Lübbert: „Demokratiefeindliche“ Streitkultur im Rat von Nordkirchen

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Lübbert: „Demokratiefeindliche“ Streitkultur im Rat von Nordkirchen

rnHaushalt Nordkirchen

Der Rat der Gemeinde Nordkirchen hat den Haushalt verabschiedet, doch wichtiger als die Finanzen war für viele Lokalpolitiker in der Aussprache der Umgangston. Der sei demokratiefeindlich.

Nordkirchen

, 11.03.2022, 18:35 Uhr / Lesedauer: 3 min

Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung stimmte der Rat der Gemeinde Nordkirchen am Dienstagabend für den von Kämmerer Bernd Tönning und seinem Team aufgestellten Haushaltsplan für das Jahr 2022.

„Innerhalb der Fraktion sehen wir dem Grunde nach, dass der Haushalt keine großen Dinge beinhaltet, um ihn ablehnen zu können“, sagte UWG-Fraktionsvorsitzender Christian Lübbert. „Allerdings steht noch eine Stellungnahme der Kommunalaufsicht aus, die sich auf den Haushalt auswirken könnte. Da diese, aus welchen Gründen auch immer, nicht vorliegt, kann die UWG dem Haushaltsplanentwurf 2022 nicht zustimmen.“

Mehrheit stimmt für den Haushalt

Ein Problem, das die anderen Fraktionen anscheinend nicht sahen. Sie stimmten für den Haushalt, wenn die Fraktionsvorsitzenden in ihren Reden auch andere Gewichtungen vornahmen oder Schlussfolgerungen zogen. Einig war man sich lediglich darin, dass nicht nur durch die Haushaltsberatungen im Zeichen von Corona, sondern auch durch die Folgen des Krieges in der Ukraine noch etliche unbekannte Variablen den Haushalt künftig beeinflussen könnten.

Markus Pieper und die CDU-/FDP-Fraktion glauben an Capelle und wollen ein gleichwertiges Miteinander für die Ortsteile Nordkirchens.

Markus Pieper und die CDU-/FDP-Fraktion glauben an Capelle und wollen ein gleichwertiges Miteinander für die Ortsteile Nordkirchens. © CDU Nordkirchen

Als Vorsitzender der größten Fraktion im Rat trat Markus Pieper als erster Kommmunalpolitiker ans Rednerpult, um seine, mit dem Fraktionspartner FDP abgestimmte, Haushaltsrede zu halten. Südkirchen ein stückweit nach hinten setzen, Capelle ein stückweit nach vorne holen, und so alle Gemeindeteile gleich behandeln zu können, das sei für die CDU der zukunftsweisende Weg, sagte Pieper.

Investitionen über fünf Millionen

Investitionen von knapp fünf Millionen Euro in Lebensqualität und Verbesserung der Standards: „Da gehen wir als CDU/FDP-Fraktion voll mit, da haben wir uns in den Vorberatungen klar positioniert und in den Haushaltsberatungen eingebracht, indem wir uns nicht hinter „Enthaltungen“ verstecken, sondern für diesen Haushalt stimmen werden“, sagte Pieper. Doch bei der Sportanlage Capelle werde es keinen Mosaikstein ohne den anderen geben. „Da sind wir ganz deutlich politisch unterwegs.“

Gereon Stierl, Fraktionsvorsitzender der SPD in Nordkirchen, appelliert, nur die dringlichsten Ausgaben zu machen.

Gereon Stierl, Fraktionsvorsitzender der SPD in Nordkirchen, appelliert, nur die dringlichsten Ausgaben zu machen. © Carsten Sprung

Gereon Stierl von der SPD erinnerte dann daran, dass die Corona-Leistungen ein beträchtliches Loch in den Haushalt reißen würde, könnte man sich nicht des bilanztechnischen Kniffs der rechnerischen Bereinigung bedienen. Doch unterm Strich blieben die Ausgaben und verringerten in den kommenden Jahren den Handlungsspielraum. „Wir müssen darauf achten, nur die dringlichsten Ausgaben zu machen“, appellierte er, „aber wir stimmen für den Haushalt.“

SPD und Grüne im Streitmodus

Deutliche Spitzen schickte der SPD-Fraktionsvorsitzende in Richtung der Grünen. Einen Betonbau abzulehnen sei grotesk, die Grünen positionierten sich „so, dass alles bleibt, wie es ist. Capelle wird damit abgehängt.“ Genau wie zuvor auch die CDU forderte er Verbesserungen der Energiegewinnung, Mobililtät und Städteplanung. Schwimmbad, Schulgebäude und Hotel seien zwar ins Stocken geraten, aber an den Plänen müsse man festhalten.

