Pflegeheime, Tagespflege und ambulante Pflegedienste Welle von Insolvenzen rollt durch NRW

Pflegeheime, Tagespflege und ambulante Pflegedienste: Welle von Insolvenzen rollt durch NRW
Lesezeit

Neue Zahlen aus dem nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium geben Anlass zur Sorge. Die Zahl der Pflegeheime, Tagespflegeheime und ambulanten Pflegedienste, die Insolvenz anmelden mussten, ist drastisch gestiegen.

Im vergangenen Jahr 2022 meldeten 7 vollstationäre Pflegeeinrichtungen in NRW Insolvenz an. Allein in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres waren es allerdings mit 10 zahlungsunfähigen Pflegeheimen schon mehr als im ganzen vergangenen Jahr.

Bei den teilstationären Pflegeeinrichtungen, zu denen auch die Tagespflege zählt, sind die Zahlen noch drastischer. Im Jahr 2022 wurden drei Insolvenzen gezählt. In den nur drei Monaten von Januar bis März 2023 waren es dagegen mit 7 Insolvenzen schon mehr als doppelt so viele wie im ganzen vergangenen Jahr.

Und bei den ambulanten Pflegediensten ist die Entwicklung ebenfalls besorgniserregend. 2022 meldeten 15 ambulante Dienste Insolvenz an. Von Januar bis März 2023 folgten bereits 10 Dienste in die Insolvenz. Bleibt diese Entwicklung konstant, stünden am Ende dieses Jahres 40 Dienste vor dem Aus.

Vor 2022 stieg die Zahl der Pflegeeinrichtungen, aber seitdem...

Diese Zahlen gehen aus einer Antwort des NRW-Gesundheitsministeriums vom 12. Juni auf eine Kleine Anfrage an die Landesregierung hervor. Die Fragen zur Pflegesituation hatten die beiden AfD-Landtagsabgeordneten Markus Wagner und Martin Vincentz gestellt.

In den Jahren vor 2022, auch das teilt das NRW-Ministerium in seiner Antwort mit, sei die Zahl der Pflegeangebote in NRW deutlich ausgebaut worden. So sei die Zahl der Heime mit vollstationärer Dauerpflege zwischen 2013 und 2021 von 2.098 auf 2.244 kontinuierlich gestiegen. Die Zahl der Plätze habe sich in diesem Bereich von 181.670 auf 196.252 erhöht.

Auch bei den ambulanten habe es einen starken Anstieg von 2.377 im Jahr 2013 auf 3.194 gegeben.

Auf die Frage, wie viele Pflegeplätze aufgrund von Personalmangel in den vergangenen fünf Jahren abgebaut wurden, antwortet NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann so: „Nach Einschätzung der Landesverbände der Pflegekassen in Nordrhein-Westfalen hat der bestehende Personalmangel, insbesondere in der stationären Pflege, teilweise dazu geführt, dass einzelne Einrichtungen die Anzahl von Pflegeplätzen zumindest teilweise reduziert haben.“

Heimaufsicht verhängt Belegungsstopp, wenn zu viel Personal fehlt

Grund für die Platz-Reduzierung sei „häufig ein Belegungsstopp durch die örtliche WTG-Behörde“ gewesen. WTG ist die Abkürzung für Wohn- und Teilhabe-Gesetz, die „WTG-Behörde“ nannte man früher schlicht Heimaufsicht. Wenn aber Plätze nicht belegt werden dürfen, weil Personal fehlt, senkt das die Rentabilität einer Einrichtung.

Hinzu kommen zwei weitere Faktoren: Zum einen hat die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise nicht nur die Preise für Strom und Gas in die Höhe getrieben. Zum anderen haben die Aufwendungen für die Infektionsschutz-Maßnahmen während der Corona-Pandemie zu erheblichen Belastungen geführt.

All das zusammen kann einen Pflegeanbieter in existentielle wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen.

