Pro & Contra: Passt die Verhüllung zum Schloss Strünkede?

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Der ghanaische Künstler Ibrahim Mahama hat das barocke Wasserschloss Strünkede in Herne mit 2000 Quadratmetern Stoff aus alten Jutesäcken verhüllt. Die Installation „Coal Market“ (Kohle-Markt) bleibt bis zum 16. September und ist der Ankerpunkt der Ausstellungsserie „Kunst und Kohle“ in 17 Ruhr-Kunst-Museen. Wir diskutieren: Passt die Verhüllung zum Schloss Strünkede?

Herne

, 16.05.2018, 13:25 Uhr / Lesedauer: 2 min
Passt die Verhüllung mit Jutesäcken zu dem barocken Wasserschloss Strünkede in Herne? Foto: Schaper

Passt die Verhüllung mit Jutesäcken zu dem barocken Wasserschloss Strünkede in Herne? Foto: Schaper

Ja, sie zeigt die dunkle Seite der Import-Kohle

Schon lange beschleicht mich ein ungutes Gefühl, wenn ich an den Kohle-Ausstieg denke. Nach Angaben des Vereins der Kohleimporteure hat Deutschland schon 2016 rund 48,4 Millionen Tonnen Steinkohle eingeführt und nur noch 3,9 Millionen Tonnen selbst erzeugt. Die fallen ab Ende 2018 dann auch noch weg.

Ein Bericht auf „Spiegel Online“ hat beschrieben, wie ein Teil unserer Kohle in Kolumbien produziert wird. Das Volk der Wajuus wird dort zwangsumgesiedelt. Der Tagebau hinterlässt Mondlandschaften. Menschen sterben an Atemwegserkrankungen oder Arbeitsunfällen.

Das Kunstwerk „Coal Market“ symbolisiert für mich das Unbehagen an der Import-Kohle. Es enthüllt durch Verhüllung – und zwar die dunkle Seite der Energiewende. Bei uns ist künftig alles hui, anderswo eben pfui. Ist eben weit weg. Im Spiegel dieses Kunstwerkes von Ibrahim Mahama können wir die unbequeme Wahrheit erkennen, dass unsere Lebensweise auf Kosten von anderen Menschen geht – ob in Kolumbien, in Sibirien oder in den Appalachen (USA). Oder eben in Afrika, wo Menschen die Kohle auf dem Buckel schleppen müssen.

Zugegeben, schön sieht das Schloss in Sack und Asche nicht aus. Aber Kunst muss nicht unbedingt ein Genuss sein, sondern sie sollte etwas ausdrücken. Im Herbst wird das Denkmal seinen graubraunen Jutemantel wieder ablegen. Hoffentlich hallt die Kritik, die der Künstler damit äußert, noch länger nach.

