Gewinner unter Verlierern: DFB-Torhüter fit für die WM
Neuers starke Ansage gegen Österreich
Dieser WM-Stresstest hatte es für Manuel Neuer wahrlich in sich. Blitz, Donner und Wassermassen verhindern fast das Comeback des Weltmeister-Torwarts. Dann ist Land unter in Deutschlands Abwehr. Trotzdem kann die Antwort auf die Nummer-1-Frage nur „Ja“ lauten.

Zufriedenstellendes Comeback gegen Österreich: Manuel Neuer. © dpa
Manuel Neuer verließ den Ort seines Comebacks ohne Worte. Reden ließ der Kapitän nach seiner tatkräftigen WM-Ansage an einem denkwürdigen Fußballabend im Wörthersee Stadion von Klagenfurt die Teamkollegen und den Bundestrainer - und der Tenor war einmütig.
Keinerlei Probleme
„Man hat ihm die Pause nicht angemerkt“, urteilte Joachim Löw nach dem 1:2 gegen Österreich: „Für Manuel war es nach so langer Zeit ein sehr zufriedenstellendes Comeback.“ Und Löw verwies direkt nach dem Spiel auf einen entscheidenden Fakt: „Er hatte auch nach dem Spiel mit seinem Fuß keinerlei Probleme.“ Heißt: Grünes Licht für die WM!
„Ich weiß nicht, ob es da eine andere Meinung gibt“, antwortete Joshua Kimmich auf die Frage, ob er als Bundestrainer Neuer mitnehmen würde nach Russland. Der Schlussmann war - trotz zweier unhaltbarer Gegentore - der Gewinner unter vielen deutschen Verlierern. „Außer Manuel Neuer waren fast alle Dinge negativ“, erklärte Kimmich.
599 Tage Zwangspause
Natürlich konnte auch ein Ausnahmetorwart wie Neuer acht Monate Spielpause nicht in jeder Szene übertünchen. Aber wie er den persönlichen WM-Stresstest unter den speziellen Umständen in Klagenfurt meisterte, war bemerkenswert. Dreimal musste er raus zum Aufwärmen, die Hagelkörner prasselten ihm beim Warmschießen ins Gesicht. Die enorme Anspannung vor dem 75. Länderspiel - dem ersten nach 599 Tagen Pause - war ihm bei den Nationalhymnen anzusehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (M.) stattete dem DFB-Team am Sonntagabend einen Besuch in Eppan ab. © dpa
Auf dem anfangs klitschnassen Rasen war auch ein höheres Verletzungsrisiko gegeben. „Es war ein undankbares Spiel mit dem Hin und Her vorher und erst recht, wenn du solange nicht gespielt hast wie Manu“, kommentierte Länderspiel-Neuling Nils Petersen.
Körpersprache ist ein wichtiger Faktor
Neuer hielt dem nicht unerheblichen Druck stand. Er patzte nicht, auch wenn nicht alles auf Anhieb rund lief. Bei den Gegentoren der Bundesliga-Profis Martin Hinteregger (FC Augsburg) und Alessandro Schöpf (Schalke) war er machtlos. Bei zwei gefährlichen Schüssen von Florian Grillitsch und Marko Arnautovic konnte er sich auszeichnen. „Für mich ist es kein Rätsel oder Wunder mehr, dass dieser Torwart Jahr für Jahr Welttorhüter geworden ist“, sagte Stürmer Timo Werner.
Nicht jeder Pass kam beim Mitspieler an. Aber der 32-Jährige geriet als Einziger auch dann nicht in Panik, als die deutsche Defensive nach der Pause jede Stabilität und Ordnung verlor. Und ganz wichtig: Neuers Körpersprache. Die Ausstrahlung hat er nicht verloren in der Abwesenheit. Gerade die Führungsspieler werben darum besonders für den Kapitän und Weltmeister, auch wenn das niemand als Votum gegen Kronprinz Marc-André ter Stegen (26) verstanden wissen will.
Löw legt sich früh fest
„Ich habe Manu seit zehn Tagen beobachten können. Mein persönlicher Eindruck ist, er ist zu hundert Prozent fit. Wir sind sehr froh, dass er im Kreise der Mannschaft ist“, sagte Weltmeister Sami Khedira.
Löw hatte sich erstaunlich früh festgelegt: Wenn Neuer mitfährt zur WM, dann nur als Nummer 1. Das hätte der Chef so frühzeitig nicht kommunizieren müssen. Dahinter kann Löw nun kaum noch zurück. Der Bundestrainer hätte auch einen Konkurrenzkampf zwischen Neuer und ter Stegen um die Nummer 1 bis zum WM-Ernstfall gegen Mexiko ausrufen können. Nun muss Löw die „finale Entscheidung“ schon am Montag verkünden, wenn er den 23-Mann-Kader fixieren muss.
„Manuel ist ehrlich und offen“
Die Wahrscheinlichkeit, dass Löw seinen Kapitän noch für Russland streicht, liegt im Promillebereich. Im Grunde müsste schon Neuer selbst den Daumen senken. Das hatte Löw vor dessen Comeback selbst angedeutet: „Manuel ist ehrlich und offen und wird uns sagen, ob er wirklich in der Lage ist, das Topniveau zu erreichen.“ Die Antwort kann nur „Ja“ lauten, auch wenn Neuer Klagenfurt wortlos verließ.
Von dpa