Sláva Daubnerová hat so ihre Probleme mit Verdis Oper „Die Macht des Schicksals“, die sie am Samstag am Essener Aalto Theater – natürlich auf Italienisch – herausgebracht hat. Das darin zentrale Thema Krieg will die slowakische Regisseurin besonders sensibel und daher überzeitlich behandeln, weshalb in einer Szene Soldaten mit bunt gewürfelten Kopfbedeckungen vom Römerhelm bis zur Pickelhaube zu sehen sind.
Dann allerdings lässt sie sich von Volker Hintermeier als Hauptrequisit eine riesige Kriegerinnenstatue auf die Bühne stellen, die eindeutig einem russischen Denkmal zur Erinnerung an die Schlacht von Stalingrad im Zweiten Weltkrieg nachempfunden ist. Ein christliches Kloster – in der Oper der friedliche Gegenentwurf zur brutalen Welt – ist dagegen für Daubnerová tabu. Stattdessen werden nur schwarze Wände mit blendenden Neonröhren aufgefahren.

In der Oper dürfen die Liebenden Leonora und Alvaro nicht zusammenkommen und sind, getrennt voneinander, auf der Flucht, weil Alvaro unbeabsichtigt Leonoras Vater erschossen hat und deren Bruder Carlos das rächen will. Bei Daubnerová greift unsinnigerweise Leonora selbst zur Waffe und scheint überdies nicht wirklich verliebt zu sein.
So entsteht auch fürs Publikum keinerlei emotionale Bindung zu den Protagonisten, welche darüber hinaus beim Singen meist keinerlei Regung zeigen. Die fehlende Personenregie wird zum Teil durch lächerliche Videoprojektionen – etwa Augen im Großformat oder marschierende Soldaten – überspielt.
Tolle Sänger-Leistungen
Die musikalischen Leistungen entschädigen für die schwache Regie. Bei der Premiere brillierte Jorge Puerta als Alvaro mit ausgewogen runder und strahlender Heldentenorstimme. Roberto Scandiuzzi verlieh dem Pater Guardiano stimmliche Autorität durch seinen sehr präsenten, tiefen Bass.
Massimo Cavalletti war ein sonorer, ausdrucksstarker Carlos. Astrik Khanamiryans Leonora setzte sich mit ebenso viel Power übers Orchester hinweg wie die Vorgenannten. Ihr sehr starkes Vibrato schmälerte den Genuss etwas – und ihrer „Pace“-Arie am Ende fehlte das Anrührende.
Orchester und Chor in Hochform
Bettina Ranch bewältigte die anspruchsvolle Partie der kriegstreibenden Wahrsagerin Preziosilla souverän. Karl Martin Ludvik gab den Mönch Melitone mit seinem schlank geführten Bariton ebenso geschniegelt und glatt, wie es sein äußeres Erscheinungsbild vorgab.
Doch was wäre „Die Macht des Schicksals“ ohne die schlagkräftig-dramatischen und ergreifend-zarten Töne in Chor und Orchester? Der Aalto-Chor und die Essener Philharmoniker unter Andrea Sanguineti liefen beide zu Hochform auf.
Termine: 17. / 23. / 30. 11., 19.12.2024, 2025: 12. 1., 5. 2., 2. / 28. 3., 24. 4.; Karten: Tel. (0201) 812 22 00.
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