Urlaub samt Corona-Impfung – was ist dran am umstrittenen Angebot?
Reisen
In den Urlaub fahren und dabei eine Corona-Impfung abstauben – geht es nach dem ein oder anderen Reiseanbieter, soll das bald möglich sein. Experten sehen Impfreisen aber durchaus kritisch.

Impfungen im Urlaub - damit wird nun geworben. © picture alliance/dpa
Während in Deutschland und anderen europäischen Ländern noch nicht absehbar ist, wann die jüngere und reisewillige Bevölkerung geimpft werden kann, glauben Reiseveranstalter ein neues Geschäftsmodell entdeckt zu haben: Das Nützliche mit dem Schönen verbinden. „Lassen Sie sich im Urlaub gegen Corona impfen“ – mit diesem und ähnlichen Slogans werben Veranstalter aktuell für eine Impfreise in die Vereinigten Arabischen Emirate, Israel, Serbien oder den Seychellen.
Ein britischer Privatclub hatte bereits vor einigen Wochen mit einem Angebot für Superreiche für Kritik gesorgt: Mitglieder konnten sich für 45.000 Euro während einer 21-tägigen Luxusreise nach Dubai impfen lassen. Nun melden sich auch aus Deutschland und Österreich Unternehmen mit Plänen, erste Reisebüros bereiten sich auf Impfreisen vor und rechnen mit Preisen ab 2000 Euro für den Impfaufenthalt – Entspannung inklusive.
Für Aufsehen sorgte jüngst ein Facebook-Post des Reisebüros Sonnenklar.TV aus Duisburg, eingeleitet mit den Worten: „Bald buchbar – natürlich auch bei uns. Wenn es in Deutschland keinen Impfstoff gibt – dann geht’s auf Impfreise!“ Zwar seien mögliche Ziele und Termine noch in der Planung, aber eine Registrierung sei bei dem Veranstalter Fit Reisen schon möglich.
Mögliche Ziele für Impftouristen: Emirate, Seychellen, Großbritannien, Serbien
Es ist der erste deutsche Anbieter, der gezielt um Impftouristen wirbt. Immerhin seien Länder wie Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Seychellen oder auch Großbritannien auf einem guten Weg, die eigene Bevölkerung bald durchgeimpft zu haben, heißt es auf der Website.
Und da die Länder mehr Impfstoff bestellt hätten, als sie benötigten, und diese Dosen aufgrund spezieller Lager- und Vertragsbedingungen auch nicht außer Landes geschafft werden könnten, könnten Impftouristen die überschüssigen Impfdosen abgreifen.
Drei bis vier Wochen Gesundheitsurlaub
Wie solch eine Reise aussehen soll, hat der Veranstalter bereits skizziert: Drei bis vier Wochen Gesundheitsurlaub samt Aufklärungsgespräch mit einem Arzt. Ein Piks zu Beginn, einer am Ende der Reise. Kosten: 2000 bis 3000 Euro, zuzüglich Arztbesuche und Impfstoff.
Auch in Österreich feilen Reiseagenturen bereits an der Realisierung von Impfreisen. Mit dem Slogan „First come. First go. Freedom for you.“ wirbt der österreichische Verleger Christian W. Mucha auf seiner Website Impfreisen.at. Man wolle Gäste dorthin bringen, wo ein „Impfstoff ohne Einschränkungen verabreicht werden darf“, heißt es weiter. Unverbindliche Reservierungen werden bereits entgegengenommen – mehr als 3000 sind nach Muchas Angaben bereits eingegangen.
Preise für Impfreisen zwischen 2000 und 25.000 Euro
Gehen könne es beispielsweise nach Serbien. Dort werde der derzeit in der EU noch nicht zugelassene Einmalimpfstoff von Johnson & Johnson verabreicht – was zu einem schnellen Impfkurztrip für circa 3000 Euro führen könnte, heißt es auf der Website. Auch Länder, in denen russische oder chinesische Impfstoffe zugelassen seien, kämen infrage.
Luxusangebote werden auf der Seite ebenfalls beworben: für rund 20.000 Euro pro Person. Genaue Ziele hierfür verrät Mucha noch nicht, in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“ sagte er nun allerdings, die Verträge stünden kurz vor dem Abschluss. Unbekanntere Destinationen würden das Angebot nutzen wollen, um den Tourismus in ihren Ländern anzukurbeln.
