Marc Henrichmann (CDU) aus dem Münsterland will wieder regieren „Opposition ist Mist“

Marc Henrichmann (CDU) will wieder regieren: „Opposition ist Mist“
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„10 Uhr, Bruder-Klaus-Kapelle.“ Als Marc Henrichmann (48) Mitte Januar diesen Termin für das Interview anlässlich der vorgezogenen Bundestagswahl vorschlägt, sieht die Republik noch anders aus. Wer zu diesem Zeitpunkt von Massenprotesten für Demokratie spricht, blickt zurück auf die landesweiten Demonstrationen im Januar 2024 nach Bekanntwerden der sogenannten Remigrationspläne rechtsextremer Kreise. Und das „Tor zur Hölle“ wird bestenfalls in zweitklassigen Mystery-Filmen bewegt.

An dem Donnerstag Anfang Februar, für den das Treffen mit dem eine dritte Amtszeit anstrebenden CDU-Abgeordneten verabredet ist, haben die Menschen im Land wieder angefangen, zu Zehntausenden auf die Straße zu gehen, auch im Münsterland. Und nicht nur SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht „das Tor zur Hölle“ aufgestoßen, seitdem die Union wenige Tage zuvor ihren Antrag auf verschärfte Migrationsregeln mit den Stimmen der AfD durch den Bundestag gebracht hat.

„Das hatte ich mir anders vorgestellt“, sagt Marc Henrichmann, als er kurz nach 10 Uhr eintrifft. Er meint das Wetter. Im nasskalten Grau ist die Kapelle kaum zu erkennen. Wo es sonst eine spektakuläre Aussicht gibt über die münsterländische Parklandschaft bis nach Herbern, Nordkirchen und Olfen, dem südlichen Rand des Wahlkreises Coesfeld/Steinfurt II, steht heute eine zähe Nebelwand. „Egal“, findet Henrichmann, stellt den Mantelkragen auf und geht geradewegs los: einer, der von sich sagt, die Richtung zu kennen und nicht falsch abzubiegen. Sowohl auf der gerade beginnenden Wanderung als auch im Endspurt des Wahlkampfes, der so emotional und polarisierend ist wie kaum ein anderer.

„Feld nicht der AfD überlassen“

„Dammbruch“, „Sündenfall“, „Schande“: Was hätten sich er und seine Parteifreunde nicht schon alles anhören müssen. Marc Henrichmann schüttelt den Kopf, während er nach einer halbwegs trockenen Trittmöglichkeit auf dem durchnässten Wanderweg sucht. Die heftige Kritik nicht nur im Bundestag, sondern auch auf vielen Straßen und Plätzen findet er falsch. Endlich gebe es einen konkreten Vorstoß zu einer „echten Veränderung in der Migrationspolitik“, eine „Asylwende“, wie es bei der Union heißt. Endlich sei Schluss mit einer vorauseilenden Konsenssuche mit SPD und Grünen, die schnell alles verwässere. „Das“, sagt Henrichmann und balanciert über den Feldrain, „hatte in den letzten Jahren doch nur die Leute in die Arme der AfD getrieben“. Es sei höchste Zeit, „das Feld der inneren Sicherheit nicht den Rechtspopulisten zu überlassen“. Die gleichen Worte hatte er auch am 30. Januar benutzt: in der hitzigen Bundestagsdebatte.

Die Morde von Magdeburg und Aschaffenburg hätten den Druck zum Handeln noch erhöht, sagt Henrichmann. „Und es ist zu befürchten, dass es dabei nicht bleiben wird.“ Was der Abgeordnete im westfälischen Nebel da noch nicht ahnen kann: Eine Woche später wird ein 24-Jähriger aus Afghanistan in München sein Auto in eine Menschenmenge steuern.

Studium durch Pferde finanziert

Henrichmann wechselt auf den Waldweg. Der Feldweg weiter geradeaus würde zu einem der fünf Tiefbrunnen führen, die der Wasserversorger Gelsenwasser in den Baumbergen unterhält. Den hatte er schon vor 40 Jahren besucht, als Wasser Thema im Sachkundeunterricht der Baumberge-Grundschule war: da, wo er das ABC lernte und wo Mutter und Tante unterrichteten. Der Vater war Verwaltungsbeamter im Justizvollzug. Nach dem Abitur habe er sowohl mit dem Lehramt als auch mit der Polizei geliebäugelt. Entschieden hat er sich für Jura in Münster.