Pleite-Trend erfasst ganz Deutschland

Der Pleite-Trend ist übrigens nicht auf NRW beschränkt. Bundesweit haben seit Beginn des Jahres unter anderem mehrere große Pflegeketten Insolvenz angemeldet. Den Heimen von Anbietern wie Curata, Convivo und die Dorea-Familie droht der Verkauf, schlimmstenfalls auch die Schließung. Es geht um mehrere hundert Einrichtungen.

Wie kritisch speziell die Personallage im Pflegebereich inzwischen ist, hatte die Landesregierung erst vor wenigen Tagen gegenüber unserer Redaktion erklärt. Demnach fehlen 23.763 Pflegefachkräfte in Nordrhein-Westfalen: 13.502 im Bereich der Krankenpflege, 1.451 in der Kinderkrankenpflege und 8.810 in der Altenpflege.

Und die Zahl der Menschen, die eine Pflegeausbildung beginnen, ist zu allem Überfluss im vergangenen Jahr auch noch gesunken: von 15.711 im Jahr 2021 auf 14.298 im Jahr 2022

Gleichzeitig hat sich die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Lag ihre Zahl im Dezember 2017 noch bei 422.849, ist ihre Zahl bis Ende 2021 auf 1.191.981 Betroffene angestiegen – ein Anstieg um 182 Prozent.

Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland

Um Pflegekräfte zu gewinnen, haben erst vor wenigen Tagen Außenministerin Annalena Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil in Brasilien die Werbetrommel gerührt. Solche Anwerbeprogramme gibt es schon seit Jahren.

Auf Anfrage unserer Redaktion berichtete das NRW-Gesundheitsministerium, dass in den vergangenen fünf Jahren 3.831 Menschen im Ausland für einen Pflegeberuf angeworben worden seien. Wie viele von ihnen die Eingliederung in Deutschland erfolgreich absolviert und wie viele sie abgebrochen haben, darüber lägen dem Ministerium keine Daten vor, berichtete ein Sprecher.

Das Bundesgesundheitsministerium berichtete auf Anfrage unserer Redaktion, dass seit dem Inkrafttreten des „Fachkräfteeinwanderungsgesetzes“ 2020 rund 2.000 Pflegekräfte und knapp 1.000 Auszubildende im außereuropäischen Ausland angeworben worden seien. Zudem, so ein Sprecher des Ministeriums, gehe man davon aus, dass das neue Programm „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ Erfolg haben werde. Man rechne bis Ende des Jahres mit rund 1.500 zusätzlichen Pflegekräften, vor allem aus den Philippinen, aus Mexiko und Indien.

Wo Deutsch zum Problem wird und welche Lösungen es gibt

Aus Pflegeschulen wird berichtet, dass aus dem Ausland stammende Auszubildende nicht immer über wirklich so gute Deutschkenntnisse verfügen, dass sie dem Unterricht problemlos folgen könnten – selbst, wenn sie das formale Deutsch-Zertifikat erworben haben.

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums verweist dazu auf diverse Integrations- und Berufssprachkurse, die das Arbeits- und das Innenministerium des Bundes anböten.

Das NRW-Gesundheitsministerium erinnert zudem an einen weiteren Weg, wie solche Bewerberinnen und Bewerber vor dem Start der Ausbildung ihre Deutsch-Kenntnisse zusätzlich optimieren könnten: „Der Bundesfreiwilligendienst oder das freiwillige soziale Jahre stehen frei zur Verfügung. Beide werden von Migrantinnen und Migranten auch schon heute genutzt und sind finanziert.“

Tausende Pflegekräfte fehlen, Zahl der Pflegebedürftigen steigt: Die Zahl der Pflege-Azubis aber sin

Jeder dritte Mann schlägt seine Frau und findet das okay: Was dahinter steckt und jetzt getan werden

Auswirkungen der Heizung-Einigung: Was das für Hausbesitzer und Mieter bedeutet