Werkstatt-Chef aus Oer-Erkenschwick riskiert Verhaftung Es geht um ein Abendessen beim Italiener

Werkstatt-Chef (41) riskiert Verhaftung durch „verbotenes“ Abendessen
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Brisante Enthüllung im Prozess um Schwarzarbeit, Scheinrechnungen und einen mutmaßlichen Millionenschaden: Der Werkstattchef (41) aus Oer-Erkenschwick hat laut Staatsanwaltschaft gegen Auflagen verstoßen und sich mit zwei Mitangeklagten aus Recklinghausen und Bottrop privat getroffen. In einem Dattelner Restaurant. Und am Nebentisch saß ausgerechnet ein Steuerfahnder.

Das Treffen in dem italienischen Lokal wurde am Abend des 24. Mai beobachtet. Offenbar ohne es zu bemerken hatte sich das Angeklagten-Trio gegen 20.45 Uhr einen Tisch gesetzt, der sich im Rücken des Steuerfahnders befand, der als Vertreter der Finanzverwaltung an jedem Sitzungstag auch am „Schwarzarbeit-Prozess“ teilnimmt.

Der Fahnder war privat mit Freunden vor Ort, hatte die Angeklagten beim Betreten des Lokals aber offenbar sofort erkannt. Erst als er und seine Begleitung später gegen 22 Uhr das Restaurant verließen, sollen auch die drei Angeklagten auf ihn aufmerksam geworden sein. Eine Kontaktaufnahme blieb aber aus.

Geht es nach Staatsanwalt Klaus-Peter Kollmann, den der Steuerfahnder danach per E-Mail informierte, dann hat der Werkstatt-Chef durch das Treffen ernsthaft riskiert, dass sein Haftbefehl wieder aktiviert wird. Denn das Meeting sei ihm eigentlich streng verboten gewesen.

„Der Angeklagte hat gegen Ziffer 5 des Außervollzugsetzungsbeschlusses verstoßen“, verlas Richter Julian Möllers aus einem zur Akte gereichten Vermerk der Staatsanwaltschaft. Darin ist festgeschrieben, dass sich der 41-Jährige „jeglichem unmittelbaren oder mittelbaren Kontakt“ zu allen Mitangeklagten „strikt zu enthalten“ hat. Die übliche Folge für Verstöße ist laut Beschluss, dass der – aktuell gegen 100.000 Euro Kaution und Auflagen – ausgesetzte Haftbefehl, „wieder in Vollzug gesetzt wird“.

Gericht belässt es bei Ermahnung

Doch so weit wollten die Richter der 10. Strafkammer am Donnerstag (13.6.) letztlich dann doch nicht gehen.

Richter Julian Möllers beließ es am Ende bei einer Ermahnung des Werkstatt-Chefs, sah nicht zuletzt auch aufgrund dessen weitgehend geständigen Angaben keinen Anlass für eine neuerliche Inhaftierung.

Im weiteren Prozessverlauf skizzierte der polizeiliche Ermittlungsführer das aktuelle Schwarzarbeits-Verfahren als eine Art Zufallstreffer.

Der erste Hinweis sei seinerzeit von einem Häftling gekommen, der den Werkstatt-Chef wegen vermeintlicher „Autoschiebereien“ angeschwärzt habe. Während sich ein Tatverdacht in diese Richtung nicht verdichtet habe, seien nach geschalteter Telefonüberwachung irgendwann aber die Themen Schwarzarbeit, Scheinrechnungen und Millionenbetrug in einer Gleissicherungsfirma in den Fokus geraten.

Beweise für Schwarzarbeit

Nachdem in mitgehörten Telefonaten der Verdacht aufgekommen sei, dass die Angeklagten sich aufgeflogen fühlen und beginnen, Beweismittel zu vernichten, habe man eine Durchsuchung in Oer-Erkenschwick gestartet.

Und im weiteren Verlauf Beweise für verschleierte Betrügereien sammeln können, so der Ermittlungsführer.

Laut Anklage wurden durch überhöhte Rechnungen Auftragsgeber, durch Schwarzarbeit die Sozialversicherungskassen, durch Scheinrechnungen die Finanzkasse finanziell geschädigt. Gesamtschaden: mehr als zwei Millionen Euro.

Verteidiger Lars Brögeler hatte zu Beginn eine Erklärung im Namen des Werkstatt-Chefs verlesen. Darin hieß es unter anderem: „Ich möchte zugeben, dass die Vorwürfe der Anklage zu großen Teilen stimmen.“

Darüber hinaus verwies der 41-Jährige darin aber auch auf ein „bestehendes System“, in das er eingestiegen sei. Dass auf den Baustellen Schwarzarbeiter gearbeitet haben, habe er aber früher oder später gewusst.

Auch die Mitangeklagten aus Recklinghausen, Datteln, Herten und Bottrop haben bereits mehr oder weniger ihre Verstrickung in das Schwarzarbeit-System eingeräumt.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 14. Juni 2024.

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