Was kleine Regionalflughäfen in Zukunft erwartet

Interview und Interaktive Karte

Die Luft für Regionalflughäfen wird dünner: Selbst Low-Cost-Linien steuern mehr und mehr in Richtung Metropol-Airports - auch in NRW. Luftfahrtexperte Cord Schellenberg sieht dennoch eine Perspektive für die Kleinen - vor allem durch eine "schlanke Aufstellung". Was Flughäfen und Airlines für die Zukunft erwartet - das erklärt er im Interview.

NRW

, 22.02.2017, 05:45 Uhr / Lesedauer: 5 min

Wie sind die sechs wichtigsten Flughäfen in NRW aufgestellt? In unserer interaktiven Karte erhalten Sie einen Überblick:

Herr Schellenberg, auch Low-Cost-Linien orientieren sich zunehmend in Richtung Metropol-Airports wie Düsseldorf oder Köln. Bekommen kleinere Destinationen wie Dortmund oder Münster in der Folge nicht Probleme?

Das ist absolut ein Trend, selbst Ryanair wendet sich zusätzlich zu den Regionalflughäfen den Metropolen zu. Es wird allerdings bei denen eher auf ein „sowohl als auch“ hinauslaufen, ebenso bei Wizzair, die ja in Dortmund stark sind und insgesamt so etwas darstellen wie die Ryanair des Ostens. Anders sieht es bei Gesellschaften wie Eurowings und Air Berlin aus. Da gibt es dann doch viel Hin und Her. Air Berlin hat Münster ja den Rücken gekehrt, jetzt übernimmt Eurowings einige Maschinen der Berliner und fliegt wieder die Strecke Münster - Palma de Mallorca. Gerade solch ein Ziel wird weiter aus der Fläche bedient. Die Türkei wäre vergleichbar, deren Tourismus-Schwäche wird uns aber 2017 weiterhin begleiten.

Was bedeutet das für das Wachstum der Kleineren?

Ich glaube, dass der Hype um das Fliegen aus der Region doch etwas nachgelassen hat, zumal insbesondere die kleineren Maschinen mit bis zu 50 Sitzplätzen, mit denen die Entwicklung neuer Strecken wirtschaftlich machbar war, so nicht mehr verfügbar sind. Die Airlines fliegen mit größerem Gerät und müssen das von einem Regionalflughafen aus erstmal füllen. Kleinere Flugzeuge konnte man zum Beispiel Geschäftsreisenden anbieten. Aber mit diesen Kunden allein füllen sie keine großen Maschinen mehr. Low-Cost-Airlines hingegen bieten auch für Regionalflughäfen weiterhin eine Wachstumsperspektive bieten, wenn das Einzugsgebiet groß und die Autobahnanbindung gut ist.   

Heißt das Besucherschwund bei den Kleineren?

Wenn man durch entsprechende Angebote den Airlines das „sowohl als auch“ weiter schmackhaft macht, muss das nicht sein. Wichtig ist aber auch die Binnenstruktur des Flughafens. Schlanke Aufstellung ist überlebenswichtig. Weeze ist da ein gutes Beispiel. Abläufe, Personal, Terminalstruktur, all das muss zusammen passen. Aber der Deutsche reist weiter stabil, und demnächst auch wieder in die Türkei und Ägypten, wenn es dort stabil zugeht. Wichtig für die kleineren Flughäfen wird sein, sich gut bei Eurowings zu präsentieren, damit ein kleiner Teil der Flotte, die man jetzt von Air Berlin übernimmt, dort startet.  

Köln wirbt mit dem ersten Low-Cost-Interkontinentalflug. Ist das ein Trend? Air Berlin bietet für 179 Euro USA-Flüge an.

