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Vom Bergmann zum Kölner Tatort-Star - Klaus J. Behrendt: „Der Bergbau hat mich sehr geerdet“
Köln-Tatort
Schauspieler Klaus J. Behrendt ist bekannt als Kölner Tatort-Kommissar Max Ballauf. Am Sonntag ermittelt er in einem neuen Fall. Was viele nicht wissen: Der 58-Jährige war einst Bergmann.
Drei Jahre lang hat Klaus J. Behrendt unter Tage in Ibbenbüren gearbeitet. Im Interview spricht der mehrfach ausgezeichnete Schauspieler über die Maloche als Bergmann, seine Rolle in „Rote Erde II“ und echte Schlagwetterexplosionen.
Sie waren vor Ihrer Schauspiel-Karriere selbst Bergmann in Ibbenbüren. Wie kam es dazu?
Ich war damals 17. Und ich glaube, dass fast jeder 17-Jährige mehr oder weniger planlos ist bei der Frage: Was wird mal aus mir? Ich hatte gerade meine Mittlere Reife gemacht und hatte überhaupt gar keinen Plan, wohin die Reise gehen soll. Von 1977 bis 1980 habe ich meine Ausbildung zum Bergmechaniker gemacht.
Wieso ausgerechnet unter Tage?
Ich bin in Ibbenbüren aufgewachsen. In der Stadt, die ich immer noch sehr liebe, weil ich dort eine wunderbare Kindheit und Jugend verbracht habe. Dort hat sich jeder irgendwie mit dem Bergbau identifiziert. Die Stadt blickt stolz auf eine lange Anthrazitkohle-Förderung zurück. In der Zeche haben viele meiner Freunde gearbeitet. Da habe ich mir gesagt, ja dann gehe ich da auch mal hin. Ich habe das nie bereut. Im Gegenteil.
Sie kommen aber nicht aus einer klassischen Bergarbeiter-Familie.
Mein Vater war Arzt, mein Opa war Arzt und mein Onkel auch. Das hat da also gar nicht reingepasst, dass der Junge jetzt auf den Pütt geht.
Was haben die denn dazu gesagt?
Wenn der 17-Jährige das meint, dann geht der halt mal dahin, haben die gesagt. Das war halt so.
Wie haben Sie die Zeit unter Tage erlebt?
Wir hatten immer relativ lange Anfahrtswege, bis wir vor Ort an unserem Arbeitsplatz waren. Ibbenbüren ist ja das nördlichste Steinkohle-Bergwerk Deutschlands. Je weiter Sie in den Norden gehen, desto tiefer liegt die Kohle. Dort liegt sie in Tiefen von bis zu 1700 Metern. Hinzu kommt, dass die Kohleschichten dort nicht so gewaltig sind, sondern mit maximal eineinhalb Metern relativ flach. Das heißt, sobald man von der Strecke in den Streb zur Kohle kam, war alles nur noch im Liegen möglich. Man kriecht und es ist sehr warm da unten.

Klaus J. Behrendt als junger Bergmann unter Tage in Ibbenbüren. © Sammlung Röhrs
Bekommt man nicht eine Höllenangst, wenn 1,5 Kilometer Gestein über einem liegen?
Wenn man im Streb rumgekrabbelt ist, hat man die Dimensionen verloren, in welcher Tiefe man da arbeitet. Wir waren viel im Streb unterwegs, wo der Hobel die Kohle aus dem Flöz schneidet. Der Kohlenhobel ist ja in Ibbenbüren erfunden worden. Wir haben die Bruchschilde vorgezogen, also die Stützen, die verhindern, dass die Decke über einem zusammenbricht. Es ist einem aber nicht ständig bewusst gewesen, dass man 1500 Meter Stein, Stahl und Kohle über sich hat. Der Streckenvortrieb war bei uns sehr beliebt – vor allem die Sprengbohrungen zu machen, um neue Wege ins Bergwerk zu bauen. Wenn ein Mensch klaustrophobisch veranlagt ist, dann wäre das sicher nicht die richtige Berufswahl gewesen. Mich hat das im Kopf nicht belastet, unter Tage zu arbeiten.
Sie und Ihre Kumpel haben also körperlich richtig hart malocht. Hat sich das bemerkbar gemacht?
Ja, aber ich bin jetzt 58 Jahre alt. Die Jungs, mit denen ich damals die Ausbildung gemacht habe, die sind jetzt alle schon längst im Vorruhestand. Die haben heute keine gebückte Haltung und jammern auch nicht, wie schlecht es ihnen geht: Die Jungs sind durchtrainiert und braun gebrannt. Es ist ja nicht mehr so, dass der Bergmanns-Beruf geplagt wird von der Steinstaublunge.
