
Bäckermeister Stefan Braune plagen derzeit Sorgen, deren Ursprung er nicht beeinflussen kann. Dennoch ist er zum Handeln gezwungen. © Mia Birkefeld
Bäckermeister Stefan Braune: „Das treibt Sorgenfalten auf die Stirn“
Energiepreisentwicklung
Ob in Kamen, Unna oder Selm: Die Bäckerei Braune ist weit über den Stammsitz Bergkamen hinaus eine Marke. Doch Stefan Braune plagen derzeit Sorgen, die nicht selbst gemachte Probleme sind.
An sich lässt sich Stefan Braune nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Doch in diesen Tagen hat auch er die Sorgenfalten auf der Stirn. Die hohen Energiepreise belasten das Bäckerhandwerk immens. „Es ist hoch akut“, sagt der Bergkamener Bäckermeister, der weiß, dass viele Kollegen in diesen Tagen ihr Geschäft aufgeben. „Täglich schließen deutschlandweit im Moment drei Bäcker ihre Betriebe.“
Hat er selbst auch Existenzsorgen? „Diese Frage hab ich mir ernsthaft auch schon ein paar Mal gestellt“, sagt er, aber: „Ich habe einen gut funktionierenden Verdrängungsmechanismus“, muss er dann doch lachen. „Ich bin Unternehmer und denke immer: Es wird schon irgendwie weitergehen. Aber dann gibt es wieder diese Momente, in denen ich mir selbst auch nicht so recht glaube.“
Außerhalb des eigenen Einflusses
Es sind schwierige Zeiten, unter denen Bäcker wie Stefan Braune leiden, „und was es so schlimm macht: Es liegt alles außerhalb meines eigenen Einflussbereichs“, sagt der Bäckermeister. „Es ist ein Problem der Branche, nicht der Firma Braune.“
Denn das Bäckerhandwerk ist eine energieintensive Branche. „Die aktuelle Entwicklung tut definitiv weh“, sagt Braune, und nennt Zahlen aus seinem Betrieb: Wenn er nur die Energiekosten nimmt und weder steigende Personalkosten noch den Anstieg bei den Rohstoffpreisen berücksichtigt und mit einem mittleren der aktuell genannten Preise für die benötigte Energie kalkuliert, „dann habe ich Mehrkosten von 600.000 bis 700.000 Euro pro Jahr.“ Mit ein bisschen Glück seien es 550.000 Euro, vielleicht aber auch 750.000.
Ein absoluter Fehlbetrag
„Das ist eine Summe, die kann ich nicht mal eben so kompensieren. Die gibt das Betriebsergebnis gar nicht her. Das sorgt also nicht einfach nur für ein schlechteres Jahresergebnis, das ist ein absoluter Fehlbetrag“, betont der Bäckermeister, der 182 Mitarbeiter beschäftigt - und für deren Einkommen sorgt. „Da hat man dann zwischendurch wirklich Ängste und Sorgen.“

Das Kalkulieren von Preisen gehört zum Alltag des Bäckermeisters, der im Kreis Unna und darüber hinaus 30 Filialen und 182 Mitarbeiter hat. Doch die aktuell steigenden Preise kann er aus guten Gründen nicht an die Kundschaft weitergeben. © Marcel Drawe
Was er beeinflussen kann, versucht er zu beeinflussen: „Wir hatten jetzt eine Betriebsversammlung, da hab ich versucht, meine Leute zu sensibilisieren. Sie sollen das Licht ausmachen, wenn sie es nicht brauchen. Sie sollen die Ofenflächen komplett ausnutzen, und auch mehr Obacht in der Backstube geben.“ Denn auch die Rohstoffpreise sind gestiegen. Allein beim wöchentlichen Mehlverbrauch kommen pro Woche mehrere tausend Euro extra hinzu, der Preis für Kürbiskerne hat sich nahezu verdoppelt. Da darf nichts verschwendet werden.