Stierl war aber der erste, der den Umgangston im Rat deutlich kritisierte. Mit harten Bandagen fair zu kämpfen sei in Ordnung, „aber zuletzt gab es nicht fundierte Vorwürfe“, Stierl sprach gar von einer „antidemokratischen Gesinnung“ und appellierte: „Lassen wir nicht zu, dass unnötig in unserer kleinen Gemeinde Zwietracht gesät wird.“

Ulrich Stüeken, stellvertretender Sprecher der Grünen-Fraktion, möchte eine aktive Bürgergesellschaft und ein Miteinander von Tradition und Moderne.

Ulrich Stüeken, stellvertretender Sprecher der Grünen-Fraktion, möchte eine aktive Bürgergesellschaft und ein Miteinander von Tradition und Moderne. © Karim Laouari

„Der Ton wird rauer“, sagte auch Ulrich Stüeken, stellvertretender Sprecher der Fraktion. „Hinter den Masken kann man die Gesichter nicht mehr lesen - uns fehlt das“, sagte er und dem Nicken vieler anderer Ratsmitglieder. Ziel der Grünen sei es, alle mitzunehmen und es sei „immens wichtig, dass die Beteiligung der Menschen funktioniert, damit wir nicht die im Rat sind“. Eine aktive Bürgergesellschaft wünschte er sich, wobei eine echte Teilhabe nicht darin bestehe, den Kuchen an alle zu verteilen, sondern alle in die Entstehung des Rezepts mit einzubinden.

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Werte zu erhalten sei Ziel der Grünen, „das Schloss ist mehr als eine Filmkulisse“, griff er Bergmanns Worte aus der Haushaltseinbringung auf. „Klima, Umwelt- und Naturschutz gehen einher mit Tradition und Moderne“. Das ewige Wachstum, das Nordkirchen anstrebe, würde man in der Medizin allerdings als Krebs bezeichnen. Und hohe Hecken und Sichtschutzzäune schafften keine Gemeinschaft. Und mit Blick auf die Sportflächen fragte Stüeken: „Passt eine Kunststofffläche noch ins 21. Jahrhundert, um unseren Kindern den Kontakt mit echtem Gras zu ersparen?“

Cancel-Culture ist der falsche Weg

Deutliche Worte zum Umgang miteinander fand dann auch UWG-Fraktionschef Christian Lübbert: „Wir sollten froh sein, dass wir hier uns in unserem Land politisch streiten und andere Meinungen haben dürfen, ohne Angst vor Repressionen zu haben“, sagte er mit Blick auf die Geschehnisse in Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs. „Aber auch bei uns geht es um Diskussionskultur, Demokratieverständnis und politische Kontrolle.“ Man habe Anträge zurückgezogen, um Diskussionen weiterführen zu können. „Uns daher seitens der SPD fehlendes Rückgrat vorzuwerfen, ist schon amüsant“, sagte Lübbert.

Die UWG-Fraktion lehnte den Haushalt 2022 als einzige Fraktion im Rat der Gemeinde Nordkirchen ab.

Die UWG-Fraktion lehnte den Haushalt 2022 als einzige Fraktion im Rat der Gemeinde Nordkirchen ab. © Tina Nitsche

Kritische Fragen würden aber immer als Angriff auf die Verwaltung interpretiert, aber: „Die AfD-Vergleiche haben mich persönlich getroffen“, sagte Lübbert. „Dieser Vergleich wurde nicht nur in einem interfraktionellen Gespräch getätigt, sondern ist auch noch einmal in der Ratssitzung am 20. Januar von einem Ratsmitglied der SPD wiederholt worden. Das verbitte ich mir, und da stelle ich mich auch schützend vor meine Fraktionsmitglieder“, verurteilte die UWG-Fraktion das als „absolute Unverschämtheit“. Diese „Cancel-Culture“ sei demokratiefeindlich - „und nicht unsere unbequemen Fragen oder Andeutungen“, so Lübbert.

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