Anonyme Vorwürfe gegen SPD-Politiker und Gemeinde „Verknüpfung von Mandat und Beruf“

Vorwurf gegen SPD-Politiker und Gemeinde: „Verknüpfung von Mandat und Beruf“
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Seinen Namen möchte er nicht nennen, aber was ein Leser uns schreibt, wiegt schwer. Es geht um den SPD-Ratsvertreter und Architekten Lothar Steinhoff. Es um den Vorwurf der Verquickung von politischem Amt und Beruf. Es geht um Kritik an intransparenter Lokalpolitik.

„Ist es in Ordnung, wenn Lothar Steinhoff, ein SPD-Mitglied, Ratsmitglied in Nordkirchen usw. als lokaler Politiker und Architekt ,seine‘ Aufträge mit den gegebenen Mehrheiten sehr gut durchbringt und als ein mittlerweile dominanter lokaler Architekt und Bauexperte Geschäfte macht?“, schreibt der Leser. Und weiter: Das „Vorgehen des Geschäftsmanns Steinhoff“ sei „sicher in der Verknüpfung mit der lokalen Politik grenzwertig“. Projekte würden mit Block-Mehrheiten durchgebracht. So zum Beispiel „das Betongebäude Capelle für den Sportverein (in Zeiten, in denen Klimaschutz eine höhere Priorität haben sollte und anders gebaut werden sollte, nämlich eher ohne den Klimakiller Beton)“.

Zudem kritisiert der Leser das „unglaublich schlechte Vorgehen beim ,Hotelgrundstück‘, in das die SPD und die Verwaltung seit Jahren intransparent vertraglich verwickelt sind (es wird generell zu viel in ,nichtöffentliche Beratungen‘ geschoben, also ohne Presse)“. Das sei ein „Nordkirchener-Bürgermeister-Thema und das der SPD- und der CDU-Blockmehrheit“.

Sein Fazit: „Transparente und „saubere“ Lokalpolitik wäre für alle Bürger besser, mit offenem Vorgehen und guten Ausschreibungen.“

Lothar Steinhoff: „Vorwurf haltlos“

Wir haben Lothar Steinhoff um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten. Er hat uns unter anderem so geantwortet: „Die Ausführungen des Lesers verwundern mich schon. Der Vorwurf, dass ich ,meine‘ Aufträge mit den gegebenen Mehrheiten durchbringe, ist haltlos. Die Aufträge für Architektenleistungen der Gemeinde Nordkirchen sind in der Vergangenheit immer an unterschiedliche Planungsbüros gegangen.“

Weiter heißt es: „In einem breit aufgestelltem Expertenteam von 20 Mitarbeiter/innen bearbeiten wir eine Vielzahl von Projekten in einem Umkreis von circa 150 Kilometern. Damit verbunden ist natürlich eine lokale und regionale Aufmerksamkeit, die wir uns im Laufe der Zeit erarbeitet haben. Wir pflegen grundsätzlich mit vielen Städten, Gemeinden und Genehmigungsbehörden eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und werden von öffentlichen Aufraggebern wiederkehrend nach unserer Expertise gefragt und zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert. Dabei ist es falsch, dass Auftragserteilungen meines Architekturbüros mit meinem politischen Mandat verbunden werden.“

Um es auf den Punkt zu bringen: „Ich habe innerhalb der letzten zehn Jahre für die Gemeinde Nordkirchen das Dorfgemeinschaftshaus in Capelle und die Kita Waldwichtel in Südkirchen geplant, mehr nicht“, sagt Steinhoff. Das bestätigt auch die Gemeinde Nordkirchen auf Nachfrage der Redaktion.

Das 3D-Betondruckprojekt ordne er anders als der Leser ein: „Es geht hier um die Frage, wie sich die Anforderungen an digitalisierte Planungsprozesse, bedarfsgerechtes und nachhaltiges Bauen und den Umwelt- und Klimaschutz erfüllen lassen. Gemeinsam leisten alle beteiligten Projektpartner einen wichtigen Beitrag dazu, Zukunftstechnologien im Bauwesen weiterzuentwickeln. Unsere Aufgabe besteht darin, mit der TH Köln standardisierte Vorgehensweisen zum Beispiel für Genehmigungsverfahren, die Bauvorbereitung und die Bauausführung zu entwickeln. Der 3D-Druckbeton ist als mineralischer Baustoff zu 100 Prozent recyclebar. Darüber hinaus beinhaltet dieser 3D-Druckbeton ein Bindemittel mit etwa 55 Prozent CO₂-Reduktion gegenüber einem reinen Portlandzement.“

Er hätte sich gefreut, wenn der Leser den direkten Kontakt zu ihm aufgenommen hätte, erklärt der Architekt.