Doch Abläufe optimieren und Verbräuche minimieren, das reicht nicht, um die gestiegenen Energiekosten einzufangen. Auch eine Umlage auf die Verbraucher geht nur begrenzt: „Dann können sich die Kunden die Brötchen vielleicht noch am Wochenende leisten, aber nicht mehr jeden Tag.“ Das treibe die Leute in den Lebensmitteleinzelhandel, wo es die günstiger produzierten Industriebackwaren gäbe. Für die gibt es Hilfspakete, für das Handwerk nicht, worüber sich Braune ärgert.
Kunden halten ist das Ziel
Denn: „Da geht es dann nicht mehr darum, welches Brot sich der Kunde leisten will. Da geht es darum, was er sich noch leisten kann“, nennt Braune die Krux. Und so ist eine gesamte Handwerksbranche davon bedroht, ausgelöscht zu werden. „Denn dann habe ich zwar die Preise an den Verbraucher weitergegeben, aber die Kunden vergrault. Das kann doch auch nicht Sinn und Zweck sein.“
Noch gelten seine langfristig abgeschlossenen Lieferverträge, was ihm ein wenig Luft verschafft, den Betrieb anders aufzustellen. Doch im neuen Jahr kommt eine neue Entgelttarifverordnung und er muss neue Rohstoffverträge aushandeln. Und greift schon in diesem Winter die dritte Stufe des Energiesparens, dann hat sein Versorger ein Sonderkündigungsrecht - und davor hat Braune am meisten Angst.
„Es sind eine Menge Hausaufgaben, die wir grad machen müssen. Das ganze System ist aus den Fugen geraten, und ich weiß nicht, wie wir das wieder geraderücken können.“
Keine Alternativen zu Gas
Das geht nicht von heute auf morgen. An der Produktionsart selbst kann Braune auch wenig ändern. „Die Produktionsöfen für Brot und Feingebäck laufen mit Gas“, und eine echte Alternative sieht er nicht. Diese sechs Öfen auf Elektro umzustellen, bedeute eine Investitionssumme von rund einer halben Million Euro – und die Stromkosten blieben. Hinzu kämen aller Wahrscheinlichkeit nach Probleme mit den Stadtwerken, weil ein Großofen soviel Strom fresse, dass dies das Netz on top nicht hergäbe.

Die Öfen in den Filialen sind überwiegend Elektroöfen, doch die Produktionsöfen in der Backstube in Bergkamen werden mit Gas betrieben. Eine echte Alternative gibt es dafür derzeit nicht. © Marcel Schürmann
Auf Öl umzustellen sei dauerhaft keine Alternative und daher wenig sinnvoll, „und Wasserstoff und Co. sind noch nicht so weit“, weiß Braune. Auch Photovoltaik-Anlagen scheiden aus: „Deren Produktionskapazität reicht noch nicht aus. Soviel Dachfläche hat man nicht, wie man da bräuchte“, weiß Braune. „Wie soll man also am besten handeln? Das treibt einem schon Sorgenfalten auf die Stirn“, sagt der Bäckermeister, und wiederholt sich gern: „Zumal es kein selbst gemachtes Braune`sches Problem ist.“
Sortiment auf Prüfstand
Und so bleibt ihm derzeit nur eins: Das Sortiment auf den Prüfstand zu stellen und anzupassen. „Breite, Tiefe, Zusammensetzung“, nennt Braune. Unter der Woche die Rosinenschnecke statt der Sahnetorte. „Das ganze mal wieder erden und runterfahren, Trends beenden und statt sechs Körnerbrötchen nur noch drei im Angebot haben. Vielleicht ist weniger dann wieder ein bisschen mehr“, hofft Braune.
Jahrgang 1979, aufgewachsen und wohnhaft in Bergkamen. Magister-Studium in Münster in Soziologie, Wirtschaftspolitik und Öffentlichem Recht. Erste Sporen seit 1996 als Schülerpraktikantin und dann Schüler-Freie in der Redaktion Bergkamen verdient. Volontariat und Redakteursstellen im Sauerland sowie Oldenburger Münsterland. Seit zehn Jahren zurück in der Heimat und seit Mai 2022 fest beim Hellweger angestellt.