Das ist ein Trend in sehr überschaubarem Rahmen. Air Berlin zahlt bei solch einem Angebot drauf. Das kann man machen, wenn man einen solchen Preis als Referenzpreis sieht, natürlich ohne Gepäck und Verpflegung. Nur die wenigsten aber werden mit Handgepäck nach New York wollen. Der gesamte Low-Cost-Trend in der Langstrecke ist eher verhalten. Norwegian probiert ein bisschen was und Eurowings auch. Aber die Kosten sind da kaum zu drücken. Norwegian versucht es mit Zulassungen in Irland und asiatischem Personal, aber die Komplexität eines Langstreckenfluges bleibt hoch. Die Flüge dauern eben zehn Stunden, und bei den Abläufen am Boden kann man vielleicht noch fünf oder zehn Minuten herausholen. Ich kann aber nicht nach 20 Minuten wieder starten wie innerhalb Europas, sondern brauche 60 bis 90 Minuten Bodenzeit. All das ändert nur wenig an den Gesamtkosten. Momentan wird viel ausprobiert, es ist aber kein dauerhafter Trend erkennbar.

Norwegian ist jetzt auch in Düsseldorf präsent und lockt Kunden unter anderem mit kostenlosem Wlan. Müssen die anderen da nachziehen?

Die Digitalisierung ist in vielen Bereichen interessant. Biete ich den Kunden WLAN an, bringen sie irgendwann ihre eigenen Geräte für die Unterhaltung selbst mit und die Fluggesellschaft kann dann auf Bordprogramme und teure Bildschirme verzichten. Allerdings wird das derzeit noch nicht funktionieren. Wenn 180 Leute gleichzeitig Filme streamen, wird die WLAN-Kapazität nicht ausreichen. Deshalb sind wohl eher WhatsApp und andere Nachrichten möglich oder ein Blick in die Mails. Die meisten US-Airlines gehen einen anderen Weg: Sie bieten für ordentlich Geld hohe Übertragungsraten an. Das nutzten dann vielleicht 7 Prozent der Passagiere, aber die müssen ordentlich in die Tasche greifen. Für den Rest muss ich allerdings weiterhin Bordprogramm bieten. Wo das letztlich hinführt, wird man sehen. Vielleicht über Leistungspakete von mäßiger kostenloser Übertragung bis hin zu teureren Paketen, mit denen man streamen kann. Ein feiner Service aber ist WLAN für Grundfunktionen in jedem Fall und ein geschickter Schachzug.  

Was bedeuten die Entwicklungen im Markt für die Preise?

Die werden sich weiter zur Freude des Verbrauchers entwickeln, befeuert durch Ryanair, die derzeit bei rund 47 Euro Durchschnittspreis pro Ticket liegen und unter 40 Euro wollen. Und wenn Michael O´Leary das ankündigt, dann schafft er das wahrscheinlich auch. Ryanair ist nun mal eine der bestverdienenden Airlines der Welt, auch durch Weiterleitung der Kunden im Internet an Autovermietungen, Hotelanbieter etc. Da gibt es ordentliche Provisionen. Die klassischen Airlines, die eigentlich die Preise erhöhen müssten, werden das kaum durchbringen, denn die Kunden in Europa akzeptieren Ryanair inzwischen sowohl für Private als auch geschäftliche Flüge und nehmen auch einen höheren Preis für den Wunsch-Sitzplatz und schnelleres Einsteigen in Kauf. Das mögen die Leute sogar ganz gern.  

Also wird Eurowings sich Ryanair angleichen?

Eher einer Gesellschaft wie Easyjet, die bei Geschäftsreisen schon lange große Erfolge hat. Sie werden ein paar Dinge aus der Lufthansawelt mitnehmen, wie zum Beispiel Best Economy für einen ordentlichen Aufpreis. Nicht jeder will ja für 50 Euro innerhalb Europas fliegen und zahlt hin und zurück auch mal 100 oder 200 Euro. Für die Flughäfen gut, denn wer preiswert fliegt, nimmt dann auch mal Parkgebühren in Kauf, kauft im Duty Free Shop ein oder isst etwas.  

Also teurer wird es nicht?

Ich denke, europaweit kann es vielleicht noch ein bisschen runtergehen, innerdeutsch werden wir eher stagnieren. Erhöhungen erwarte ich nicht.  

