Für die einen ist der Turm das Zeichen für Heimat, andere bringt das Gebäude in die Nähe von Gott. Viele Menschen mit persönlichen Verbindungen zur Stadtkirche machten sich ein Bild von der aufwendigen Sanierung. Die Verantwortlichen mussten an mehreren Stellen versprechen: Sie wird wieder heil.
Sie wird wieder heil werden, lautet die wichtigste Botschaft, die die evangelische Kirchengemeinde und der Kirchenkreis den Gemeindegliedern und Bürgern Unnas am „Tag der offenen Baustelle“ mitgeben wollte. Zum ersten Mal, seitdem das Sturmtief Friederike eine Fiale vom Turm abgerissen und auf das Dach der Stadtkirche geworfen hatte, war das Gebäude wieder einer größeren Öffentlichkeit zugänglich. Die Menschen erschienen zahlreich und warteten ungeduldig auf Einlass, als verfrüht die Glocken zur elften Stunde läuteten. „Die Turmuhr geht noch drei, vier Minuten anders als die des Posaunenchors“, stellte Inga Schönfeld fest. Für die Pfarrerin gleich zu Beginn ein Symbol für die gesamte Situation. „Wir haben noch ein bisschen was vor uns und zugleich die große Freude, dass sie funktioniert.“
Flatterband und Folie
Im Inneren wirkte die Kirche ein bisschen kahl, die Nordseite war blank, Stühle und Kunstwerke ganz in eine Ecke an der Südseite geschoben. Flatterband diente als Absperrung und verschiedene Bereiche etwa Kanzel, Altar und Orgel waren hinter Folie verborgen. „Wie sieht es denn hier aus, an diesem Ort, wo Gottes Ehre wohnen soll?“, fragte Pfarrerin Renate Weißenseel in der Baustellenandacht. „Verwundet ist er, dieser Ort, diese Stätte. Aus heiterem Himmel. Für uns unvorstellbar.“ Schließlich stehe Unnas Kirche schon seit Jahrhunderten. Sie sei für viele ein unvergängliches Zeichen der Stadt und Zufluchtsort. „Sie wird wieder heil werden. Es wird uns etwas abverlangen. Die Baustelle aushalten, Geduld und Ausdauer und auch Kraft und Energie und Zusammenspiel“, so Weißenseel.

Dietrich Schneider vom Kirchenkreis erklärt den Besuchern die Schäden an der Außenfassade. © Marcel Drawe
Nicht der schlimmste Fall eingetreten
Dabei war der eigentliche Schaden am Gewölbe der Stadtkirche nicht einmal zu sehen. Um den Tag der offenen Baustelle durchführen zu können, hatte die Gemeinde die Sicherheitsauflage bekommen, den Zugang zum hinter Folie verborgenen Schwerpunkt der Arbeiten geschlossen zu halten. Eine Fotoserie von den Bauarbeiten diente aber zur Dokumentation der Arbeiten der letzten Monate. Hier war zu sehen, wie glimpflich das Unglück eigentlich verlaufen war. Schließlich war die Fiale von einem Bogen des Gewölbes gestoppt worden, der wiederum trotz der massiven Beschädigung hielt. „Bei allem was passiert ist, kann man noch sagen, es war nicht das Worst-Case-Szenario“, erläuterte Dietrich Schneider. Die große Schwierigkeit, so der Öffentlichkeitsreferent des Kirchenkreises, bestand darin, den Bogen abzustützen, während niemand den Bereich darunter betreten durfte. Außerdem befindet sich die Beschädigung über der Chorempore, die durchlöchert werden musste, um das stützende Gerüst anzubringen, da sie selbst die Last nicht hätte tragen können. Mittlerweile ist der beschädigte Gewölbebogen aber repariert und die Decke dazwischen wurde neu gemauert. Es folgen nun Putz, Farbe und schließlich eine intensive Reinigung der gesamten Kirche. Wie lang das dauern wird, ist noch nicht abzusehen. „Das ist nicht nachmittags mal feucht durchwischen“, scherzte Schneider.

Am „Tag der offenen Baustelle“ war der Besucherandrang groß. Die Öffentlichkeit durfte zum ersten Mal seit Januar auch in die Kirche. © Marcel Drawe
Symbol für das Nachhausekommen
In der Gemeinde und Bürgerschaft wurde die Möglichkeit zur Begehung der Stadtkirche sehr positiv aufgenommen. „Wenn wir von einer Reise wiederkommen, ist sie ein Symbol für das Nachhausekommen“, stellte Elvira Roth fest. Sie wohnt ganz nah an der Kirche und hat daher den Turm von ihrem Fenster aus immer im Blick. Als Symbol für die Stadt nehmen auch die jungen Unnaer die Kirche wahr. „Man sieht sie von so ziemlich jeder Stelle“, meinte der 13-jährige Florian und sein Altersgenosse Nils ergänzte: „Wenn man über die Autobahn fährt, sieht man sie schon von ganz weit weg.“ Daher hat das alte Gemäuer auch eine große Bedeutung für Unnaer, die nicht glauben oder einer anderen Konfession angehören. Für den 13-jährigen Ben ist der Erhalt der Kirche wichtig, denn „es ist wie eine Verbindung zu Gott“. „Ich kenne Unna seit 1963 und die Kirche hat immer das Stadtbild geprägt“, erklärte Jürgen Korvin. Als Mitglied des Posaunenchors, der auch die Baustellenandacht begleitete, und Mitglied des Fördervereins zum Erhalt der Stadtkirche berührt ihn das Schicksal des Gotteshauses in vielfacher Weise. Korvin war geschockt als er von der Beschädigung hörte. Ich hatte keine Vorstellung und bin auch erst nicht hingefahren, das musste ich erst ein wenig sacken lassen.“
Grund zur Hoffnung
Mittlerweile gibt es aber viel Grund zur Hoffnung. Die Arbeiten machen Fortschritte und auch die wichtigsten Fragen zur Sanierung der beschädigten Fassade sind geklärt. All das wurde beim Tag der offenen Baustelle mit Führungen und vielen Gesprächen bei Kaffee und Kuchen gefeiert. Auch wurden an die Besucher Luftballons verteilt, die sie als Zeichen der Hoffnung an die Decke des Kirchenschiffes steigen lassen konnten. Viele nutzten die Gelegenheit, sich über den Zustand und die weitere Planung zu informieren. Fest steht, dass der Kirchplatz zum Stadtfest teilweise zur Verfügung stehen wird, auch wenn der Gottesdienst auf den Rathausplatz verlegt wird. „Das nächste Mal richtig geöffnet wird sie im Dezember“, versprach Dietrich Schneider. „Ja, wir feiern Weihnachten hier.“ Voll einsatzfähig soll die Stadtkirche dann wieder in der Osterzeit sein, wenn auch die Orgel aufwändig gereinigt wurde. Die Arbeiten an der Außenseite werden die Gemeinde aber noch ein paar Jahre begleiten, denn wenn einmal die stark angeschlagene Westseite fertig ist, sollen kleinere Sanierungen rund um das gesamte Gebäude folgen, um die Stadtkirche vollkommen in Ordnung zu bringen.