Pro & Contra: Passt die Verhüllung zum Schloss Strünkede?
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Der ghanaische Künstler Ibrahim Mahama hat das barocke Wasserschloss Strünkede in Herne mit 2000 Quadratmetern Stoff aus alten Jutesäcken verhüllt. Die Installation „Coal Market“ (Kohle-Markt) bleibt bis zum 16. September und ist der Ankerpunkt der Ausstellungsserie „Kunst und Kohle“ in 17 Ruhr-Kunst-Museen. Wir diskutieren: Passt die Verhüllung zum Schloss Strünkede?

Passt die Verhüllung mit Jutesäcken zu dem barocken Wasserschloss Strünkede in Herne? Foto: Schaper
Ja, sie zeigt die dunkle Seite der Import-Kohle
Schon lange beschleicht mich ein ungutes Gefühl, wenn ich an den Kohle-Ausstieg denke. Nach Angaben des Vereins der Kohleimporteure hat Deutschland schon 2016 rund 48,4 Millionen Tonnen Steinkohle eingeführt und nur noch 3,9 Millionen Tonnen selbst erzeugt. Die fallen ab Ende 2018 dann auch noch weg.
Ein Bericht auf „Spiegel Online“ hat beschrieben, wie ein Teil unserer Kohle in Kolumbien produziert wird. Das Volk der Wajuus wird dort zwangsumgesiedelt. Der Tagebau hinterlässt Mondlandschaften. Menschen sterben an Atemwegserkrankungen oder Arbeitsunfällen.
Das Kunstwerk „Coal Market“ symbolisiert für mich das Unbehagen an der Import-Kohle. Es enthüllt durch Verhüllung – und zwar die dunkle Seite der Energiewende. Bei uns ist künftig alles hui, anderswo eben pfui. Ist eben weit weg. Im Spiegel dieses Kunstwerkes von Ibrahim Mahama können wir die unbequeme Wahrheit erkennen, dass unsere Lebensweise auf Kosten von anderen Menschen geht – ob in Kolumbien, in Sibirien oder in den Appalachen (USA). Oder eben in Afrika, wo Menschen die Kohle auf dem Buckel schleppen müssen.
Zugegeben, schön sieht das Schloss in Sack und Asche nicht aus. Aber Kunst muss nicht unbedingt ein Genuss sein, sondern sie sollte etwas ausdrücken. Im Herbst wird das Denkmal seinen graubraunen Jutemantel wieder ablegen. Hoffentlich hallt die Kritik, die der Künstler damit äußert, noch länger nach.
Von Bettina Jäger
Nein, das sieht aus wir Christo für Arme
Der Künstler Ibrahim Mahama hat dem Schloss ein Kleid aus Lumpen übergestreift. Das mag zwar einen politischen Hintergrund haben, weil der Ghanaer deutlich machen will, dass die Jutesäcke billig in Asien gefertigt worden sind und dann nach Afrika gebracht wurden, um darin Kohle zu transportieren. Aber das Ergebnis sieht aus wie Christo für Arme.
Christos Verhüllungen, am Berliner Reichstag oder Gasometer Oberhausen, hatten eine andere Ästhetik. Eine schönere. Mahamas Verhüllung macht das Barockschloss dunkel und lässt es hässlich wirken. Bei der documenta in Kassel, wo der Künstler ein Tor verhüllt hat, war diese Kunstaktion wirkungsvoller. Zu dem idyllisch gelegenen Wasserschloss in Herne passt sie nicht. Und sie wirkt abgekupfert. – Bei Christo und bei der documenta.
Brautpaaren, die die barocke Fassade als Kulisse für ihre Hochzeitsfotos lieben, kann man erklären, dass sie Teil eines einmaligen Kunstwerks sind. Und der Innenhof des Schlosses ist ja auch unberührt. Der Stadt Herne wird dieser Ankerpunkt der „Kunst und Kohle“-Ausstellungen viele Besucher bescheren. Denn gesehen haben sollte man dieses Kunstwerk.
Auch, dass von Spaziergängern jetzt diskutiert wird über den Sinn und Unsinn von Kunst, ist gut. Denn dadurch bleibt die Kultur im Gespräch. Wenn man jedoch die Frage stellt „Ist das Kunst, oder kann das weg?“, kann man keinem einen Vorwurf machen, der sich für Letzteres entscheidet.
Von Julia Gaß