Welche Chancen geben Sie Air Berlin noch?

Momentan sind sie ganz vernünftig unterwegs und nähern sich der Lufthansa an, statt mit ihr zu kabbeln. Dass der ehemalige Eurowings-Chef Thomas Winkelmann jetzt zu Air Berlin geht, ist ja auch kein Zufall. Erkennt Lufthansa, Eurowings, die Gewerkschaften und alles, was da Bedeutung hat. Er selbst hat eine Transformation vom Krawattenträger hin zum eher leger gekleideten Manager mitgemacht, was ja auch Signale an die Kunden aussenden soll. Air Berlin hat Perspektiven, mit der Eurowings-Kooperation im Linienbereich, mit Niki und TUIfly bei den Urlaubsflügen. Und der Gesellschafter Etihad scheint sich auch der Lufthansa anzunähern, die man früher nur als Konkurrenz wahrgenommen hat. Sogar ein Invest dort scheint derzeit möglich. Man hätte das alles schon früher günstiger hinbekommen können. Im Technikbereich ist Etihad ja schon Lufthansakunde, jetzt könnte man auch im Passagebereich eine Freundschaft aufbauen. Und das Herrscherhaus von Abu Dhabi steht ja finanziell gut da. Qatar Airways hat sich an IAG, der Muttergesellschaft von British Airways und Iberia, beteiligt, warum nicht Etihad an Lufthansa? Das würde auch deren Position an der Börse stärken.  

Bei der Lufthansa scheint man aber auch massiv mit sich selbst beschäftigt zu sein. Stichwort: Streiks, Neuorientierung etc.

Es hakt in der Tat intern, weil viele Mitarbeiter sich in der Zukunftsstrategie des Vorstandes nicht zurechtzufinden scheinen. Ich befürchte aber, es bleibt ihnen im derzeit extrem wandelbaren Luftfahrtgeschäft keine andere Wahl. Den Status Quo zu halten ist keine Option. Gerade auch für die Piloten nicht. Allein bleiben und hochpreisig, das wird keine Airline schaffen.  

Momentan reden alle Flughäfen von Wachstum. Ist da nicht das Ende der Fahnenstange erreicht?

Historisch wächst der Luftverkehr seit Jahrzehnten jährlich um durchschnittlich fünf Prozent. Mal ist es eins, mal fünf, dann wieder acht. Das wird erstmal so weitergehen. Das stärkste Wachstum wird in Asien erwartet, weil dort große Bevölkerungsgruppen in den Mittelstand hineinwachsen. Nehmen Sie China oder Indien. Aber auch bei uns wird es aufwärts gehen, vielleicht nicht fünf Prozent, sondern drei. Aber das reicht auch aus. Früher sind Schulgruppen per Schiff nach England gereist, heute fliegt man. Die Leute sind polyglotter geworden, sprechen mehr Sprachen und machen sich auch mal für eine Zwei-Tages-Tour auf den Weg, wo es früher fünf sein mussten. Unabhängig vom Alter übrigens. Auch der ganze Bereich Familiy and Friends, also schnell mal Angehörige oder Freunde in anderen Städten und Ländern besuchen, wächst stark. Und die Leute fliegen ja auch für ein Konzert mal schnell ins Ausland. Entsprechend sind die Hotelangebote auf diese Klientel zugeschnitten. Preiswerter Flug, preiswerte Übernachtung im Motel One oder Ähnlichem, sauber und ordentlich. Und alle sind zufrieden.  

Wie wichtig ist die Infrastruktur für Flughäfen?

Das ist schon wichtig. Denn die Leute wollen ja nicht alle viel Geld fürs Taxi ausgeben, um in die Stadt zu kommen. Regelmäßige Anbindungen an den Hauptbahnhof sind wichtig. Zunehmend aber auch Angebote wie Car Sharing. Das nutzen immer mehr Menschen und planen so etwas bereits länger im Voraus. Den klassischen Mietwagen von Sixt oder Europcar löst das heute durchaus schon mal ab.