Warum die NRW-Regierung die Grunderwerbssteuer erhöht

Fragen und Antworten

Die Landesregierung will zum 1. Januar die Grunderwerbssteuer erhöhen - schon wieder. Nach 2011 wird nun schon zum zweiten mal an dieser Steuer gedreht. Warum Rot-Grün diesen Entschluss trotz heftiger Kritik verteidigt - Fragen und Antworten:

von Jan Falk

Düsseldorf

, 29.10.2014, 18:32 Uhr / Lesedauer: 3 min
Bis zum Eigenheim der Träume ist es oft ein steiniger Weg - nun wird er auch noch teurer.

Bis zum Eigenheim der Träume ist es oft ein steiniger Weg - nun wird er auch noch teurer.

Die Erhöhung ist am Dienstag tatsächlich relativ kurzfristig bekannt gegeben worden. Dies könnte einerseits damit zusammenhängen, dass jetzt anstehende Grundstücks- und Immobilienkäufe nur noch schwer schnell vorgezogen werden können, wenn sie eigentlich Anfang 2015 stattfinden sollen.  Doch es offenbar gibt noch einen anderen Grund und der hängt mit der Konjunktur zusammen - genauer mit der sich gerade abkühlenden Konjunktur. Fast alle namhaften Wirtschaftsinsitute haben zuletzt ihre Aussichten für das Wachstum nach unten korrigiert - eine Einschätzung, die wohl auch von offizieller Seite geteilt wird.  Das bedeutet aber für ein Land wie NRW auch, dass viel weniger Steuereinnahmen im nächsten Jahr erwartet werden. Plötzlich fehlt in der Planung also Geld - die Mehreinnahmen aus der Grunderwerbssteuer könnten diese Lücke nun füllen, vermutet Marcus Optendrenk, Sprecher des Arbeitskreis Haushalt und Finanzen der CDU-Fraktion im Landtag.  Die Regierung und auch das Finanzministerium waren am Mittwoch zunächst nicht für eine Stellungnahme zu diesem Thema zu erreichen.

Der Anteil der Grunderwerbssteuer an den Gesamteinnahmen hat eigentlich nur einen geringen Anteil – 2013 waren es rund 1,7 Milliarden Euro von insgesamt 44,6 Milliarden Euro, also weniger als vier Prozent. Doch sie ist eine der wenigen Steuern, bei denen das Land selbstständig die Einnahmen erhöhen kann – und genau das will Rot-Grün nun wieder tun, trotz aller Dementis in der Vergangenheit. Rund 400 Millionen Euro Mehreinnahmen verspricht sich Finanzminister Norbert Walter-Borjans.

Bescheiden.  Erst im September musste Walter-Borjans einen Nachtragshaushalt beantragen.  Statt 2,4 Milliarden Euro beträgt die Neuverschuldung für 2014 nun 3,2 Milliarden Euro - dabei will man bis 2020 aufgrund der dann startenden Schuldenbremse eigentlich bei null Neuverschuldung ankommen. Die neuen Schätzungen für 2015 werden erst kommende Woche erwartet.

Wer für 250.000 Euro ein Haus gekauft hat, musste bislang 12.500 Euro Grunderwerbssteuer an den Staat zahlen. Künftig fallen 16.250 Euro Steuern an. Der Bund der Steuerzahler meinte: „Das ist kein unerheblicher Batzen.“ Gerade junge Familien, die in der Niedrigzinsphase versuchten, Eigentum und damit auch eine Altersvorsorge zu bilden, würden dadurch belastet.

Das müsste schon sehr schnell gehen. Immobilienmakler rechnen kurzfristig durchaus mit Auswirkungen der Ankündigung: „Da dürfte jetzt noch Bewegung reinkommen“, glaubt Simon Marhold von der Immobilienfirma „Engel & Völkers“ in Dortmund. Wer noch die niedrigere Steuer in Anspruch nehmen will, sollte mit seinem Immobiliengeschäft jetzt schnell zum Notar, „bis Mitte November etwa“, so Marhold weiter.

In diesem oder dem letzten Jahr haben etwa auch Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, das Saarland und Schleswig-Holstein die Grunderwerbssteuer erhöht. Doch mit den bisherigen fünf Prozent lag NRW noch gleichauf mit den meisten anderen Ländern, nur Hamburg (4,5 Prozent), Bayern und Sachsen (je 3,5 Prozent) hatten niedrigere. Das ändert sich nun: Mit 6,5 Prozent ab Januar nächsten Jahres liegt das Land zusammen mit Schleswig-Holstein an der Spitze der Rangliste. 

Die Verbände der Wohnungs- und Bauwirtschaft, Steuerzahler und die Opposition laufen Sturm gegen die Pläne. Sie halten die beabsichtigte Gesetzesänderung - die noch vom Landtag verabschiedet werden muss - für familienfeindlich. Innerhalb weniger Jahre habe sie sich nahezu verdoppelt, kritisierte der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen (VdW) in einer Mitteilung. Die FDP-Opposition nannte die Maßnahme einen moralischen und finanzpolitischen Offenbarungseid. Rot-Grün nehme der Mitte der Gesellschaft die Chance, sich etwas aufzubauen, kritisierte FDP-Chef Christian Lindner. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte in der vergangenen Woche in einer Anhörung im Haushaltsausschuss des Landtags eine Erhöhung der Grunderwerbssteuer empfohlen. Aus seiner Sicht sind Steuererhöhungen unverzichtbar, um in Bildung und Infrastruktur investieren zu können.  „Das ist der verzweifelte Versuch, die Löcher zu stopfen, die man selbst aufgemacht hat“, so Marcus Optendrenk von der CDU in Düsseldorf. Man solle lieber die Ausgaben zurückfahren, als neue Steuern zu erheben.

Eine offizielle Position gibt es noch nicht. Optendrenk jedoch sieht Einsparpotenziale im Umwelthaushalt, vor allem der Klimapolitik und bei Sozialem, etwa dem Sozialticket. Auch die Abschaffung der Studiengebühren habe den Haushalt unnötig belastet.