Die Streckensperrung der Bahn zwischen Dortmund und Hamm ermöglicht einmalige Einblicke. So sehen Schnellbremsmagnet und Weichenheizung aus: Ein Spaziergang über die Strecke.

Kamen

, 29.11.2020, 16:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Das gibt es nicht alle Tage. Und auch nicht alle Jahre. Ein Spaziergang dort, wo es sonst unmöglich ist. Direkt auf den Schienen und Schwellen der Bahnstrecke Dortmund-Hamm. Die Streckensperrung wegen der Bauarbeiten für die Südkamener Spange in Kamen macht es möglich.

Bei dem Spaziergang gibt es ungewöhnliche Einblicke in die komplexe Infrastruktur für Eisenbahnen. Dort, wo man sonst mit bis zu 140 Stundenkilometern durchrauscht – jetzt nur Schritt für Schritt. Doch Obacht, bitte nicht nachmachen – Bahnmitarbeiter begleiten den Marsch. Ab Montagmorgen, 4 Uhr, rollen wieder die Züge.

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Start am Bahnübergang Südkamener Straße

Start ist am gesperrten Bahnübergang an der Südkamener Straße, der über das Wochenende gesperrt ist. Dort, wo man sonst ängstlich nach rechts und links nach heranrauschenden Zügen guckt, wenn man mit Fahrrad oder Auto die Gleise überquert, ist es schon etwas komisch, plötzlich Richtung Hauptbahnhof Kamen abzubiegen und direkt über Schienen zu laufen.

Das versteckt liegende Stellwerk "Kaf", aus dem 20 Kilometer Bahnstrecke zwischen Dortmund und Hamm überwacht werden.

Das versteckt liegende Stellwerk "Kaf", aus dem 20 Kilometer Bahnstrecke zwischen Dortmund und Hamm überwacht werden. © Carsten Janecke

Sorge dauert kaum ein Wimpernschlag

Aber auf der Baustelle ist so viel Betriebsamkeit, dass die Sorge kaum länger als ein Wimpernschlag überdauert. Schon geht es los mit den vielen Details auf der ca. zwei Kilometer langen Strecke bis zum Bahnhof Kamen.

Mit dabei sind von der Deutschen Bahn Juri Wirth und Florian Thomas. Die mitgebrachte Warnweste in leuchtendem Gelb, die sonst im Kofferraum für Pannenfälle liegt, kann ein Gast gleich wieder einpacken. „Wir tragen Warnwesten in Orange. Gelb ist für jene Kräfte vorgesehen, die Signale für den Bahnverkehr geben.“ Eine gelbe Weste könnte also für Verwirrung sorgen.

Die Weichenheizung: Eine längliche Metall-Lamelle, die sich schnell aufheizt und Schnee und Eis beseitigt, damit die Weiche in die richtige Position kommt.

Die Weichenheizung: Eine längliche Metall-Lamelle, die sich schnell aufheizt und Schnee und Eis beseitigt, damit die Weiche in die richtige Position kommt. © Carsten Janecke

Im Schwellenmaß über die Schienenstrecke

Also alles in Orange. Auch der Helm. Und in gleichmäßigem Schritt über die etwa einen halben Meter auseinanderliegen Bahnschwellen. „Wir gehen in Schwellenmaß“, sagt Wirth schmunzelnd. Was leichter ist, als durch den Schotter zu laufen.

Erste Auffälligkeit: Am Rande der Strecke sind sogenannte Gleisjoche aufgestapelt. Das sind ca. zehn Meter lange Teilstücke mit Schwellen und Schienen, die bei der ersten Sperrung ausgebaut wurden.

Über 240 Meter klaffte im Oktober ein Loch in der Strecke zwischen Dortmund und Hamm. An diesem Wochenende nun wird dort eine Hilfsbrücke eingeschoben. Damit nun für den Mini-Tunnel der Südkamener Spange ausgeschachtet werden kann.

Der ansonsten unter schweren Platten liegende Kabelkanal mit wichtiger Technik ist geöffnet worden, um neue Strippen zu ziehen.

Der ansonsten unter schweren Platten liegende Kabelkanal mit wichtiger Technik ist geöffnet worden, um neue Strippen zu ziehen. © Carsten Janecke

Kabelkanal mit Signaltechnik

Rechter Hand fällt der Blick auf einen offenen Kabelkanal, der sonst eigentlich unter schweren Steinplatten liegt. Dutzende Kabel in allen Farben bilden ein geordnetes Gewirr, jetzt neu verlegt über eine Strecke von einem Kilometer.