Von Bettina Jäger

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07.05.2018
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Vor der Zeche "Schlägel und Eisen" in Herten sind die Jutesäcke für die Verhüllung des Wasserschlosses Strünkede in Herne zusammengenäht worden. Foto: Ullrich
Oliver Doetzer-Berweger, Direktor des Emschertal-Museums in Herne und Kurator der Verhüllungsaktion und Francis Djiwornu, Assistent des Künstlers Ibrahim Mahama aus Ghana waren zu Beginn der Verhüllung zufrieden mit den Arbeiten. Foto: Kühlem
Ende April wurde mit einem Hubwagen die Löschanlage für den Brandschutz am Schloss installiert. Foto: Kühlem
Im Innenhof des Schlosses Strünkede in Herne haben die 50 Näherinnen und Näher letzte Hand angelegt. Foto: Ullrich
So sah das Wasserschloss Strünkede vergangene Woche zu Beginn der Verhüllung aus. Foto: dpa
Höhenkletterer bringen die Jutesäcke auf dem Dach von Schloss Strünkede an. Foto: dpa
Die Fassade des Schlosses war bei der Projektvorstellung Anfang Mai nur zum Teil verhängt. Foto: Gass
Die Fassade des Schlosses war bei der Projektvorstellung Anfang Mai nur zum Teil verhängt. Foto: Gass
Die Verhüllung des Schlosses hat sich wegen des Wassergrabens schwierig gestaltet. Höhenkletterer mussten die Jutesäcke vom Dach herunterlassen. Foto: Gass
Ihn bringt nichts aus der Ruhe: Raimund Apel und sein bis zu sechsköpfiges Team verhüllen Schloss Strünkede. Foto: Jäger
Zwei Höhenkletterer arbeiten sichtlich angstfrei auf dem 15 Meter hohen Dachfirst oder hängen an der Fassade. Gesichert sind sie an den Schornsteinen. Foto: Jäger
Höhenkletterer verdecken das Wasserschloss Strünkede mit gebrauchten Jutesäcke, gestaltet von dem Künstler Ibrahim Mahama. Foto: dpa
Das Medieninteresse war groß am vergangenen Mittwoch (2. 5.) bei der Projektvorstellung "Kunst & Kohle" auf Schloss Strünkede. Das größte Kunstwerk war jedoch noch nicht fertig. Foto: Jäger
Francis Djiwornu ist der Assistent von Künstler Ibrahim Mahama. Foto: Jäger
Die Jute-Verkleidung setzt sich aus 80 bis 100 Quadratmeter großen Stücke aus Tausenden von Kohlesäcken zusammen. Foto: dpa
Gebrauchte Jutesäcke verdecken das Wasserschloss Strünkede gestaltet von dem Künstler Ibrahim Mahama. Foto: dpa
Die Arbeiten der Höhenkletterer dauerten bis Samstag (5.5.) an. Foto: Schaper
Das Dach von Schloss Strünkede ist gänzlich in Jutesäcke gehüllt. Foto: Schaper
Das verhüllte Schloss können Besucher auch sehen, ohne Eintritt zu zahlen. Foto: Schaper
Die vordere Fassade von Schloss Strünkede ist seit Samstag (5.5.) mit den zusammengenähten Jutesäcken verhüllt. Foto: Schaper
Die vordere Fassade von Schloss Strünkede ist seit Samstag (5.5.) mit den zusammengenähten Jutesäcken verhüllt. Foto: Schaper
Im Innern des Schlosses ist die Arbeit der Näherinnen und der Höhenkletterer mit Drohnenfotos und Videos dokumentiert. Foto: Schaper
Im Innern des Schlosses ist die Arbeit der Näherinnen und der Höhenkletterer mit Drohnenfotos und Videos dokumentiert. Foto: Schaper
Das verhüllte Schloss ist Ankerpunkt der 17 Ausstellungen "Kunst & Kohle". Foto: Schaper
Das verhüllte Schloss ist Ankerpunkt der 17 Ausstellungen "Kunst & Kohle". Foto: Schaper

Nein, das sieht aus wir Christo für Arme

Der Künstler Ibrahim Mahama hat dem Schloss ein Kleid aus Lumpen übergestreift. Das mag zwar einen politischen Hintergrund haben, weil der Ghanaer deutlich machen will, dass die Jutesäcke billig in Asien gefertigt worden sind und dann nach Afrika gebracht wurden, um darin Kohle zu transportieren. Aber das Ergebnis sieht aus wie Christo für Arme.

Christos Verhüllungen, am Berliner Reichstag oder Gasometer Oberhausen, hatten eine andere Ästhetik. Eine schönere. Mahamas Verhüllung macht das Barockschloss dunkel und lässt es hässlich wirken. Bei der documenta in Kassel, wo der Künstler ein Tor verhüllt hat, war diese Kunstaktion wirkungsvoller. Zu dem idyllisch gelegenen Wasserschloss in Herne passt sie nicht. Und sie wirkt abgekupfert. – Bei Christo und bei der documenta.

Brautpaaren, die die barocke Fassade als Kulisse für ihre Hochzeitsfotos lieben, kann man erklären, dass sie Teil eines einmaligen Kunstwerks sind. Und der Innenhof des Schlosses ist ja auch unberührt. Der Stadt Herne wird dieser Ankerpunkt der „Kunst und Kohle“-Ausstellungen viele Besucher bescheren. Denn gesehen haben sollte man dieses Kunstwerk.

Auch, dass von Spaziergängern jetzt diskutiert wird über den Sinn und Unsinn von Kunst, ist gut. Denn dadurch bleibt die Kultur im Gespräch. Wenn man jedoch die Frage stellt „Ist das Kunst, oder kann das weg?“, kann man keinem einen Vorwurf machen, der sich für Letzteres entscheidet.

Von Julia Gaß