Valneva-Impfstoff: Wie funktioniert er – und was meint „Totimpfstoff“ eigentlich?

Coronavirus

Das Corona-Vakzin vom Hersteller Valneva könnte einer der nächsten Impfstoffe sein, der in der EU zugelassen wird. Trotz erster positiver Daten erwarten Experten nicht allzu viel von dem Impfstoff.

Berlin

27.01.2022, 04:30 Uhr / Lesedauer: 4 min
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) prüft derzeit den Corona-Impfstoff von Valneva.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) prüft derzeit den Corona-Impfstoff von Valneva. © picture alliance/dpa/AP

Bislang ist in der EU ist noch kein Impfstoff zugelassen, der auf inaktiviertem Sars-CoV-2 besteht. Das könnte sich aber demnächst ändern. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) prüft gerade das Mittel des französischen Unternehmens Valneva. Ein konkretes Datum, wann über eine Zulassung entschieden wird, steht noch nicht fest. Aber die Firma hat inzwischen neue vielversprechende Ergebnisse vorgelegt.

Blutproben von 30 Probanden, die drei Dosen des Impfstoffs erhalten hatten, enthielten zu 100 Prozent Antikörper gegen die Delta-Variante und zu 87 Prozent Antikörper gegen Omikron – allerdings 16,7-fach reduziert gegenüber Omikron im Vergleich zum Ursprungsvirus. Absolute Werte, mit denen ein Vergleich zu mRNA-Impfstoffen vorgenommen werden könnte, veröffentlichte das Unternehmen allerdings nicht in seiner Presseerklärung.

Braucht es noch den Valneva-Impfstoff?

Britische Wissenschaftler hatten zuletzt verschiedene Impfstoffe verglichen. Sie untersuchten, welche Präparate sich zum Boostern – also für die dritte Impfung – eigneten, einerseits nach zwei Dosen Biontech/Pfizer oder nach zwei Dosen Astrazeneca. Als Booster getestet wurden die Impfstoffe von Novavax, Valneva, Astrazeneca, Janssen, Curevac, Biontech und Moderna. Am besten funktionierten die mRNA-Vakzine – weit abgeschlagen auf dem letzten Platz landete das Präparat von Valneva. In Europa, wo die Mehrzahl der Menschen bereits geimpft ist, wird es deshalb wohl keinen großen Markt mehr geben für den Impfstoff.

Zwar erklärte der Hersteller daraufhin, dass das schlechte Abschneiden seines Vakzins dem geringen Abstand zwischen der zweiten und dritten Dosis geschuldet sei – ein wenig überzeugendes Argument. „Zwei bis drei Monate sind in der Regel ein ausreichendes Zeitintervall“, erklärt Christian Münz, Professor für Virale Immunbiologie an der Uni Zürich. „Außerdem hat das Boostern mit den mRNA-Impfstoffen ja in der entsprechenden Vergleichsstudie gut funktioniert. Daher scheint mir das Argument von Valneva nicht wirklich stichhaltig.“

Die EU-Kommission hat einen Kaufvertrag mit Valneva über insgesamt 60 Millionen Dosen geschlossen. Warum überhaupt noch ein weiterer Impfstoff für Europa? Der Hauptgrund dürfte die Skepsis einiger Menschen gegenüber den bisher in der EU zugelassenen Präparaten sein. Diese schleusen allesamt Erbsubstanz – RNA oder DNA – in die Zelle ein, wodurch erst im Körper das Protein gebildet wird, welches die Immunreaktion auslöst.

Es gibt Menschen, die dieses neue, mittlerweile aber auch bewährte Verfahren ablehnen, sich aber impfen lassen würden, wenn ein klassisches Präparat verfügbar wäre, mit dem direkt abgetötete Viren oder deren Proteine injiziert würden. So ergab beispielsweise eine Umfrage unter 1000 Ungeimpften, dass die Hälfte von ihnen sich nur mit einem „Totimpfstoff“ impfen lassen würde.

Was ist ein „Totimpfstoff“?

Allerdings ist der Begriff „Totimpfstoff“ sehr unscharf. Er diente historisch dazu, Impfstoffe, die aus vermehrungsfähigen Erregern bestanden, zu unterscheiden von solchen, die auf nicht vermehrungsfähigen Viren basieren. Die ersten Impfstoffe bestanden tatsächlich allesamt aus abgeschwächten Viren – und noch heute gehören solche „Lebendimpfstoffe“ zu den wirksamsten und sichersten Vakzinen.

So besteht etwa der Mumps-Masern-Röteln-Impfstoff, der jedem Kind ab neun Monaten verabreicht wird, aus solchen attenuierten, das bedeutet, sich vermehrenden, aber nicht mehr krank machenden Viren. Demgegenüber standen historische Impfstoffe, die aus abgetöteten Viren oder – in den vergangenen Jahrzehnten – zunehmend aus Erregerproteinen hergestellt wurden.

Der Unterschied zwischen Lebend- und Totimpfstoffen besteht also ausschließlich in der Fähigkeit, sich im Menschen vermehren zu können oder eben nicht. Da die gegen Covid-19 zugelassenen Vakzine entweder aus nicht replizierenden Vektoren oder eben mRNA bestehen und deshalb im Körper kein vollständiges Virus bilden können, zählt das Paul-Ehrlich Institut, die zuständige deutsche Behörde, die Mittel von Biontech und Moderna zu den Totimpfstoffen.