„Für Signaltechnik, Telekommunikation, Weichensteuerung und Sicherungstechnik“, wie Wirth erläutert, bevor er eine von etwa ein Dutzend Weichen erreicht, die zwischen dem Bahnhof und dem Südkamener Bahnübergang liegen: Vor dem Bahnhof zweigen neben den zwei Hauptgleisen zusätzliche Gleise ab, die für Überholvorgänge in beide Richtungen genutzt werden – beispielsweise wenn ein ICE aus Berlin den Regionalzug nach Düsseldorf überholen muss.

Vorsicht Weiche! Juri Wirth zeigt auf die Stelle, wo in der Weiche die Weichenheizung verbaut ist. Damit entfällt lästiges Schneeschippen im Winter.

Vorsicht Weiche! Juri Wirth zeigt auf die Stelle, wo in der Weiche die Weichenheizung verbaut ist. Damit entfällt lästiges Schneeschippen im Winter. © Carsten Janecke

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Achtung: Bloß nicht den Fuß in die Weiche setzen

Wirth ist es wichtig, dass niemand seinen Fuß in die Weiche setzt – auch wenn die Strecke gerade nicht in Betrieb ist. „Man glaubt nicht, wie schnell das umgestellt ist“, weist er auf die Gefahr hin, mit dem Fuß eingeklemmt zu werden. Keine schöne Vorstellung.

Dennoch gewährt er einen genauen Blick auf die Weiche, mit der die Züge von einem Gleis zum nächsten wechseln können. Zu sehen sind dort schmale Stahllamellen direkt an der Schiene, nur wenige Meter lang. „Das ist die Weichenheizung“, erläutert er. Die Zeiten, in denen es diese technische Hilfe noch nicht gab, sind lange her. „Damals mussten die Mitarbeiter mit der Schippe raus und den Schnee wegschaufeln. Denn das Eis kann so hart werden, dass die Weiche nicht mehr in die vorgesehene Position kommt.“

Juri Wirth, Projektleiter bei der Deutschen Bahn, an der Wetterstation. Er begleitet den Spaziergang auf den Gleisen zwischen Südkamener Straße und dem Bahnhof Kamen.

Juri Wirth, Projektleiter bei der Deutschen Bahn, an der Wetterstation. Er begleitet den Spaziergang auf den Gleisen zwischen Südkamener Straße und dem Bahnhof Kamen. © Carsten Janecke

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Wetterstationen füttern mit Informationen

Die Weichenheizung lässt Eis und Schnee einfach dahin schmelzen. Betrieben wird sie über zwei Weichenheizstationen, die auf dem Teilstück in kleinen Häuschen mit einer satten Leistung von 60 bis 80 kW installiert sind.

Sie sind verbunden mit jeweils zwei Wetterstationen, unscheinbaren Edelstahlsäulen, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit messen und damit bei Bedarf die Heizung anwerfen. Einen Blick darauf, ob alles funktioniert, haben zwei Bahnmitarbeiter, die im Stellwerk „Kaf“ sitzen, einem versteckten Gebäude zwischen Buschweg und Bahngleisen. Sie kontrollieren auf 20 Bahnstrecken-Kilometern alle Signale und Weichen und verfügen über entsprechende Video-Überwachung.

Der Schnellbremsmagnet am Ende des Bahnhofs Kamen. wird dieser bei Gefahr aktiviert, geht jeder Zug in die Eisen.

Der Schnellbremsmagnet am Ende des Bahnhofs Kamen. Wird dieser bei Gefahr aktiviert, geht jeder Zug in die Eisen. © Carsten Janecke

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Schnellbremsmagnet stoppt Züge bei Gefahr

Im gemessenen Schwellenmaßschritt geht es weiter – und der Bahnhof Kamen ist schon in Sicht, jene Bahnsteige, die man von hier aus sonst nicht erreicht. Auffällig ein großer Metallbolzen, der direkt neben den Schienen steht. „Das ist ein Schnellbremsmagnet“, erläutert Wirth. „Egal, wie sehr der Zugführer auf die Tube drückt, wenn der angeht, dann geht nichts mehr.“ Damit kann in Notfällen reagiert werden, beispielsweise um Kollisionen zu verhindern.

Und Stopp ist auch für diesen Spaziergang über Kamens Schienen. Schade, so schnell wird das nicht wieder möglich sein.

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