Wildes Kamelrennen oder Eisenbahn-Konstruktion

Spiele-Sieger im Vergleich

Kamele oder Eisenbahnen – die Wahl des Transportmittels ist nur der kleinste Unterschied zwischen den beiden preisgekrönten Brettspielen 2014. Die Sieger des „Deutschen Spielepreise“ und des „Spiel des Jahres“ könnten unterschiedlicher kaum sein. Und doch lohnt es sich, beide im Haus zu haben. Ein Vergleich.

von Benedikt Reichel

DORTMUND/ESSEN

, 08.11.2014, 09:23 Uhr / Lesedauer: 3 min

Eingefleischte Spiele-Fans  sollten sich von „Camel Up“ aus der Feder des deutschen Spieleautors Steffen Bogen und auch von der Bezeichnung „Familienspiel“ nicht abschrecken lassen. Dieses verrückte Kamel-Rennen hat es in sich und sorgt für beste Unterhaltung – vor allem mit mehreren Spielern. „Das wilde Rennen löst Emotionen aus, es wird in allen Altersklassen gehofft, gebangt und gelacht“, sagt die Jury und wählte „Camel Up“ zum „Spiel des Jahres 2014“.

Mitten in der Wüste kommen bis zu acht Spieler auf der Rennbahn zusammen, um mit geschickt platzierten Wetten ihr schmales Vermögen aufzubessern. Dabei gilt: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Reicht wird man nicht, aber das Spiel erlaubt auch keine Verschuldung.

Halbe Stunde bis zum nächsten Rennen

Nach mehreren Runden, und circa 20 bis 30 Minuten nach dem Start, schafft es eines der fünf Kamele über die Zielgerade und beendet damit  das Rennen. Gewettet werden kann auf das Führungskamel einer jeden Runde und natürlich auf den Gesamtsieger, das „tolle Kamel“ – sowie auf das „olle Kamel“, das ganz hinten liegt. Für richtige Wetten gibt es ein paar ägyptische Pfund. Wer daneben liegt, zahlt. Der Sieger hat nach Spielende die höchsten Wetteinnahmen – und muss sich höchstwahrscheinlich einer Revanche stellen.

Kein Problem: Dieses kurzweilige Spiel kann gut über drei, vier, fünf Partien gezockt hintereinander werden. Die Regeln sind so erfrischend leicht, dass der Verlag Eggertspiele vom vierseitigen Regelheft eigentlich nur drei Seiten für Erklärungen braucht und diese auch noch umfassend bebildern kann.

Gestapelte Kameltürme

Die fünf Kamele werden über jeweils gleichfarbige Würfel bewegt, die nacheinander aus einer Pyramide purzeln, die mitten auf dem Spielbrett thront. Der Glücksfaktor ist enorm. Doch Glück und Pech treffen die Spieler gleichermaßen, da man nicht mit einem eigenen Kamel das Rennen bestreitet, sondern lediglich den bestmöglichen Zeitpunkt für eine Wette abpassen muss. Am besten dann, wenn der Runden- beziehungsweise Endsieger fast sicher ist, die anderen Spieler aber noch mit dem Wetten zögern.

Wer sich als erstes traut, hat den höchsten Gewinn. Verrückt und unberechenbarer wird „Camel Up“, weil Kamele auf demselben Feld nicht nebeneinander sehen bleiben, sondern aufeinandergestapelt werden – und Kamele auf dem Rücken eines anderen Kamels mitgetragen werden. „Eins-vor“- und „eins-zurück“-Plättchen, die von den Spielern auf der Rennstrecke platziert werden können, sorgen für zusätzliches Chaos – und bringen zugleich ein strategisches Element ins Spiel.

Fazit: leicht, kurzweilig, preisgünstig. Unfassbar wie schön man sich bei „Camel Up“ gemeinsam freuen und ärgern kann, wie viel Spaß dieses Spiel auch Erwachsenen macht, dass es ebenso für Kinder geeignet ist und für gerade Mal 18 Euro im Laden steht. Die Regeln sind schnell auch im Detail erklärt und nach der ersten Runde, hat jeder begriffen, wie das Kamel läuft. Das folgende Video erklärt die Regeln des Spiels.

