Die „Clepsydra-Bühne" der Künstlerinnen Camae Ayewa und Rasheedah Phillips schwimmt auf der Fulda.

Die „Clepsydra-Bühne" der Künstlerinnen Camae Ayewa und Rasheedah Phillips aus Philadelphia, die als Black Quantum Futurism zusammenarbeiten, schwimmt auf der Fulda. © dpa

Nicht verpassen: 10 Höhepunkte der documenta in Kassel

rnWeltkunstschau

Was darf man bei der documenta 15 nicht verpassen? Welche Überraschungen warten auf die Besucher? Und wo kann man nach dem Kunst-Marathon eine Pause einlegen? Unsere Autorin nennt 10 Höhepukte.

Dortmund

, 17.06.2022, 12:24 Uhr / Lesedauer: 3 min

1. Düster wie die Slums von Nairobi

Wer wenig Zeit hat, lässt das Fridericianum links liegen. Die documenta-Halle ist spannender. Schon vom weitem zu sehen ist der finstere Tunnel vor der Tür. Das Wajukuu Art Project hat die düsteren Wellblech-Ästhetik des Slums „Lunga Lunga“ in Nairobi nach Kassel importiert. Ein gewaltiges Kunstwerk aus Messern spiegelt Brutalität und Gewalt.

Das „Wajukuu Art Project" hat eine faszinierend düstere Installation im Eingang zur documenta-Halle gebaut.

Das „Wajukuu Art Project" hat eine faszinierend düstere Installation im Eingang zur documenta-Halle gebaut. © dpa

2. Über den Milchozean skaten

Ein Stück weiter öffnet sich in der Halle der Blick auf eine knallbunte Halfpipe. Die Anlage für Skater liegt in einem strahlend weißen Podest. Wer hätte das gedacht: Hier geht es um Milch – und um Bauern, die auch in Thailand in Schwierigkeiten stecken. „Die politische Situation ist unsäglich“, sagt die Berliner Künstlerin Christine Falk. Gemeinsam mit einem deutschen, einem kanadischen und thailändischen Kollegen haben sie als Kollektiv Baan Noorg Elemente des indischen Nationalepos Ramayana umgesetzt: Das Podest entspricht dem mythischen Milchozean. Eine Schildkröte – hier ist sie riesige, schwarz und aufblasbar – ist der Dämon, mit dessen Hilfe die Milch aufgequirlt und alles wieder gut wurde.

Das Kollektiv Baan Noog aus Thailand schuf eine Skater-Rampe in einem weißen Podest, das den mythischen Milchozean symbolisiert.

Das Kollektiv Baan Noog aus Thailand schuf eine Skater-Rampe in einem weißen Podest, das den mythischen Milchozean symbolisiert. © dpa

3. Die Altkleider sind zurück in Deutschland

Vor der Orangerie standen während der weltkunstschau schon oft prägende Kunstwerke. Diesmal ist das Werk „Return to Sender“ von The Nest Collective aus Ostafrika leider sehr an den Rand gerutscht. Der Betrachter steht fassungslos vor den riesigen Ballen aus Altkleidern und vor allem vor den Paketen aus Technik-Müll, den wir nach Kenia und in andere Teile Afrikas exportieren.

Die Installation „Return to Sender" des „The Nest Collective" steht auf der großen Karlswiese vor der Orangerie. Es kritisiert die Altkleiderschwemme in Afrika.

Die Installation „Return to Sender" des „The Nest Collective" steht auf der großen Karlswiese vor der Orangerie. Es kritisiert die Altkleiderschwemme in Afrika. © dpa

4. Idylle am Komposthaufen

Ein Komposthaufen kann doch keine Kunst sein, oder? Tatsächlich ist es dem argentinischen Trio „La Intermundiale Holobiente“ gelungen, in den Fuldaauen einen poetischen Ort zu schaffen, an dem Ballons das Bild eines Waldes im Wald schweben lassen. Hier soll „Das Buch der 10.000 Dinge“ entstehen. Leider ein ganz schöner Fußmarsch.

Kompost oder Kunst? Die Arbeit des argentinischen Trios „La Intermundiale Holobiente“.

Kompost oder Kunst? Die Arbeit des argentinischen Trios „La Intermundiale Holobiente“. © Bettina Jäger

5. Folterkammer unter dem Rondell

Wem das zu weit draußen ist, geht stattdessen von der Orangerie nach Norden zum „Rondell“. Unter dieser imposanten Festungsanlage hat die Künstlerin Nguyen Trinh Thie eine ehemalige Folterkammer inszeniert – gruselig, stockdunkel und kühl.

