
© Anna Gemünd
Zahl der Einbürgerungsanträge von Briten in Unna sprunghaft gestiegen
Zeit bis zum Brexit wird knapp
Der Brexit ist im Unnaer Bürgerservice angekommen: Die Zahl der britischen Staatsbürger, die sich um die deutsche Staatsbürgerschaft bemühen, ist sprunghaft angestiegen. Und Briten, die noch mit Gedanken spielen, vor dem Brexit am 29. März 2019 eingebürgert zu werden, sollten sich beeilen.
„In den vergangenen 25 Jahren kann ich mich nicht erinnern, je einen Briten eingebürgert zu haben.“ – Rainer Zech muss es wissen: Seit 27 Jahren arbeitet er im Bürgerservice und ist zuständig für alle Fragen rund um die Einbürgerung. Und er stellt fest: „Es kommen in letzter Zeit auffallend viele Briten zu uns, die die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen wollen.“ Die Zahlen bestätigen dies: Von den 82 Menschen, die 2017 in Unna die deutsche Staatsbürgerschaft erhielten, stammen acht aus dem Vereinigten Königreich – damit führen die Briten die Statistik an.
Und auch der Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt: Der Strom einbürgerungswilliger Briten reißt in Unna nicht ab. Schon vier haben in diesem Jahr einen deutschen Pass erhalten; weitere sieben Anträge sind bereits gestellt. Nie zuvor gab es in Unna so viele Anträge von Briten, die deutsche Staatsbürger werden wollen. „Normalerweise sind die Briten bei uns nicht die klassische Einbürgerungsgruppe“, sagt Rainer Zech.
Schlagartiger Anstieg der Anträge nach dem Referendum 2016
Mit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 änderte sich dies schlagartig. „Tatsächlich kamen danach plötzlich Anfragen von Briten, die sich beraten lassen wollten“, erzählt Zech. Seine Kollegin Jasmin Gorka erlebt in Beratungsgesprächen, dass sich viele Briten große Sorgen machen, was passieren wird, wenn der Brexit am 29. März 2019 vollzogen wird. „Sie fragen, ob sie dann zur Ausländerbehörde müssen und ob sie damit rechen müssen, ausgewiesen zu werden. Bis jetzt gilt für sie als EU-Bürger ja die Freizügigkeit, aber wie sich das nach dem 29. März darstellen wird, ist ja alles noch nicht geklärt“, berichtet sie.
Bei den meisten Briten, die sich in den vergangenen Monaten in Unna einbürgern ließen oder aktuell gerade entsprechende Anträge gestellt haben, handele es sich um Männer in einem Alter ab 55 Jahren, sagt Rainer Zech. „Das sind in aller Regel ehemalige Soldaten der britischen Rheinarmee“, so Zech. Sie seien oft durch ihre Ehepartner und Familien so in Deutschland verwurzelt, dass sie seit Jahren hier leben. „Da sorgt der Brexit für ganz simple logistische Fragen: „Wenn ein britischer Ex-Soldat mit seiner deutschen Frau und Kindern nach dem Brexit in den Urlaub in ein anderes EU-Land reist, wie läuft das dann bei der Einreise? Muss der Vater dann durch eine Kontrolle, während der Rest seiner Familie einfach einreisen kann? Mit einem deutschen Ausweis genieße ich in der EU Reisefreiheit, aber welche Dokumente oder sogar auch Visa ein Brite nach dem Brexit braucht, ist noch nicht geklärt. Das sorgt für große Verunsicherung“, beschreibt Jasmin Gorka das Dilemma der Briten, mit denen sie im Unnaer Bürgerservice Beratungsgespräche führt.
Insgesamt sei spürbar, das bestätigen sowohl Zech als auch Gorka, dass die in Unna lebenden Briten mit der Brexit-Entscheidung sehr unglücklich seien. „Viele sagen, dass ihnen die Konsequenzen in Gänze gar nicht bewusst gewesen wären“, meint Gorka.
Sauerländerin, Jahrgang 1986. Dorfkind. Liebt tolle Geschichten, spannende Menschen und Großbritannien. Am liebsten draußen unterwegs und nah am Geschehen.
