US-Whistleblowerin Chelsea Manning ist frei

Fast sieben Jahre Haft

Sie ist eine Art Mutter aller Whistleblower: Chelsea Manning. Mit Informationen aus dem Inneren der US-Streitkräfte machte Manning die Plattform Wikileaks berühmt. Nach fast sieben Jahren in Haft ist sie jetzt wieder frei. Nicht alle sind damit einverstanden.

WASHINGTON

17.05.2017, 17:36 Uhr / Lesedauer: 2 min
Von der ehemaligen Wikileaks-Informantin Chelsea Manning existieren nur wenige Fotos.

Von der ehemaligen Wikileaks-Informantin Chelsea Manning existieren nur wenige Fotos.

Anfang April 2010 machte ein entsetzliches Video die Runde um die Welt: US-Soldaten feuern aus einem Hubschrauber auf unschuldige Menschen im Irak. Sie töten nicht nur die wehrlosen Zivilisten, sie ergötzen sich sogar an deren Leid. „Ich bin gerade über eine Leiche gefahren“, sagt einer hörbar lachend, der eigentlich Verletzte bergen soll. Das Video, das später unter dem Titel „Collateral Murder“ („Kollateralmord“) bekannt werden sollte, zeigt den Tod unschuldiger Menschen - darunter zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters. Die US-Armee hielt es geheim, auch für die Hinterbliebenen. Bis es einem jungen Computerexperten der Streitkräfte in die Hände fiel. Sein Name: Bradley Manning.

Manning spielte Wikileaks Schock-Video zu 

Damals gerade 20 Jahre alt, spielte er das Video als Teil einer immensen Datensammlung aus dem Irak heraus der Enthüllungsplattform Wikileaks zu. Die Welt war erregt. Die USA, die ihre Soldaten gerne als Helden im Dienste des Guten in der Welt darstellen, waren blamiert. Es war quasi die inoffizielle Geburtsstunde von Wikileaks und auch der Startschuss eines erbitterten Kampfes der USA gegen das Enthüllen geheimer Dokumente.

Jahre nach den Schüssen von Bagdad hat sich viel getan: Manning heißt nicht mehr Bradley, sondern Chelsea und ist nach einer Geschlechtsumwandlung während ihrer Inhaftierung jetzt eine Frau. Zu 35 Jahren Militärhaft unter anderem wegen Spionage verurteilt, kam sie nun am Mittwoch aus dem Gefängnis frei. US-Präsident Barack Obama, dessen Regierung für harte Haftbedingungen und eine strenge Linie gegen Whistleblower stand, hatte Mannings Haft kurz vor Ende seiner Amtszeit verkürzt. 

Erste Schritte in die Freiheit in Turnschuhen

Ob Manning ein gebrochener Mensch ist, muss sich zeigen. „Wie konnte ich nur glauben, als einfacher Soldat die Welt verändern zu können“, hieß es in ihrem Geständnis. Heute will sie nur noch nach vorne schauen. „Nach weiteren angstvollen vier Monaten des Wartens ist der Tag endlich gekommen“, heißt es in einer Stellungnahme, die ihre Anwälte am Mittwoch veröffentlichten. „Alles, was vor mir liegt, ist wichtiger als die Vergangenheit.“ Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichte Manning ein Foto, das ihre Füße in Turnschuhen zeigt, offenbar als Symbol für die ersten Schritte in Freiheit gemeint.

First steps of freedom!! ?https://t.co/kPPWV5epwa#ChelseaIsFreepic.twitter.com/0R5pXqA1VN

— Chelsea Manning (@xychelsea)

Folterähnlichen Methoden soll sie in der Haft ausgesetzt gewesen sein. Sie gab an, sie sei in Isolationshaft gehalten worden, habe sich in der Zelle nackt ausziehen müssen. Mindestens zweimal versuchte sie, sich umzubringen, einmal trat sie in den Hungerstreik.

Präzedenz-Verfahren gegen Whistleblower in den USA

Das Verfahren gegen Manning war der erste richtig große Prozess gegen einen Whistleblower in den USA. Ein Präzedenzfall: Was passiert jemandem, der das mächtigste Land der Welt herausfordert? 35 Jahre Haft, das Urteil fiel den Erwartungen entsprechend aus. Das öffentliche Urteil über Chelsea Manning ist am Tag ihrer Freilassung gespalten. In Europa gilt sie vielen als Heldin. Manning war mehrmals für den Friedensnobelpreis nominiert, mehrere Menschenrechtspreise wurden ihr zuerkannt, darunter auch in Deutschland. Keinen konnte sie persönlich entgegennehmen.

Republikaner forderte Todesstrafe

Für die meisten in den USA ist Manning eine Verräterin. Mehrere Politiker, darunter der republikanische Präsidentschaftsbewerber Mike Huckabee, forderten die Todesstrafe. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, hält diese Entscheidung noch heute für „empörend“. Nach etwas weniger als sieben Jahren Militärhaft ist Manning nun eine freie Frau. Fast. Offiziell ist Manning noch immer Mitglied der Streitkräfte und untersteht damit deren Regeln. Zwar kann sie nicht mehr derselben Vergehen angeklagt werden, für die sie schon einmal verurteilt wurde. „Wenn sie eine neue Straftat beginge, hätte das Militär wieder die Hand drauf“, sagte ihr Anwalt David Coombs dem US-Sender NBC.

von dpa