Zahl der Pleiten bei Pflegeeinrichtungen explodiert Heime, Kurzzeitpflege, ambulante Dienste

Zahl der Pleiten bei Pflegeeinrichtungen explodiert: Heime, Kurzzeitpflege, ambulante Dienste
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Es sind erschreckende Zahlen, die das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium jetzt zusammentrug. Danach mussten im vergangenen Jahr 130 Pflegeeinrichtungen in NRW Insolvenz anmelden. Das sind exakt fünfmal so viele wie ein Jahr zuvor, 2022. Damals traf es 26 Einrichtungen, die nicht mehr zahlungsfähig waren.

Diese Zahlen gehen aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Thorsten Klute (SPD) hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach – Zahlen von 2022 in Klammern – mussten im vergangenen Jahr in NRW 48 (7) vollstationäre und 30 (3) teilstationäre Pflegeeinrichtungen Insolvenz anmelden. Hinzu kamen fünf Kurzzeitpflegeeinrichtungen (1) und 47 (15) ambulante Dienste.

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) betont in seiner Antwort, dass „in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle die gemeldeten Fälle nicht zu Schließungen der Leistungsangebote und einem damit verbundenen Wegfall von Plätzen in der stationären Pflege geführt haben, da die Einrichtungen von anderen Betreiberinnen und Betreibern übernommen wurden und weitergeführt werden.“

Zahlen dazu, wie viele Pflegeplätze denn tatsächlich durch Insolvenzen im vergangenen Jahr weggefallen sind, nennt Laumann nicht.

Dabei führen längst nicht nur Insolvenzen zur Schließung von Pflegeeinrichtungen. Beispielsweise stellte die AWO zum Ende des Jahres ihren Ambulanten Pflegedienst in Dortmund ein. Das Mathias-Spital in Rheine kündigte erst in dieser Woche an, seine Kurzzeitpflege in Ochtrup zu schließen. Begründung in beiden Fällen: Es sei schlichtweg unmöglich, geeignetes Personal zu finden.

„Noch so ein Jahr und die Lichter gehen aus“

Auch der Arbeitgeberverband Pflege teilt die Einschätzung von Karl-Josef Laumann nicht. Deren Präsident Thomas Greiner sprach erst vor wenigen Tagen von bundesweit 800 Insolvenzen und Schließungen von Pflegeeinrichtungen im Jahr 2023. Greiner monierte eine „systematisch unzureichende Vergütung von Pflegeeinrichtungen“ und sagte: „Noch so ein Jahr wie das letzte und in der Altenpflege gehen die Lichter aus.“

Ende November hatte der Landtag bereits über das Problem diskutiert. Seinerzeit hatte Minister Laumann gesagt: „Die Pflegeverbände (...) haben

teilweise ein Riesenproblem, bei den Pflegekassen ihre Leistungen anerkannt zu bekommen. Es ist nicht in Ordnung, dass das nicht läuft.“ Laumann versprach, sich darum zu kümmern, notfalls mit „etwas Zoff in der Bude“.

Passiert aber sei nichts, beklagt der SPD-Landtagsabgeordnete Thorsten Klute. „Die Lage ist an Dramatik kaum noch zu überbieten“, sagt er. Auch ohne Insolvenz müssten viele Einrichtungen schließen, weil es einfach kein Personal gebe. „Wenn Sie beispielsweise eine Einrichtung mit 100 Plätzen haben, aber nur Pflegekräfte für 85, dann haben Sie ein echtes Problem. Sie müssen zwar weniger Pflegekräfte bezahlen, aber die anderen Kosten bleiben ja.“

Eine Pflegevollversicherung, wie Laumann sie fordere, sagt Klute, sei gut und das unterstütze auch die SPD, aber so werde das Personal-Problem nicht gelöst. Und wenn die Angehörigen noch stärker in die ambulante Pflege eingebunden würden, tue sich ein neues Problem auf: „Wir haben ja überall Fachkräftemangel. Wenn die Menschen ihre Angehörigen daheim pflegen, fehlen sie an einem anderen Arbeitsplatz.“

„Für mich ist das eine umgedrehte Triage“

Wie ernst die Lage inzwischen ist, machte kürzlich Christian Westermann deutlich. Der Leiter eines Pflegedienstes in Mülheim an der Ruhr mit 54 Mitarbeitern und rund 400 Patienten sagte in einem Interview mit der Pflegefachzeitschrift „Die Schwester, der Pfleger“, er müsse täglich drei bis vier Patienten ablehnen, weil einfach das Personal fehle.

„Für mich ist das eine umgedrehte Triage“, sagte Westermann. Was er damit meint, ist dieses: Reichen die Ressourcen in einem Krankenhaus nicht, um alle zu behandeln, wird entschieden: Bei wem ist es am dringendsten, wer benötigt unbedingt und sofort eine Behandlung? „In der nachstationären Versorgung ist es so, dass immer mehr ambulante Dienste aufgrund von Personalknappheit Patienten mit aufwendigerem Versorgungsbedarf (...) ablehnen müssen. Gerade diese Patienten benötigen aber professionelle Betreuung“, sagt Westermann in dem Interview.

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