Sie haben also noch Kontakt zu Ihren Kumpeln von damals?
Ja, zu einigen von ihnen schon.
Geht Ihnen persönlich das Ende des Steinkohlenbergbaus nahe?
Das ist schon ein großer Einschnitt in der Geschichte ganzer Regionen. Das Ruhrgebiet und Ibbenbüren haben sich über Jahrhunderte über den Bergbau definiert. Das ist ein heftiger Strukturwandel. Hunderttausende Kumpel sind dort eingefahren. Und es betrifft ja nicht nur die Kumpel, die können in den Vorruhestand gehen. Ringsherum sind aber auch Dutzende Zulieferbetriebe betroffen. Es ist ja nicht nur das reine Bergwerk betroffen.

Der Förderturm des Bergwerks RAG Anthrazit in Ibbenbüren. © picture alliance/dpa
In Ibbenbüren steht direkt neben der Zeche ein Kohlekraftwerk. Früher hat man die Kohle, lapidar gesagt, einfach aus der Zeche rüber geschüppt und sie zu Strom verfeuert.
Ja, ganz ehrlich, ich verstehe das nicht. Da wird die Kohle aus China und Südafrika angekarrt. Nach Ibbenbüren kommt die mit Binnenschiffen über den Dortmund-Ems- und Mittellandkanal. Das ist so aberwitzig. Die Zeche wird geschlossen und das Kraftwerk läuft weiter. Klar, in Südafrika sind die Kohleflöze fast über Tage, das ist billiger. Es ist aber doch widersprüchlich, dass man die Kohleförderung hier einstellt und dann Millionen Tonnen Kohle über Tausende Kilometer hier herfährt und verfeuert und den Dreck trotzdem weiter in die Luft bläst.
Sie haben sich dann nach der Ausbildung entschieden, doch Schauspieler zu werden. Eine Freundin hatte sie gefragt, ob Sie nicht mit zur Schauspielschule wollten. Ihren Durchbruch feierten Sie mit „Rote Erde II“ – als Jupp Kowalla in einer Bergbau-Saga von Klaus Emmerich. Haben Sie dem Regisseur als echter Bergmann ständig reingeredet?
Na ja, es gab ja schon die „Rote Erde I“. Klaus Emmerich war auch schon ziemlich auf dem Level, was den Bergbau im Ruhrgebiet angeht. Auch der Buchautor Peter Stripp hat sich ziemlich intensiv mit dem Stoff auseinandergesetzt. Und dann gibt es ja noch eine Redaktion im Sender, die beiden auf die Füße getreten hätte. Die haben sich natürlich von Bergleuten beraten lassen. Die hätten Tacheles geredet: Was Du da geschrieben hast, ist Mist. Das muss weg.
War es vor allem das Bergbau-Thema, das Sie an einer Rolle in „Rote Erde“ gereizt hat?
Mich hat das natürlich wahnsinnig interessiert. Wir haben das 1988/1989 gedreht. Das war damals mit 15 Millionen Mark die teuerste Produktion, die es in der Bundesrepublik Deutschland jemals gab. Wenn man sich das überlegt: Für siebeneinhalb Millionen Euro machen Sie heute drei Fernsehspiele. Das war natürlich wunderbar, da eine der Hauptrollen zu bekommen. Mich haben mehrere Sachen daran interessiert: Das ist einmal der Bergbau, na klar. Da kommt man her, das kennt man. Und auf der anderen Seite war es auch wahnsinnig interessant, schauspielerisch die Zeit von 1933 bis 1950 mitzumachen.
Die „Rote Erde II“ endet damit, dass in der Kohlekrise der Förderturm Ihrer Zeche gesprengt wird.
Ja, es sah dort alles exakt so aus wie im Ruhrgebiet. Gedreht haben wir aber in den Bavaria Studios in München und in der damaligen Tschechoslowakei. Im Studio war die Bergbausiedlung angelegt, da war der Förderturm aufgebaut. Und auch die Unter-Tage-Szenen spielten über Tage, wo man die Strecken und den Kohlenstreb aufgebaut hatte. Das hatten die mit sehr viel Liebe gemacht.
Das heißt also, Sie haben nicht als Ex-Bergmann die Endabnahme gemacht?
Nee. Ich bestimmt nicht. (lacht) Da war ich ja mehr oder weniger nur Schütze Arsch, der auch mitmacht.

