Warum der Gamescom mehr Ruhe gut tun würde

Hektisch, laut, voll

Die Computerspielmesse Gamescom hat ein Luxusproblem: Sie ist zu beliebt. Stundenlang mussten die Fans am Wochenende in Köln wieder Schlange stehen. In hektischen, lauten Hallen. Diesmal bekamen sie immerhin ein paar spannende Neuigkeiten zu sehen. Aber das Problem der größten Spielemesse bleibt.

Köln

09.08.2015, 19:33 Uhr / Lesedauer: 3 min

Sollen die anderen doch in langen Schlangen schwitzen! Wer einmal am Seilzug hängend die Klippe hinauffährt, der vergisst den ganzen Stress. Mit der VR-Brille Oculus Rift auf der Nase die Insel der Dinosaurier besuchen – das ist einer der wenigen Entspannungmomente auf der Gamescom. Die Computerspielmesse in Köln soll Gamer glücklich machen. Aber dafür ist sie zu hektisch, zu laut, zu voll.

Die Sehnsucht nach der Brille

Der spektakuläre Ausflug namens Back to Dinosaur Island 2 von Crytek hat einen wesentlichen Haken. Besucher können die Brille nicht einfach aufsetzen. Die Demo wird nur wenigen gezeigt, auch Pressevertreter brauchen einen Termin.

Virtual Reality ist der aktuelle Hype der Spielebranche. Die fast marktreifen Modelle von Sony, HTC und Oculus sind angereist. Aber nur wenige bekommen Demos bei den völlig ausgebuchten Herstellern. Wer dann doch eine der Brillen aufsetzt, der blickt wie durch eine Taucherbrille in eine andere Welt, kann sich darin frei umschauen. Und das ist überwältigend genug.

Stressige Egoshooter

Typische Videospiele funktionieren hier nicht; Ein Egoshooter mit VR-Brille führt zu Stress, Panik und Übelkeit. Cryteks kurzer Besuch auf der Dino-Insel ist dagegen eine ganz neue Form von Abenteuertourismus. Auch volle Spiele für VR folgen den neuen Regeln. Pollen etwa, ein Science-Fiction-Adventure, lässt den Spieler ohne Zeitdruck eine verlassene Raumstation erkunden. Das klappt mit VR-Brille sehr gut.

Aber auch in den kommenden Jahren werden die meisten Spieler wohl eher altmodische Bildschirme bevorzugen. Daran angeschlossen wird meist ein PC oder eine Playstation 4. Die Xbox One von Microsoft spielt in Deutschland die abgeschlagene zweite Geige hinter der Konkurrenz. Doch Microsoft gibt nicht auf und bewarb sich in Köln um die Herzen der Spieler.

Viele Neuigkeiten von Microsoft

Auf einer Pressekonferenz zur Messe zeigte der Konzern überraschend viele Neuigkeiten. Einige waren klein: Etwa eine Mini-Tastatur zum Anstecken für den Xbox-One-Controller. Einige waren groß: Etwa die Ankündigung des Xbox One- und PC-Spiels Halo Wars 2. Vor allem die Vielzahl der neuen Spiele dürfte Xbox-One-Besitzer freuen. Mit Cities: Skylines kommt eine brillante Städtebau-Simulation vom PC auf die Xbox One. Mit Thimbleweed Park landet das neue Adventure von Maniac-Mansion-Schöpfer Ron Gilbert auf der Konsole.

Und das Xbox-exklusive Quantum Break bekam auf der Gamescom endlich ein festes Erscheinungsdatum. Die aufwändige Mischproduktion aus Actionspiel und TV-Serie startet im April 2016.

Alle gewinnen

Microsofts Charmeoffensive bleibt für viele Spieler unwichtig. Wo man spielt, ist vor allem für Konsolenhersteller wichtig. Die besten Spiele aber landen überall. Auch Mafia 3: Die Gangstersaga im Stil von Grand Theft Auto wurde auf der Gamescom angekündigt. In einer ersten Präsentation konnte das Spiel technisch beeindrucken. Aber ob die sehr brutale Gangsteraction mit einem mörderischen Antihelden jemals den deutschen Handel erreicht, bleibt abzuwarten.