„Das Studium habe ich mir selbst finanziert“, sagt er. Durch Pferdeausbildung, für die er wie sein Vater immer ein glückliches Händchen hatte. Heute steht er aber kaum noch in der Reithalle. Eine Frage der Zeit. „Und des Alters“, ergänzt der 48-Jährige und lacht. „Ich freue mich, wenn ich es irgendwann nach der Wahl wieder schaffe, ins Fitnessstudio zu gehen.“

Absicherung über Liste fehlt

„Nach der Wahl“ ist eine Formulierung, die der Jurist oft nutzt. Dieser 23. Februar markiert den Wendepunkt zwischen Beobachten und Gestalten, besser Wissen und besser Machen, zwischen Opposition - „ist einfach Mist“ - und Regierung. Noch nie hat im Kreis Coesfeld und den angrenzenden Städtchen Altenberge, Laer und Nordwalde ein CDU-Kandidat den direkten Einzug in den Bundestag verpasst. Henrichmann will nicht damit anfangen. Er ist nicht über einen Listenplatz abgesichert. Da stehen andere Namen: Friedrich Merz, Armin Laschet und die ehemalige Bildungsministerin Anja Karliczek aus dem Wahlkreis Steinfurt III.

„Sind eine Patchwork-Familie“

Ob Reit- und Fahrverein, Schützenverein, DRK, Kolping oder Hegering: Henrichmann, der sich selbst als bodenständig beschreibt, war schon immer ehrenamtlich aktiv. Mit Ende 20 tritt er auch in die CDU ein. 2009 wird der niedergelassene Rechtsanwalt gefragt, ob er in seiner Heimatgemeinde Havixbeck als Bürgermeister kandidieren wolle. Henrichmann will und „bekommt 'was auf die Mütze“, wie er es nennt. Eine Niederlage, die ihn prägt. Er brennt jetzt für Politik: ein Talent, das der 2021 verstorbene Bundestagsabgeordnete Karl Schiewerling erkennt und ihn zu seinem Nachfolger vorschlägt.

Die Bundespolitik ist inzwischen Henrichmanns Leben, Berlin ist es nicht. „Es sind dort 22 Sitzungswochen von Montag bis Freitag.“ Nie käme er auf die Idee, auch das Wochenende in der Hauptstadt zu verbringen. Jetzt erst recht nicht. Henrichmann hat im November 2024 ein zweites Mal geheiratet: „Wir sind eine Patchwork-Familie.“ Aus erster Ehe hat er eine Tochter, die gerade Abitur macht. Seine Frau hat zwei Töchter im Teenageralter mit in die Ehe gebracht. Eigentlich war der Plan, in Havixbeck ein neues Zuhause zu finden. Vergebens. Deshalb sei er nach Hiltrup gezogen.

Nach der drei Kilometer langen Wanderung rund um die Bruder-Klaus-Kapelle hat sich der Nebel zumindest etwas gelichtet. Marc Henrichmann steht auf dem Picknickplatz vor dem 1987 errichteten kleinen Gotteshaus.
Nach der drei Kilometer langen Wanderung rund um die Bruder-Klaus-Kapelle hat sich der Nebel zumindest etwas gelichtet. Marc Henrichmann steht auf dem Picknickplatz vor dem 1987 errichteten kleinen Gotteshaus. © Sylvia vom Hofe

Cybersicherheit und Digitalisierung

Im dichten Buchenwald klart es plötzlich auf. Als ob jemand zwischen den trüben Nebelbänken das Licht angemacht hätte. Henrichmann scheint es gar nicht zu registrieren. „Ich bin leidenschaftlicher Innenpolitiker“, erzählt er, ohne stehenzubleiben. Er ist Mitglied im parlamentarischen Kontrollgremium, das die Nachrichtendienste kontrolliert. „Nach der Wahl“, sagt Henrichmann, wolle er „für beschleunigte Entscheidungsprozesse“ und „mehr Cybersicherheit“ kämpfen. Und für ein eigenständiges Digitalministerium. „Genau diese Konzepte liegen auf dem Tisch, und da habe ich voll Bock drauf.“

Henrichmann bleibt abrupt stehen. Der Weg, er deutet nach vorne, wo sich der Pfad irgendwo zwischen den Stämmen verliert, sei kein Rundweg. „Wir müssen umkehren“, sagt er. Zurück zur Bruder-Klaus-Kapelle. Marc Henrichmann ist eben ein Freund von klaren Richtungsentscheidungen.

Der Wanderweg in den Baumbergen liegt im dichten Nebel.
Auch wenn Nebel den Weg verschluckt. Marc Henrichmann kennt die Richtung. Er ist in den Baumbergen aufgewachsen. © Sylvia vom Hofe

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