Der Schauspieler Klaus J. Behrendt war vor seiner Schauspielkarriere Bergmann in Ibbenbüren. © Alex Trebus
Wie war der Wechsel von der Arbeit unter Tage zur Schauspielerei? Das muss doch ein Kulturschock gewesen sein.
Das ist weniger spektakulär, als man sich vorstellt. Da wurde ja auch gearbeitet – nur an sich selbst; Rollen, Figuren, Themen.
Vor allem bei München und den Bavaria Filmstudios denkt man eher an Schickeria und Chichi statt Zeche und Zusammenhalt. War das nicht eine völlig andere Welt?
Von München selbst hat man nicht so viel gesehen, da man so viel gedreht hat, und bei den Kollegen, mit denen man gedreht hat, gab es einen ähnlichen Zusammenhalt wie im Bergbau.
Mitgemacht haben Sie auch im „Wunder von Lengede“. Wieder ein großer Erfolg. Wieder ein Bergbau-Drama.
Ja, aber da hatte ich die Pole-Position. Als Steiger Pit Spieker war ich ja der erste, der umgekommen ist. Also, da hatte ich eine Woche oder anderthalb gedreht und dann kam ich schon ums Leben. Ertrunken durch den Wassereinbruch unter Tage.
Haben Sie selbst in Ihrer Zeit als aktiver Bergmann mal ein schreckliches Erlebnis unter Tage gehabt?
Mehrere. In meiner aktiven Zeit gab es eine Methangasexplosion in der Nebenstrecke, bei der zwei Bergleute umgekommen sind und kurz, nachdem ich aufgehört hatte eine weitere, bei der acht Leute umgekommen sind.
Außer Adolf Winkelmanns „Jede Menge Kohle“ oder „Junges Licht“ gibt es kaum weitere Bergbau-Filme oder -Serien. Wie erklären Sie sich das, trotz der großen Erfolge?
Es ist schlicht und einfach verdammt teuer. Sie müssen sich überlegen: Selbst wenn Sie jetzt ein spannendes Buch über den Bergbau schreiben, hätten Sie große Schwierigkeiten, es umzusetzen. Sie dürfen unter Tage nicht drehen, also müssen Sie alles nachbauen.
Warum darf man unter Tage nicht drehen?
Jeder Lichtschalter unter Tage ist schlagwettergeschützt, weil das aus den Kohleflözen ausströmende Methangas immer eine Gefahr darstellt. Ein kleiner Funke genügt. Wir mussten in den 70er-Jahren sogar unsere Quarzuhren abnehmen. Die durften auf keinen Fall mit unter Tage.

Bekannt ist Klaus J. Behrendt vor allem für seine Rolle des Max Ballauf (links) im Tatort aus Köln. Dort ermittelt er gemeinsam mit Dietmar Bär (Freddy Schenk). © picture alliance / Henning Kaise
Was haben Sie persönlich für sich mitgenommen aus Ihrer Zeit im Bergbau?
Das hört sich jetzt doof an, aber man ist ziemlich geerdet. Ich weiß, was es heißt, auch anders mein Geld zu verdienen. Und den großen Zusammenhalt zwischen den Männern unter Tage, der ist schon sehr klasse gewesen.
Wie ist es für Sie emotional, wenn in Ibbenbüren Schicht am Schacht ist?
Das ist ein komisches Gefühl, auch wenn es schon sehr lange her ist. Ich bin zwar nicht in Ibbenbüren geboren, sondern in Hamm, aber schon mit eineinhalb Jahren bin ich dorthin gezogen. Mein Vater war dort Leiter der Kinderstation im Krankenhaus. Der Bergbau war immer da in Ibbenbüren.
Wie hat sich das konkret geäußert?
Wir wohnten in einer reinen Bergbau-Gegend, fast schon klischeehaft: Die Nachbarn hatten ihre Karnickel, ihre Tauben und zum Beispiel auch eine ganz eigene Vorstellung, was romantisch ist. Von wegen Kerzenschein: Unser Nachbar fand es romantisch, wenn in seiner Wohnung 100-Watt-Birnen leuchteten. Der mochte das Schummerlicht nicht. Das hatte er ja bei der Arbeit genug. Der Mann hat jahrzehntelang unter Tage gearbeitet.
Waren Sie als Schauspieler nochmal unter Tage?
Nein. Ich habe den Schritt auch nie bereut, Schauspieler zu werden. Aber trotzdem verbindet mich noch sehr, sehr viel mit dem Bergbau.
Am 4. Dezember, am Tag der Schutzheiligen Barbara, wurde die Zeche in Ibbenbüren geschlossen. Klaus J. Behrendt drehte an diesem Tag einen neuen Tatort.