Deutlich fröhlicher kam die Action in "Battleborn" daher: Hier schießt sich ein bunter Heldenhaufen durch die Planeten des allerletzten Sonnensystems. Oder Just Cause 3: Da reißt ein bärtiger B-Movie-Held gleich die ganze Insel eines Tyrannen ab.

Davonrennen statt schießen

Aber es muss nicht immer Geballer sein. Mirror's Edge Catalyst jagt die Widerstandskämpferin Faith über die Dächer einer kalten, faschistischen Zukunft. Die Parkour-Athletin rennt lieber elegant davon, statt zu schießen. Science-Fiction-Fans freuen sich auf die Erweiterung Horizons für das Weltraumspiel Elite: Dangerous. In dem komplexen Science-Fiction-Spiel wird die ganze Milchstraße simuliert. Und in der neuen Erweiterung landen Spieler sogar auf Planeten.

Gamescom erreicht "nächstes Level"
Die Gamescom ist am Sonntag mit einem neuen Besucherrekord zu Ende gegangen. Nach Angaben der Veranstalter strömten an fünf Tagen rund 345.000 Menschen auf das Messegelände. Im vergangenen Jahr waren es 335.000 Besucher. "Die Ergebnisse haben unsere Erwartungen übertroffen", sagte der Chef der Kölner Messegesellschaft, Gerald Böse. "Die Gamescom hat ihre Ausnahmestellung als weltweit größtes Event für Computer- und Videospiele und Europas wichtigster Business-Plattform in diesem Jahr eindrucksvoll bestätigt", sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), Maximilian Schenk. Damit habe die Gamescom "das nächste Level erreicht".

Oder Mario Maker: In dem Wii U-Spiel können Spieler ihre Level mit Jump'n'Run-Ikone Mario spielend leicht selber basteln. Und online miteinander teilen.

Schlappe Kinder, schlappe Eltern

Die laute, volle Messe wirkt wie gemacht für festivalerfahrene Teenager. Aber auch Kinder und Familien kommen zur Messe. Das weiß auch die Koelnmesse und richtete diesmal einen Familienbereich mit mehr Lauffläche ein, mit großen Ruheinseln, mit Sitzsäcken; und mit einem Infostand der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, die in Deutschland Altersempfehlungen für Spiele gibt. Tatsächlich sah man in der Halle längst nicht nur Familien. Denn eine etwas ruhigere, kühlere und leerere Messe wünscht sich wohl jeder Besucher der Gamescom. Dösend und kuschelnd lagen Menschen aller Altersstufen herum.

Die Lektionen dieser Halle muss man der ganzen Messe wünschen. Sie wäre für alle besser, wenn strengere Lautstärkegrenzen gelten würden. Wenn die Gänge breiter wären. Wenn auch in überfüllten Hallen kleine Ruheinseln stünden. Und vor allem, wenn mehr Publisher sich Unterhaltungsangebote für die treuen Fans einfallen ließen, die stundenlang Schlange stehen, um neue Spiele für eine Viertelstunde auszuprobieren.

Indies retten den Tag

Denn Gamescom geht auch ohne Schlange stehen. Das verdeutlichte vor allem der ausufernde Stand der Indie Arena in einer etwas ruhigeren Halle. Die großen Impulse für die große Spielebranche kommen regelmäßig von kleinen, unabhängigen Entwicklern. Auf der Gamescom taten sich viele von ihnen zusammen. Das Ergebnis war eine Art Anti-Gamescom: Nicht viele Anspielstationen für einen Titel, sondern ein dicht gedrängter Mix verschiedener Spiele auf engem Raum. Wer sich hier anstellte, der konnte noch echte Überraschungen erleben. Zum Beispiel mit "Goetia", in dem man mit dem Geist einer jungen Frau durch ein leeres Haus streift.

Oder in "The Curious Expedition", in dem man auf eine Entdeckungsreise des 19. Jahrhunderts geht; in "Mushroom 11" kann man als Pilz durch den Level wuchern – oder in "Cosmonautica" eine fröhliche Raumfahrertruppe auf Lieferfahrt durch das Sonnensystem schicken.

40 Titel an einem Stand

Über 40 Titel konnte man allein an diesem Stand entdecken. Wer hier entlang schlenderte, der konnte die Künstler treffen, konnte Spiele einfach ausprobieren. Und der wünschte sich dann womöglich, die ganze Gamescom könnte so sein, wie hier.