„Die historischen Kategorien Tot- versus Lebendimpfstoff beschreiben die modernen Impfstoffe unzureichend“, sagt Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Uni Gießen. „Eigentlich vereinen Vektor- und mRNA-Impfstoffe die besten Eigenschaften von Tot- und Lebendimpfstoffen. Sie vermehren sich zwar nicht, produzieren aber Virusproteine in der Zelle.“

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Diese impfstoffinduzierte Virusproduktion hat viele Vorteile. So wird dadurch nicht nur die Antikörperantwort, sondern auch die zelluläre Abwehr mittels zytotoxischer T-Zellen stimuliert. „Ein typischer Impfstoff aus inaktivierten Viren löst nur eine Antikörperantwort aus“, sagt Friedemann Weber. „Es fehlt dann der bewaffnete Arm der Immunabwehr, der infizierte Körperzellen erkennt, diese abtötet und so die Neuproduktion von Viren stoppt.“ Sie wird dafür verantwortlich gemacht, dass Vektor-und mRNA-Impfstoffe meist auch noch gegen schwere Covid-19-Verläufe schützen, selbst wenn die Antikörper nicht mehr nachgewiesen werden können.

Außerdem bewirkt die Erbsubstanz, die sowohl in Lebend- als auch in Vektor und mRNA-Impfstoffen enthalten ist, eine stärkere unmittelbare Stimulation der angeborenen Immunabwehr, was wiederum auch die Antikörperproduktion verbessert. Inaktivierte Viren enthalten dagegen zwar auch Erbsubstanz, aber sie bringen sie nicht ins Innere der Zelle. Sie kann damit auch nicht über Toll-like-Rezeptoren im Inneren der Zelle die angeborene Immunantwort aktivieren und somit positiv auf die Antikörperantwort wirken. „Ein typischer inaktivierter Virusimpfstoff braucht deshalb Wirkverstärker“, sagt Friedemann Weber.

Wirkverstärker bei Valneva-Impfstoff nötig

Bei Valneva ist man dabei einen innovativen Weg gegangen – als Adjuvans enthält der Impfstoff die Substanz CpG 1018. Es handelt sich dabei um ein kurzes Stück DNA mit einer Buchstabenfolge, wie sie im Genom des Menschen im Vergleich zu Viren und Bakterien unterrepräsentiert ist. Mittels des sogenannten Toll-like-9-Rezeptors erkennt der Körper so fremde DNA und stimuliert die Antikörperanwort. CpG 1018 wirkt über diesen Weg. Kurioserweise enthält der Totimpfstoff, auf den Skeptiker, die Angst vor Erbsubstanz haben, warten, also auch Erbsubstanz – eben nur nicht mit enthaltener genetischer Information, sondern als Wirkverstärker.

Die von Valneva benutzte Adjuvans-Technologie wird sogar bereits in einem Impfstoff gegen Hepatitis B verwendet. Tatsächlich zeigte der VLA2001 genannte Covid-Impfstoff der französischen Firma laut Pressemitteilung zunächst eine gute Wirksamkeit. Die Antikörperausschüttung war besser als nach Injektion des Astrazeneca-Impfstoffs. Obwohl inaktivierte Virusimpfstoffe generell geringe Antikörperspiegel hervorgerufen hatten als Vektorimpfstoffe.

Nicht auf Valneva-Impfstoff warten

„Valneva kann noch helfen zur Bekämpfung der Pandemie, aber ich erwarte, dass ihr inaktivierter Virusimpfstoff eher noch häufiger als die mRNA-Impfstoffe aufgefrischt werden muss“, sagt Friedemann Weber. Denn trotz innovativer Adjuvans-Technik von Valneva bleibt ein Problem bestehen – die schlechte Stimulation von T-Zellen.

Könnte der Impfstoff aber vielleicht einen Vorteil gegen die Omikron-Variante haben? Immerhin enthält er ja den kompletten Erreger, induziert also eine Immunantwort, die nicht nur gegen das bei Omikron stark mutierte Spike-Protein, sondern auch gegen weitere Proteine des Virus gerichtet sind. „Das Produkt von Valneva wird auch nicht viel bringen, da die Immunantwort gegenüber dem M- und N-Protein nur zu einem kleinen Teil zur Immunkontrolle beiträgt“, sagt Christian Münz. „Ich sehe für Valneva nur einen Vorteil bei Leuten, die sich absolut gegen die mRNA-Technologie sträuben, und vielleicht aufgrund der Transportbedingungen in Ländern, die eingefrorene Impfstoffe nicht effizient verteilen können.“

Auf keinen Fall solle man auf einen vermeintlich sichereren Impfstoff warten mit der Covid-Impfung, sagt Friedemann Weber. „Die empfohlenen Impfstoffe sind super, sicher und vor allem: verfügbar.“ Mittlerweile hat sich genauso der Chef von Valneva geäußert: „Ich rate niemandem, auf unseren Impfstoff zu warten“, sagte CEO Thomas Lingelbach dem Spiegel. Er selbst habe schon seine Drittimpfung mit Biontech erhalten.

RND

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