Wie ein Elfjähriger die Oper „Hänsel und Gretel“ kritisiert
Aalto-Musiktheater
Das Märchen „Hänsel und Gretel“ von den Brüdern Grimm kennt jedes Kind. Aber kommt die gleichnamige Märchenoper von Engelbert Humperdinck auch gut an? Wir haben den Kinder-Check gemacht.

Unser „Nachwuchs-Kritiker“ Juri hat sich die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ angesehen und sie auf Kindertauglichkeit überprüft. Foto Saad Hamza
Zwei mutige Kinder, eine böse Hexe und ein Abenteuer im Wald – „Hänsel und Gretel“ ist wie gemacht für eine Oper für die ganze Familie in der Vorweihnachtszeit. In der Essener Aalto-Oper hat die Oper von Engelbert Humperdinck am 5. November Premiere gefeiert und steht noch bis Januar auf dem Spielplan. Beim Kartenkauf muss man allerdings schnell sein, weil es schon jetzt für einige Vorstellungen nur noch Restkarten gibt.
Nachdem unser Kritiker die Premiere beurteilt hatte, haben wir nun den Hänsel-und-Gretel-Kinder-Check gemacht: Der elfjährige Juri aus Dortmund war in der Vorstellung am vergangenen Freitag und hat bei „Hänsel und Gretel“ in der Aalto-Oper genau hingeguckt und zugehört.
Was Juri an der Familienoper gefallen hat und was er weniger schön fand, hat er für uns aufgeschrieben:
Das Bühnenbild
Alle drei Bühnenbilder haben die Stimmungen gut vermittelt. Das Kinderzimmer von Hänsel und Gretel sieht sehr realistisch aus – so wie im richtigen Leben. Auf die Idee, aus dem Spieltisch mit einem Tuch einen Herd zu machen, muss man erst mal kommen. Im zweiten Bühnenbild sind Hänsel und Gretel im Wald angekommen.

Alle drei Bühnenbilder trafen den Geschmack von Juri. Foto Saad Hamza
Die großen Erdbeeren und riesigen Kekse passen super zu der Märchenwelt. Ohne diese fantasievolle Kulisse hätte ich den Umschwung zwischen realer und Märchenwelt nicht so deutlich wahrgenommen. Besonders schön ist der Sternenhimmel. Wenn die Lampen angehen, sieht es so aus, als würden die Sterne funkeln.
Die Hexenstube kann mit einem Aufzug hoch- und runtergefahren werden. Das ist ziemlich cool, so gibt es viele verschiedene Ebenen. Während Hänsel oben im Käfig hängt, kann Gretel im Haushalt helfen. Außerdem wird durch die düstere Umgebung die gruselige Atmosphäre im Hexenhaus rübergebracht. Besonders der Backofen ist gut gemacht, weil er schön groß ist und die Kinder gut reinpassen.
Die Sänger
Der Hänsel wird in dieser Oper von Engelbert Humperdinck von einer Frau gespielt und die Hexe von einem Mann. Beides hat aber super gepasst. Hänsel hat sich sehr jungenhaft bewegt. Auch bei der Hexe ist es gar nicht wirklich aufgefallen, dass es ein Mann ist. Die beiden Geschwister haben sich immer ausgelassen und kindlich bewegt, das hat mir gut gefallen. Die Fee fliegt förmlich mit einer Leichtigkeit über die Bühne. Ihre Gesten haben etwas Beschwingtes.

Von den Sängern war Juri begeistert. Foto Saad Hamza
Die Inszenierung
Wenn ich an „Hänsel und Gretel“ denke, gehören für mich zwei Szenen dazu: Wie die Geschwister knusper-knusper-knäuschen am Knusperhäuschen naschen und wie Hänsel mit Steinen oder Brotkrümeln den Weg nach Hause legt.
Die Aktion mit den Steinen habe ich komplett vermisst. Und mir hat das Bild von einem großen, schönen Knusperhäuschen gefehlt. Außerdem habe ich das Zauberbuch nicht erkannt. Hätte ich im Programmheft nicht nachgelesen, wüsste ich nicht, dass es das Tor zur Märchenwelt sein soll.

Die überdimensionalen Kekse haben Juri eher an Matratzen als an die knusprigen Naschereien erinnert. Foto Saad Hamza
Genauso ging es mir bei den Keksen. Nur weil ich gelesen habe, dass es welche sein sollen, habe ich es erkannt. Sonst hätte ich sie für Matratzen gehalten. Manchmal habe ich den Sinn nicht ganz verstanden. Dass Hänsel und Gretel erst normale Geschwister sein sollen und dann in die Märchenwelt geraten. Oder dass ihre Eltern aus dem Märchenbuch kommen und dann die Bösen sind, finde ich komisch und konnte ich nicht nachvollziehen. Der Einfall, Hänsel nicht in einen Käfig, sondern in eine Prinzenrolle zu stecken, hat mich nicht überzeugt.
Die Kostüme
Die Kostüme haben eine gute Mischung: Sie sind fantasievoll, trotzdem kann man erkennen, was sie darstellen. Herausragend sind die Kostüme der Hexe und der lustigen Waldfee. Die Hexe hat Schuhe an, die vorne nach oben gebogen sind. So stelle ich mir Hexen-Schuhe vor. Auch die Frisur ist cool, weil sie gut zu ihr gepasst hat. Alles sehr stimmig. Das abstehende Röckchen der Waldfee sieht richtig nach Feen-Kleidung aus.

Die Kostüme hatten nach Juris Geschmack die richtige Mischung aus Fantasie und Realität. Foto Saad Hamza
Die Musik
Die Musik war kraftvoll und stimmungsvoll. Sie hat immer super zu den Szenen gepasst und mir sehr gut gefallen. Manchmal war sie allerdings ein bisschen laut, sodass man den Gesang nicht so gut verstehen konnte. An sich ist der Gesang jedoch sehr schön. Aber ohne den Text, der oben angezeigt wurde, hätte ich viele Stellen nicht verstanden. Ich frage mich, wie das Kinder machen, die noch nicht lesen können.

Die Musik war nicht nur kraft- und stimmungsvoll, sondern passte nach Juris Empfinden auch gut zu den einzelnen Szenen. Foto Saad Hamza
Juris Fazit
Für meinen Geschmack weicht die Oper zu sehr vom Märchen ab. Aber die Kostüme und die Sänger haben mich sehr überzeugt. Was schön ist, ist, dass man mit einem guten Gefühl den Saal verlässt, weil die Inszenierung überhaupt nichts Düsteres hat, was in Märchen üblich ist. Die Hexe hat keine Angst verbreitet, sondern ist eher lustig. Auch die Waldfee mit ihren schwingenden Kochlöffeln hat meist gute Stimmung versprüht.
Das ist Juri:
Juri geht gerne ins Kino, war aber bislang nie in einer Oper. Er ist 11 Jahre alt und besucht die sechste Klasse des Helene-Lange-Gymnasiums in Dortmund. Wenn er nicht in der Schule ist oder sich mit Freunden trifft, läuft, schwimmt und radelt er im Triathlon-Verein. Die Aufführung hat Juri so gut gefallen, dass er auf jeden Fall wieder in eine Oper gehen würde – und das nicht nur, weil er von Hänsel Bonbons geschenkt bekommen hat.

Der elfjährige Juri hat sich für uns die Oper „Hänsel und Gretel angesehen“. Foto privat