Zugausfälle und Verspätungen bei der Bahn Rechte von Bahnkunden ändern sich ab heute

Zugausfälle und Verspätungen bei der Bahn: Entschädigungs-Rechte von Bahnkunden ändern sich
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Pünktlichkeit und Bahnfahrten sind zwei Dinge, die nur schwer zusammenzubringen sind. Im vergangenen Jahr 2022 hatten im Fernverkehr nur 65,2 Prozent der Züge der Deutschen Bahn eine Verspätung von weniger als sechs Minuten. Ein neuer Negativrekord.

Ab dem 7. Juni ändern sich die Rechte von Fahrgästen, die Opfer von Zugausfällen und Verspätungen geworden sind. Aus Kundensicht keineswegs immer zum Besseren. Die neuen Rechte sind Teil einer EU-Verordnung. Sie gelten also in der ganzen EU sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen. Wir fassen in elf Punkten zusammen, was künftig gilt und was Sie im Falle eines Falles beachten sollten.

1. Ab jetzt spielt der Grund doch eine Rolle

Bisher war es völlig egal, aus welchem Grund ein Zug ausfiel oder zu spät kam: Kundinnen und Kunden hatten einen Anspruch auf Entschädigung. Das gilt künftig nicht mehr in jedem Fall. Im Artikel 19 der neuen Verordnung heißt es nämlich: „Eisenbahnunternehmen sind nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, wenn sie nachweisen können, dass Verspätungen, verpasste Anschlüsse oder Zugausfälle als direkte Folge von oder in untrennbarem Zusammenhang mit (...) außergewöhnlichen Umständen“ einzuordnen sind.

Und dann schreibt die Verordnung konkret von „extremen Witterungsbedingungen, großen Naturkatastrophen oder schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit“. Diese Neuregelung dürfte die deutschen Gerichte noch stark beschäftigen, denn: Wann ist beispielsweise das Wetter „extrem“? Oder: Wann ist eine Grippewelle eine „schwere Gesundheitskrise“, wann eine Naturkatastrophe „groß“? Das dürfte eine Ermessensfrage mit gewaltigem Konfliktpotenzial sein.

Auch andere, nicht von der Bahn zu verantwortende Gründe wie der Diebstahl von Leitungen, Sabotage oder Personen in den Gleisen könnten dafür sorgen, dass keine Entschädigungen gezahlt werden müssen. Ausfälle durch Streik sind dagegen definitiv kein Grund, Entschädigungen abzulehnen.

2. Keine Entschädigungen, aber trotzdem nicht rechtlos

Wenn die Bahn die Karte der „außergewöhnlichen Umstände“ ziehen sollte, ist der Fahrgast gleichwohl nicht rechtlos. Bei längeren Verspätungen muss die Bahn dafür sorgen, dass eine Weiterreise auf anderem Weg organisiert wird oder der Kunde den Fahrpreis erstattet bekommt.

Auch das Recht auf eine angemessene Versorgung mit Mahlzeiten und Getränken beziehungsweise im Zweifel auch auf eine Unterbringung im Hotel bleibt in jedem Fall bestehen (mehr dazu unter Punkt 3).

3. Wann es welche Entschädigungen gibt

Grundsätzlich können Bahn-Kundinnen und Kunden ab einer Verspätung von mehr als einer Stunde frei wählen, ob sie ihr Ziel mit einem anderen Zug so schnell wie möglich oder später ansteuern oder die Reise abbrechen wollen. Wenn sie die Fahrt abbrechen, erhalten sie den vollen Fahrpreis zurück und sie können zurück zum Ausgangsort fahren.

Wer sich für eine Weiterfahrt entscheidet, hat Anspruch auf eine Entschädigung für die Verspätung: Kommt der Zug mehr als eine Stunde zu spät am Ziel an, kann man 25 Prozent des Fahrpreises erstattet bekommen, ab zwei Stunden gibt es eine Erstattung von 50 Prozent.

Außerdem muss die Bahn für Essen und Getränke sorgen. Falls nötig, muss die Bahn auch die Unterbringung in einem Hotel organisieren, inklusive dem Transfer dorthin. Bleibt ein Zug auf der Strecke liegen, muss die Bahn ihre Gäste auf anderem Weg zum nächsten Bahnhof fahren. All diese Ansprüche gelten auch, wenn die Bahn auf „außergewöhnliche Umstände“ verweist (Punkt 2).

4. Umbuchungen auf eigene Faust

Wer mit einem Zug strandet oder sich massiv verspätet, darf grundsätzlich auch seine Weiterfahrt mit einem anderen Bahnunternehmen selbst organisieren. Das Geld dafür kann man dann zurückfordern, allerdings gibt es da einen Haken: Voraussetzung ist, dass der Fahrgast zuvor die Zustimmung des Bahnunternehmens für die Umbuchung erhalten hat. Oder: Dem Fahrgast wurden nicht binnen 100 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtzeit, dem verpassten Anschluss oder dem ausgefallenen Zug eine Möglichkeit zur Weiterreise angeboten.

5. Flug verpasst, weil die Bahn sich verspätet: Was dann?

Für Menschen, die mit der Bahn zu einem Flughafen fahren und ihren Flieger verpassen, weil der Zug ausfällt oder Verspätung hat, gibt es zwei Möglichkeiten:

Wer die Fahrkarte für die Bahn getrennt vom Flug gekauft hat, bekommt zwar das Zugticket ersetzt, nicht aber sein Flugticket und die Kosten für eine Umbuchung des Fluges.

Anders sieht es aus, wenn man Zug und Flug zusammen als Einheit gebucht hat – etwa mit einem „Rail & Fly“-Angebot. In diesem Fall kann man beim Reiseveranstalter die Entschädigung einfordern.

6. Anschlusszug eines anderen Anbieters verpasst: Was gilt dann?

Eine vergleichbare Regelung wie beim Zug zum Flug gilt, wenn Sie zwei unterschiedliche Bahntickets für eine Reise benötigen – etwa, weil Sie mit einem normalen Zug den Nachtzug in einer anderen Stadt erreichen wollen und diese beiden Fahrten von unterschiedlichen Unternehmen angeboten werden.

Kaufen Sie die Tickets getrennt und verpassen mit der ersten Fahrt den Anschluss an den Nachtzug, haben Sie nur Ersatzansprüche für die erste Fahrt, nicht für den verpassten Nachtzug.

Und dann wird es kompliziert und es gibt eine Falle:

Wenn Sie beide Tickets in einem Rutsch bei einem Bahnunternehmen kaufen, gilt das als Durchgangsfahrkarte. In dem Fall stehen Bahnreisenden für die gesamte Bahnreise die normalen Bahngastrechte mit Erstattungsansprüchen zu.

Wenn Sie aber eine solche „Durchgangsfahrkarte“ bei einem Reiseveranstalter kaufen, der die einzelnen Fahrten seinerseits zu einer Fahrt kombiniert, gilt: Wenn Sie einen Anschluss verpassen, muss der Reiseveranstalter Ihnen den vollen Fahrpreis erstatten und zusätzlich 75 Prozent des Ticketpreises als Entschädigung.

Die Falle: Die Rechte einer „Durchgangsfahrkarte“ gelten nicht, wenn man Sie auf dem Ticket oder einem beigefügten Infoblatt darüber informiert, dass die Fahrkarten getrennte Beförderungsverträge darstellen. Hier sollte man unbedingt das Kleingedruckte lesen.

7. Fristen für die Beantragung von Entschädigungen

Bislang musste man innerhalb eines Jahres nach der Verspätung oder einem Zugausfall sein Geld beim Bahnunternehmen zurückzufordern. Künftig muss man nach der neuen EU-Verordnung seine Ansprüche innerhalb von drei Monaten geltend machen.

8. Extra-Regeln für Deutschland

Die neue Verordnung legt nur die Mindeststandards fest, die einzelnen Länder dürfen die Regeln noch verbraucherfreundlicher gestalten. So gilt in Deutschland, dass Regionalzug-Kunden ohne Zusatzkosten auch einen IC oder ICE nutzen dürfen, wenn die Verspätung des Regionalzugs am Zielbahnhof absehbar mehr als 20 Minuten betragen wird. Dafür muss man zwar erst ein ICE-Ticket kaufen, kann die Kosten dafür aber später zurückfordern.

Zudem gilt: Wenn die planmäßige Ankunftszeit zwischen 0.00 und 5.00 Uhr liegt und eine Verspätung von mindestens einer Stunde absehbar ist, können Regioticket-Inhaber auch mit einem anderen Verkehrsmittel ans Ziel fahren, etwa mit einem Taxi.

Das ist ebenso möglich, wenn es sich um die letzte fahrplanmäßige Verbindung des Tages handelt, diese ausfällt und man dann ohne andere Verkehrsmittel nicht mehr bis 24 Uhr am Zielbahnhof ankommen kann. Maximaler Erstattungsbetrag: 120 Euro.

9. Was sollte man unbedingt tun, wenn ein Zug sich verspätet oder ganz ausfällt?

Noch im Zug selbst oder am Bahnhof sollte man sich den Ausfall oder die Verspätung eines Zuges schriftlich bestätigen lassen.

Fahrkarte und die Bestätigung sollte man unbedingt aufbewahren und sie dem Bahnunternehmen vorlegen, bei dem man das Ticket gekauft hat.

Teilen Sie der Bahn unbedingt mit, dass Sie eine Auszahlung der Entschädigung wünschen. Tun Sie das nicht, könnte es sein, dass Sie mit einem Gutschein entschädigt werden sollen.

10. Hier kann man Erstattungen beantragen

Jedes größere Bahnunternehmen und jeder größere Bahnhof mit im Jahresschnitt mehr als 10.000 Fahrgästen am Tag muss der EU-Verordnung zufolge Verfahren zur Beschwerdebearbeitung einrichten.

Bei der Deutschen Bahn kann man seine Beschwerde für Tickets, die über ein Kundenkonto gekauft wurden, online auf „Bahn.de“ oder in der „DB-Navigator“-App abgeben.

Oder: Man füllt ein Fahrgastrechte-Formular aus und schickt es per Post an das Servicecenter Fahrgastrechte in 60647 Frankfurt/Main. Teils gibt es Entschädigungen auch direkt beim DB-Reisezentrum.

11. Wer hilft im Streitfall?

Für den Fall, dass es Ärger gibt, sollte man sich die folgenden beiden Kontakte merken:

  • Wenn das Bahnunternehmen einen Anspruch ablehnt oder nicht innerhalb eines Monats reagiert, kann man die sich an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr wenden: Fasanenstraße 81, 10623 Berlin , Tel. (030) 64499330, E-Mail: kontakt@soep-online.de.
  • Ebenso kann man seine Beschwerde, über ein nicht reagierendes Bahnunternehmen an das Eisenbahn-Bundesamt richten: Heinemannstraße 6, 53175 Bonn, Tel. (0228) 30795400, E-Mail: fahrgastrechte@eba.bund.de.

Mit Material von dpa

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