Agenda von Bürgermeister Dietmar Bergmann (SPD) und dem Gemeinderat. Eigentlich hätte es längst umgesetzt sein sollen. Doch es gab immer wieder Veränderungen. Mal war eine Reithalle geplant, dann eine Brauerei. Pläne, die inzwischen nicht weiterverfolgt werden. Eine Änderung war aber besonders schmerzhaft.
Zäsur: Land NRW zog zurück
2019 waren sich die Verantwortlichen der Gemeinde Nordkirchen und der Finanzverwaltung NRW noch einig, dass das Hotelquartier der ideale Standort für eine Fortbildungsakademie für Finanzbeamte sei. Vorangegangen waren intensive Gespräche in den Vorjahren. 250 Unterkunftszimmer sollten entstehen, zehn Lehrsäle für bis zu 30 Menschen und 20 Seminarräume: eine ideale Ergänzung zu den Vorhaben der Gemeinde, die sie gemeinsam mit Investoren verfolgte: Vier-Sterne-Hotel, Schwimmbad und Schule. Bis 2020 waren alle Details geklärt. Dann kam im Frühjahr 2022 die Zäsur, die Dietmar Bergmann erschütterte, wie er rückblickend sagt.
Das Land NRW kündigte in einem Telefonat an, von dem seit Jahren geplanten Vorhaben Abstand zu nehmen. Die Pandemie habe gezeigt, dass es keine Seminarräume benötige, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schulen. Das lasse sich auch digital machen. „Wir hatten die Planungen auf diese Akademie ausgerichtet, sonst könnten schon Hotel, Hallenbad und Gebäude für die Oberstufe stehen“, sagte Bergmann damals. Die plötzliche Absage des Landes sei der Grund gewesen, nach einem neuen Konzept zu suchen.
Zuletzt war von rund 200 Wohnungen, einem 120-Zimmer-Hotel, dem Schwimmbad, einer Kita, einem Gesundheitszentrum und dem Schulbau die Rede. Man sei „in guten, vertrauensvollen Gesprächen“ mit Investoren, hieß es in der Vergangenheit immer wieder.

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