Wenige Ergebnisse und viele Krawalle beim G20-Gipfel
Merkel trotzdem zufrieden
Zwei Tage und Nächte der Gewalt und Verwüstung in Hamburg: Vom G20-Gipfel werden vor allem Bilder brennender Barrikaden bleiben. Die politischen Ergebnisse sind dagegen bescheiden. Der Bundespräsident verteidigt die Ausrichtung des Gipfels in Deutschland.

Brav: Angela Merkel dankt den Einsatzkräften, die beim G20-Gipfel im Einsatz waren. Foto: Patrik Stollarz
Der erste G20-Gipfel in Deutschland ist über sein Ende hinaus von beispiellosen Krawallen überlagert worden und hat keine inhaltlichen Fortschritte in den zentralen Fragen gebracht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gelang es nicht, die anderen großen Wirtschaftsmächte beim Klimaschutz gegen US-Präsident Donald Trump zu vereinen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schlug sich nach dem Gipfel auf Trumps Seite, indem auch er das Pariser Klimaabkommen infrage stellte. Auch der Streit mit den USA um den Freihandel konnte nicht entschärft werden.
Merkel zeigte sich trotzdem zufrieden und sprach von „guten Ergebnissen“ in „einigen Bereichen“. Die Krawalle mit Hunderten Verletzten und schlimmen Verwüstungen in der Hamburger Innenstadt verurteilte die Kanzlerin aufs Schärfste. „Blindwütige Gewalt kann nicht geduldet werden.“ Die Kanzlerin versprach den Opfern schnellstmögliche Hilfe und Entschädigung.
Kritik an Standort Hamburg
Die CDU-Chefin geriet aber wegen der Wahl Hamburgs als Gipfelort in die Kritik. Viel stärker unter Druck ist Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Ihm wird vorgeworfen, die Sicherheitsrisiken unterschätzt zu haben. Scholz hatte den Gipfel unter anderem mit den jährlichen Hamburger Hafengeburtstagen verglichen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verteidigte die Ortswahl am Sonntag bei einem Besuch in Hamburg. „Ein demokratisch gefestigtes Land wie Deutschland sollte auch das Selbstbewusstsein haben und sagen: Jawohl, solche Konferenzen müssen nicht nur sein, sondern wenn sie sein müssen, dann können sie auch bei uns stattfinden“, sagte er.
Steinmeier wollte auch das Schanzenviertel besuchen, wo es zwei Tage und zwei Nächte lang die schlimmsten Krawalle gegeben hat. Auch nach Ende des Gipfels kam es dort in der Nacht zu Sonntag zu Straßenkämpfen. Wieder wurden Barrikaden in Brand gesetzt, wieder gab es Verwüstungen. In der Nacht zuvor hatte die Polizei in dem Viertel nicht nur Wasserwerfer, sondern auch schwer bewaffnete Spezialkommandos mit Maschinenpistolen eingesetzt, die von ihren Waffen aber keinen Gebrauch machten.
Die Polizei erklärte am frühen Sonntagmorgen, seit Beginn der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg seien 144 Personen festgenommen und 144 weitere in Gewahrsam genommen worden. 476 Beamte seien verletzt worden. Über verletzte Demonstranten gab es keine Angaben.
Während des Gipfels wurde sogar das Fortkommen der Wagenkolonnen von Gipfelteilnehmer immer wieder durch Absperrungen und Blockaden behindert, das Partnerprogramm musste umgeworfen werden. Zum Vorwurf, der Staat habe versagt, sagte Merkel, der Einsatz der Polizei sei sehr sorgfältig geplant worden. „Der Gipfel konnte abgehalten werden.“
Halber Klima-Konsens unter türkischen Bedingungen
Politisch stand das Thema Klimaschutz im Mittelpunkt. Dazu wurde erstmals in der Geschichte der G20-Gipfel ein Dissens in der Abschlusserklärung festgeschrieben, der US-Präsident Donald Trump isolierte. Die 19 anderen Mitglieder der G20 bekannten sich darin zu einer raschen Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, aus dem die USA unter Trump ausgestiegen sind.
Diesen zentralen Gipfelbeschluss hebelte Erdogan auf seiner Bilanz-Pressekonferenz zum Gipfel allerdings wieder aus. Er habe Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron mitgeteilt: „Solange die Versprechen, die man uns gegeben hat, nicht gehalten werden, werden wir das (Klimaabkommen) in unserem Parlament auch nicht ratifizieren.“ Erdogan geht es darum, nicht zu den Industriestaaten gezählt zu werden. Denn dann müsste er nicht in einen künftigen Umweltfonds einzahlen, sondern würde daraus Geld erhalten.
Andere Wackelkandidaten wie China, Russland und Saudi-Arabien stellten sich mit der Gipfel-Erklärung aber hinter das Klimaabkommen und damit gegen den US-Präsidenten. Der russische Präsident Wladimir Putin lobte Merkel für das Zustandekommen dieses Beschlusses. „Das ist ein positives Element, das man Kanzlerin Merkel gutschreiben muss“, sagte er.
Forderung nach Abschaffung solcher Gipfel
Lob für Merkel kam aber auch von Trump: „Der G20-Gipfel war ein wunderbarer Erfolg und wunderschön ausgerichtet von Kanzlerin Merkel“, twitterte er. Alle hätten sich „trotz der Anarchisten total sicher gefühlt“. Trumps Frau Melania konnte allerdings ihre Unterkunft am Freitag wegen der Krawalle stundenlang nicht verlassen.
Beim Freihandel sorgte Trump für einen Rückschritt im Vergleich zu früheren Gipfelerklärungen: Die G20 erkennen die „Rolle legitimer Verteidigungsinstrumente im Handel“ an und machen damit ein Zugeständnis an Trumps Abschottungspolitik. Im Gegenzug schaffte es eine Absage an Protektionismus in die Erklärung. Der Begriff wird aber unterschiedlich interpretiert. Der US-Präsident hält seine „Amerika zuerst“-Politik nicht für Protektionismus, die Europäer schon. Eine Lösung im Streit um Überkapazitäten in der Stahlproduktion und mögliche Strafzölle wurde vertagt. Sie soll nun bis November gefunden werden.
Angesichts bescheidener Ergebnisse und heftiger Krawalle forderte Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht eine Abschaffung der G20-Gipfel. „Im Grunde kann die Lehre nur sein, in Zukunft auf solche Show-Veranstaltungen, die sinnlos Steuergeld verschlingen und keine Ergebnisse bringen, ganz zu verzichten“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
dpa