Von Glücksspiel zur knallharten Strategie

Anders „Russian Railroads“ von Helmut Ohley und Leonhard Orgler. Schon der Karton ist schwerer, es gibt deutlich mehr Spielmaterialien und das mehr als 20-seitige Regelheft deutet bereits an, dass der erste Platz der Publikumsauszeichnung „Deutscher Spielepreis“ eine komplexere Spielstruktur hat. Doch das ist kein Grund sich davon abschrecken zu lassen. Wer sich einmal durchs Regelheft gearbeitet und die erste Partie vollendet hat, wird „Russian Railroads“ immer wieder aus dem Schrank holen und feststellen, wie beeindrucken vielschichtig der Bau einer Eisenbahnstrecke sein kann. Denn viele Gleise führen zum Ziel, viele Strategievarianten ermöglichen es, die eigene Figur auf der Punkteleiste voranzutreiben und am Ende das Spiel zu gewinnen. Je nachdem mit wie vielen Spielern man unterwegs ist, dauert die Partie etwa 70 bis 120 Minuten.

Gleisbau mit einer Handvoll Arbeitern

Auf drei Strecken von Moskau aus betreibt jeder Spieler den Gleisausbau auf seinem eigenen kleinen Spielplan. Dafür stehen ihm eine Handvoll Arbeiter zur Verfügung, die reihum auf dem Haupt-Spielplan platziert werden, um verschiedene Aktionen auszuführen. Leichter gesagt, als getan. Denn fast jedes Aktionsfeld darf nur von einem Arbeiter besetzt sein. Zwar gibt es beispielsweise viele Aktionsfelder für den Gleisausbau, doch der Preis steigt. War der Mitspieler schneller, ist so mitunter umdenken angesagt. Diese Interaktion zwischen den Spieler sorgt für jede Menge Abwechslung und Spannung und wirbeln den eigenen – ach so sicheren – Plan kräftig durcheinander. Ob der Mitspieler die eigenen Pläne nun absichtlich oder zufällig durchkreuzt, bleibt sein Geheimnis. Zum Glück führen viele Gleiswege zu Punkten.

Gespielt wird über sechs Runden. Nach jeder Runde wird gewertet und mit jeder Runde steigen die Punkte, die man sich verdient, weil die Gleise inzwischen besser, die Schienen länger und die Loks kraftvoller sind. Bleibt anfangs noch die Frage, warum die Punkteleiste 100 Zähler aufweist und man selbst nach Runde eins nur magere fünf Schritte vorwärts gehen durfte, summieren sich die Punkte bis Spielende leicht auf 200, ja auch 300 Punkte und mehr zusammen.

Regelwerk optimal konzipiert

Trotz umfangreichem Regelwerk ist die Anleitung zügig zu lesen und gut zu verstehen. Tipp: Zunächst nicht alles hinterfragen. Denn am Ende ergibt sich das Gesamtbild. Der schön gestaltete Spielplan gibt zudem bildlich alle wichtigen Regeln wieder. Ist das Grundprinzip des Spiels verstanden, kann die Anleitung getrost im Karton bleiben.

Fazit: Für den einmaligen Spieleabend mit Neulingen ist „Russian Railroads“ sicherlich nicht das richtig. Spielfreunde werden mit dem 1. Platz des „Deutschen Spielepreises“ aber große Freude habe. Das Tüfteln, wie man nun am besten noch mehr Punkte machen kann, lockt zur nächsten und übernächsten Partie. Die Möglichkeiten scheinen endlos. Wenn einem nicht wieder einer der bis zu drei Mitspielern dazwischenfunkt. Preis: knapp 40 Euro. Das folgende Video erklärt die Regeln des Spiels "Russian Railroads". 

Schlagworte: