Victor An verzückt neue Heimat Russland

Mit 16 sprintete er in Salt Lake City durch den olympischen «Nudeltopf», mit 20 war er als Ahn Hyun-Soo erfolgreichster Teilnehmer der Spiele von Turin. Nun wird der Shorttracker als Victor An in Russland nach dem Sieg über 1000 Meter als neuer Held verehrt.

Sotschi (dpa)

von Von Frank Thomas und Wolfgang Jung, dpa

, 16.02.2014, 16:33 Uhr / Lesedauer: 2 min

Victor Ans Einbürgerung hat sich für Russland gelohnt. Foto: How Hwee Young

Victor Ans Einbürgerung hat sich für Russland gelohnt. Foto: How Hwee Young

Die russische Nationalhymne schmetterte Victor An bei der Siegerehrung auf der Medal Plaza im Olympiapark schon ohne Textlücken. Die Tränen konnte der kleine Eisflitzer mit dem gefärbten roten Haar bereits nach seinem Triumph in der Eisberg-Arena von Sotschi kaum zurückhalten.

Mit seiner Goldmedaille über 1000 Meter avancierte der in Seoul geborene An am Samstag in der Schwarzmeerstadt zum erfolgreichsten Shorttracker der Olympia-Geschichte. Vier Gold- und zwei Bronzemedaillen zieren jetzt seinen Medaillenschrank. Er löste die viermal mit Gold dekorierte Chinesin Wang Meng an der Top-Position ab.

«Auf diesen Moment habe ich acht Jahre lang gewartet, viele Schwierigkeiten überwunden - und jetzt die beste Belohnung bekommen», meinte der neue Olympia-Held der Gastgeber. «Es ist schwer, meine Gefühle zu beschreiben.» In Turin hatte der damals 20-Jährige 2006 noch eine ganz andere Nation in Wallung gebracht. Mit dreimal Gold und einmal Bronze verließ Ahn Hyun-Soo, wie er damals hieß, die Stadt im Piemont als erfolgreichster Olympia-Teilnehmer. In seiner Heimat Südkorea waren ihm damals rote Teppiche ausgerollt worden, An erhielt eine Rente auf Lebenszeit, ihm wurde gehuldigt wie ein Fürst.

Doch drei Jahre später stoppte eine schwere Verletzung den nur 65 Kilogramm schweren Eisflitzer, er verpasste die Qualifikation für Vancouver. Reibereien mit dem Verband zerrten an seinen Nerven, die Konkurrenz machte ihm das Siegen schwer. Von Sportführern in Seoul wurde er gedrängt, der Jugend Platz zu machen, die Talente standen Schlange. Schließlich gibt es viel Geld zu verdienen im «Nudeltopf», wie die Shorttracker ihre enge 111-Meter-Eispiste nennen.

Doch für ein Karriereende mit nur 25 Jahren schien An die Zeit nicht reif, im Sommer 2011 wechselte er nach Russland. Wenige Monate später erhielt er die russische Staatsbürgerschaft und nennt sich seitdem Victor An. «Ich wollte nach der Verletzung nicht aufhören und bin nach Russland gegangen, wo die vielleicht weltbesten Trainingsbedingungen herrschen», sagte An der Agentur Itar-Tass zu seinem Wechsel der Shorttrack-Welten. «Die Goldmedaille beweist, dass ich die richtige Wahl getroffen habe.»

In seiner einstigen Heimat wird der Übertritt überwiegend mit Verständnis und Sympathie betrachtet. Wieder kochten Spekulationen hoch, dass auch Machtkämpfe im Verband zum Rauswurf Ans aus der Nationalmannschaft führten. Angesichts seiner Erfolge fragte selbst Staatspräsidentin Park Geun Hye öffentlich, ob interne Streitigkeiten oder Korruption dazu geführt hätten, dass Südkorea den Super-Sportler verlor. Die Regierung in Seoul teilte mit, dass näher untersucht werden solle, warum An seine Nationalität änderte. Ans Vater wirft der Eislauf-Union Südkoreas vor, damals die Auswahlkriterien zum Nachteil seines Sohns geändert zu haben.

Doch nicht überall wurde der gleichsam wendige wie elegante Eissprinter mit offenen Armen empfangen. «Ans ganzes Leben besteht aus Widersprüchen. Viele Russen sind ihm mit gewohntem Misstrauen begegnet: Ist er nicht schon zu alt? Die Südkoreaner werfen ihn weg - und wir nehmen ihn! Wie wird er sich als Koreaner in Russland einleben?», schilderte die russische Regierungszeitung «Rossijskaja Gaseta» die Befindlichkeiten - um nach dem goldenen Triumph zu konstatieren: «All das war Unsinn.»

An, der inzwischen ganz gut Russisch spricht, behauptet zumindest, ein entspanntes Verhältnis zu seinen größten Gegnern zu haben, die aus seiner alten Heimat stammen. «Auf dem Eis sind wir Konkurrenten, aber es gibt weder Kränkungen noch Hass», sagte der Neu-Russe, der mit dem Gewinn von zwei EM-Titeln in Dresden vor einem Monat seine blendende Form unterstrichen hatte. Doch auch nach den zwei Medaillen in Sotschi - Bronze gewann er über 1500 Meter - ist sein Medaillenhunger nicht gestillt. «In Sotschi habe ich noch einen Traum: Ich will mit der Mannschaft den Sieg feiern.»

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