„Unterstellungen unbegründet“

Auch die Gemeinde Nordkirchen haben wir gebeten, sich zu äußern. Im Auftrag von Bürgermeister Dietmar Bergmann hat uns Gemeindesprecher Karim Laouari geantwortet. „Die Anfrage des Lesers enthält Unterstellungen, die durch die tatsächliche Arbeit des Rates und der Verwaltung der Gemeinde Nordkirchen in keiner Weise begründet sind.“

Für die Vergabe von Aufträgen an freischaffende Architekten wie auch etwa für Statiker, Landschaftsplaner und andere gelten laut Bergmann auch in Nordkirchen die allgemeinen Regeln des öffentlichen Vergaberechtes und die Hauptsatzung und die Zuständigkeitsordnung der Gemeinde Nordkirchen. „Diese Vorgaben werden beachtet. Im Ergebnis werden Aufträge der Gemeinde an eine Vielzahl von Architektur- und andere Planungsbüros vergeben. So haben beispielsweise in den letzten zwei Jahren alle in Nordkirchen heimischen Architekten an verschiedenen Stellen für die Gemeinde gearbeitet, unter anderem Schulerweiterungen, Schulumbauprojekte, etc.“

Zum Thema Parteizugehörigkeit und Auftragsvergabe sagt Dietmar Bergmann: „Selbstverständlich spielen bei den Vergaben die Parteizugehörigkeit oder andere nicht sachliche Argumente keine Rolle. Wenn örtliche Architekten in sehr unterschiedlichem Ausmaß bei privaten Bauvorhaben in der Gemeinde zu sehen sind, hat das ausschließlich mit der Entscheidung der jeweiligen Bauherren zu tun.“

Die Gemeindespitze verteidigt die Entscheidung für das 3D-Druckverfahren beim Capeller Vereinsheim gegen den Vorwurf, den "Klimakiller Beton" zu verwenden.
Die Gemeindespitze verteidigt die Entscheidung für das 3D-Druckverfahren beim Capeller Vereinsheim gegen den Vorwurf, den "Klimakiller Beton" zu verwenden. © Günther Goldstein (Archiv)

Zu den Vorwürfen des Lesers in Sachen 3D-Betrondruck des Capeller Vereinsheims erklärt Bergmann unter anderem: „Die Realisierung des Sportumkleidegebäudes in Capelle im 3D-Betondruckverfahren ist wegen des innovativen Ansatzes nicht umsonst von der Landesregierung gefördert und von Frau Ministerin Scharrenbach anlässlich ihres Besuches auf der Baustelle am 27. Juni genau deswegen gewürdigt worden. Inhalt der Innovation ist auch der Versuch, Druckmaterial zu verwenden, dessen Produktion mit weniger CO2-Ausstoß verbunden war, unter anderem wegen der Rezeptur, aber auch, weil die Rohstoffe aus der Region kommen und nicht lang transportiert werden müssen. Hinzu kommt, dass der Baustoff zu 100 Prozent recycelt werden kann.“

Den Begriff einer vermeintlichen „Dominanz“ des Architekten Lothar Steinhoff sehe die Gemeinde kritisch, „denn jede Bauherrin und jeder Bauherr hat die freie Wahl, mit welcher Architektin oder welchem Architekten sie/er das Bauprojekt umsetzt. Das Angebot ist in der Gemeinde Nordkirchen definitiv gegeben. Aus Sicht der Wirtschaftsförderung jedenfalls begrüßen wir jedes Unternehmen, das Arbeits- und Ausbildungsplätze schafft.“

Nordkirchens Bürgermeister Diwetmar Bergmann kontert den Vorwurf, das Verfahren für das Hotelquartier werde intransparent durchgeführt: "Vertrauliche Gespräche gehören nicht in die Öffentlichkeit."
Nordkirchens Bürgermeister Diwetmar Bergmann kontert den Vorwurf, das Verfahren für das Hotelquartier werde intransparent durchgeführt: "Vertrauliche Gespräche gehören nicht in die Öffentlichkeit." © Arndt Brede (Archiv)

Vorgeschriebene Verfahren

Zum Vorwurf intransparenter Lokalpolitik in Sachen Hotelquartier positioniert sich der Bürgermeister unter anderem so: „Die Verfahren der Änderung des Flächennutzungsplanes und der Aufstellung des Bebauungsplanes werden wie alle Planverfahren nach dem Baugesetzbuch genau in dem dort vorgeschriebenen Verfahren durchgeführt. Als nächstes steht hier die öffentliche Auslegung der Planunterlagen an, in deren Rahmen alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen sind, ihre Vorstellungen dazu einzubringen. Zu unterscheiden sind davon die Gespräche und Verhandlungen, die der dann auch notwendigen Realisierung dieser Vorhaben, das sind ein Schulgebäude für die Gesamtschule, ein Schwimmbad, ein Hotel, ein Gesundheitszentrum und ein Wohnquartier, dienen, der Plan allein reicht da nicht.“

Diese vertraulichen Gespräche gehören laut Bergmann „selbstverständlich nicht in die Öffentlichkeit, dasselbe gilt im Übrigen auch für andere Vertragsangelegenheiten, wie Grundstücksangelegenheiten, Auftragsvergaben, Verträge, die die Gemeinde mit Dritten abschließt, usw.“ Die Verwaltung bereite die dann notwendigen Ratsentscheidungen vor und informiere auch zwischenzeitlich den Rat und die Ausschüsse sowie die extra eingerichtete Projektgruppe „Hotelquartier“ über die aktuellen Entwicklungen.

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