Warten auf das Ende Oper „Fin de Partie“ als deutsche Erstaufführung in Dortmund

Warten auf das Ende: „Fin de Partie“ als deutsche Erstaufführung in Dortmund
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Fast sechs Jahre hat der Dortmunder Opernintendant Heribert Germeshausen auf die deutsche Erstaufführung von György Kurtágs einziger Oper „Fin de Partie“ gewartet. Er war noch Intendant in Heidelberg, als er mit dem ungarischen Komponisten Aufführungen des Werks abgesprochen hat. Dann gab es die Uraufführung 2018 an der Mailänder Scala, und durch Corona verschob sich die Aufführung in Dortmund immer weiter.

Am Freitagabend (zwölf Tage nach Kurtágs 98. Geburtstag) kam der Einakter im Dortmunder Opernhaus als zweite szenische Aufführung nach der Uraufführung heraus; dazwischen gab es 2022 der 2018 zur „Uraufführung des Jahres“ gekürten Oper lediglich eine konzertante Aufführung in Antwerpen.

Von Nell (Ruth Katharina Peeck) und Nagg (Leonardo Cortellazzi) sind im Kanal nur die Oberkörper zu sehen.
Von Nell (Ruth Katharina Peeck) und Nagg (Leonardo Cortellazzi) sind im Kanal nur die Oberkörper zu sehen. © Jauk/Stage Picture

urtág vertont Samuel Becketts Drama „Endspiel“ aus dem Jahr 1956 und trifft mit seiner Musik genau den Ton des absurden Theaters und der Endzeit-Tristesse, in der sich das Vier-Personen-Stück bewegt.

„Fin de Partie“ ist ein Meisterwerk, ein dichtes Kammerspiel, das Ingo Kerkhof in Dortmund sehr konzentriert inszeniert und das die Philharmoniker unter der Leitung von Neue-Musik-Spezialist Johannes Kalitzke, zwei Solisten der Mailänder Scala, die schon die Uraufführung gesungen haben, sowie Kammersänger Morgan Moody und Mezzosopranistin Ruth Katharina Peeck meisterlich präsentieren.

Publikum sitzt auf der Bühne

Das Publikum (nur 120 Zuschauer) sitzt auf einer kleinen Tribüne auf der Opernhausbühne. Zwischen den Dortmunder Philharmonikern, die hinter einem Gaze-Vorhang spielen, und dem Publikum hat Bühnen- und Kostümbildnerin Anne Neuser die Spielfläche eingerichtet. Auf grünem Kunstrasen gucken Nell (Ruth Katharina Peeck) und Nagg (Leonardo Cortellazzi), die beiden komischen Alten, die Eltern von Hamm im Rollstuhl, aus Kanaldeckeln. Mit urkomischer Mimik und einem sehr fein karikierenden Tenor füllt der Italiener Cortellazzi die Rolle des Nagg.

Der Mailänder Starbassist Frode Olsen trägt als Hamm im Rollstuhl die Oper. Er zieht die Fäden, er leidet und schikaniert, er füllt den Sprechgesang mit Tönen, die noch lang gezogener sind als sein Leid in der Tristesse.

Geschichte im Mezzoforte

Morgan Moody ist als Hamms Diener Clov der agilere, eilt mit nachgezogenem rechten Bein über die Bühne. Und Moody zeigt auch die Neugier und Freude, die sich Clov als einziger bewahrt hat.

Kurtág komponiert lautmalerisch, führt die Gesangsstimmen ruhig und das Orchester in Riesenbesetzung kammermusikalisch im Mezzoforte – so wie sich alles in dieser Geschichte im Mezzoforte abspielt. Das macht das Kammerspiel so nahbar. – Und auch, weil das Publikum so dicht am Geschen sitzt.

Philosophie über das Leben

In 14 Szenen philosophieren die vier Figuren über das Leben. Alle warten auf das Ende, das nicht kommt. Sie sind abhängig voneinander, aber einsam und verloren. All das zeigt Kerkhof eindrucksvoll und eindringlich und auch, wie absurd diese Situation ist und dass alle Figuren eigentlich Museumsstücke sind, die unter Tüchern verhüllt eingelagert werden. Ein Kind (Statistin Lotta Hammwöhner) holt die vier zu Beginn unter den Tüchern hervor und verhüllt sie nach zwei pausenlosen, intensiven, dichten Stunden wieder.

Schön für jeden, der eine Karte hat, denn alle vier Folgevorstellungen sind ausverkauft. Es gibt eine Warteliste.

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Weitere Aufführungen

Termine: 9. 3., 1. / 8. / 11. 5.2024; Restkarten und Warteliste: Tel. (0231) 502 72 22. www.theaterdo.de

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