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Die Chilipflanzen sind ein Symbol der Freiheit. Gegenüber schwimmt die „Clepsydra-Bühne“ der Künstlerinnen Camae Ayewa und Rasheedah Phillips aus Philadelphia, die als „Black Quantum Futurism“ zusammenarbeiten, auf der Fulda.

Tief unter einer Festungsanlage befindet sich die Installation von Nguyen Trinh Thi. Hier ist es richtig kühl.

Tief unter einer Festungsanlage befindet sich die Installation von Nguyen Trinh Thi. Hier ist es richtig kühl. © dpa

6. Pause!

Zeit für eine Pause: Der schönste Biergarten der documenta liegt schon auf der östlichen Seite des Flusses. Davor schwimmen Blumenbeete. Im Angebot sind herzhafte Kleinigkeiten und Kuchen.

Idylle am Bootsverleih „Ahoi“. Hier gibt es Snacks und Kuchen.

Idylle am Bootsverleih „Ahoi“. Hier gibt es Snacks und Kuchen. © Bettina Jäger

7. Ein Projekt mit Spaziergang

Hier beginnt auch der Rundweg „Eine Landschaft“ des Düsseldorfer Ausstellungsmachers Markus Ambach. Die Nummer 1 befindet sich am Ahoi. Folgt man der blauen Linie etwa eine Stunde lang, erlebt man viele spannende Projekte wie eine solidarische Landwirtschaft – und landet wieder am Ahoi. Bei schönem Wetter wunderbar.

Der Spaziergang namens „Eine Landschaft“ führt auch zu dieser Flugzeugtreppe mitten in einem Feld. Sehr entspannend bei schönem Wetter.

Der Spaziergang namens „Eine Landschaft“ führt auch zu dieser Flugzeugtreppe mitten in einem Feld. Sehr entspannend bei schönem Wetter. © Bettina Jäger

8. Das Hallenbad Ost ist überwältigend

Überhaupt spielt die Musik bei dieser documenta im Kasseler Osten, denn der soll aufgewertet werden. Die Bilder der Gruppe Taring Padi im ehemaligen Hallenbad Ost sind dermaßen knallbunt, dass einem die Kinnlade herunterklappt.

Die Künstler wehren sich gegen die „unerbittliche Gier des Kapitalismus“ – und malen viele geballte Fäuste. Die Fantasie und Farbenwelt machen den Ort aber überwältigend und sehenswert.

Die riesigen Bilder im Hallenbad Ost sind wirklich überwältigend. Das Gebäude steht schon seit Jahren leer.

Die riesigen Bilder im Hallenbad Ost sind wirklich überwältigend. Das Gebäude steht schon seit Jahren leer. © dpa

9. Krieger in St. Kunigundis

Ein Stück weiter liegt die Kirche St. Kunigundis. Die Künstler von Atis Rezistans/Ghetto-Biennale aus Haiti haben im schönen Kirchenraum grässliche Krieger aus Altmetall aufgestellt – eine Mahnung gegen Gewalt, die starke Emotionen erzeugt.

Grässliche Krieger-Wesen bedrohen die Besucher in St. Kunigundis.

Grässliche Krieger-Wesen bedrohen die Besucher in St. Kunigundis. © Bettina Jäger

10. Das Hübner-Areal ist beeindruckend

Wie eurozentriert unser Blick auf die Kunst ist, macht das Hübner-Areal auf den ersten Blick deutlich. In den Fabrikhallen jagt ein Wow-Effekt den nächsten – von einem bitteren Werk zum Alltag der Flüchtlinge in Dänemark bis zu einer wunderschönen Puppenwand.

Die Fabrikhallen des Hübner-Areals sind eine zentraler Ausstellungsraum. Der von der Industrie geprägte Kasseler Osten soll auch noch nach der documenta aufgewertet werden.

Die Fabrikhallen des Hübner-Areals sind eine zentraler Ausstellungsraum. Der von der Industrie geprägte Kasseler Osten soll auch noch nach der documenta aufgewertet werden. © dpa

Übrigens: Wer nur einen Tag zur Verfügung hat, wird all dies nicht schaffen. Dann ist der Kasseler Osten in Kombination mit der documenta-Halle in der Stadtmitte zu empfehlen (Tickets auch im Hübner-Areal, 10-18 Uhr).