Impftourismus nur in Ländern, in denen Einheimische geimpft sind
Wie realistisch ist die Umsetzung der Pläne? „Generell stehen wir als Fit Reisen Group mit möglichen Zielländern im Gespräch, Impfreisen in naher Zukunft anzubieten. Wenn wir dann auch von der deutschen Regierungsseite das Signal bekommen, dass wir sehr gern diese Impfreisen anbieten sollen, um die derzeitige Impfsituation bei uns zu entlasten, unterstützen wir sehr gern“, sagte Fit-Reisen-Sprecherin Sarah Porrmann dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Sie betont jedoch: Die Reisen könnten nur mit einem Überangebot an Impfstoff in den Destinationen verwirklicht werden – wenn also alle Einheimischen, die geimpft werden wollen, bereits geimpft seien. Porrmann sieht darin zwei Pluspunkte: Das deutsche Gesundheitssystem könnte entlastet und die lokale Wirtschaft, vor allem die Tourismusbranche, wiederbelebt werden.
Israel wiegelt ab: Pläne für Impftourismus werden nicht unterstützt
Aus Israel, einer der anvisierten Destinationen für Impfreisen, kommt derweil eine klare Absage: „Es gibt derzeit keine Möglichkeiten für Touristen in Israel, sich impfen zu lassen. Es werden keine Impfreisen angeboten“, teilte Ella Zack Solomon, Direktorin des Staatlichen Israelischen Verkehrsbüros für Deutschland, Österreich und die Schweiz, dem RND mit. Ausschließlich die Einwohner Israels würden geimpft – derzeit sind bereits 3,6 von 8,9 Millionen Israelis gegen Covid-19 geimpft. Damit ist Israel weltweit führend, was die Quote an Corona-Impfungen angeht.
Fit Reisen sieht inzwischen wohl kaum mehr Chancen für Israel als Kooperationspartner. Dort sperre man sich, sagte Porrmann. Deshalb wurde wohl auch der ursprünglich veröffentlichte Zeitplan – ab März voraussichtlich Impftourismus in Israel, ab April in den Vereinigten Arabischen Emiraten und den Seychellen, ab Mai in Großbritannien – von der Seite genommen.
Man stehe aber weiterhin in gutem Austausch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, so Porrmann. Auf Anfragen des RND äußerten sich weder das Tourismus- noch das Gesundheitsministerium der VAE.
Karl Lauterbach hält Impfreisen für ein „unethisches Geschäftsmodell“
Fest steht: Solange Impfstoffe in den Zielländern nicht für Privatzahler und Touristen angeboten werden, sind solche Angebote nicht legal. Aber, ob realistisch oder nicht, die Pläne der Reiseveranstalter sorgen für jede Menge Kritik, beispielsweise von SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Dem WDR sagte er, er halte solche Impfreisen für ein „unethisches Geschäftsmodell“. Die Dosen sollten lieber ärmeren Ländern, die sich die Impfungen nicht leisten könnten, zur Verfügung gestellt werden.
Kritik kommt auch vom Gesundheitsministerium in Österreich, das steht dem Vorhaben des Verlegers Christian W. Mucha laut „Der Standard“ skeptisch gegenüber, die Impfreisen würden die Problematik mit der Impfstoffknappheit nur verlagern. Zudem heißt es, „dass im Fall von Vakzinen, die in der EU nicht zugelassen sind, kein Anspruch auf Entschädigung laut Impfschadengesetz gegeben wäre.“
Reisebranche hofft durch Impftourismus und mehr Geimpfte auf Aufschwung
Auch wenn es von staatlicher Seite noch Zurückhaltung gibt, ist es nicht verwunderlich, dass die Reisebranche den Impftourismus zumindest in Betracht zieht. Seit fast einem Jahr befindet sich die Reisebranche größtenteils im Stillstand, zahlreiche Anbieter kämpfen um die Existenz. Auf den Impfstoffen ruhen Hoffnungen, bald wieder unbeschwert durch die Welt reisen zu können.
Bereits jetzt genießen geimpfte Touristen in einigen Ländern Vorteile und können Reisebeschränkungen umgehen: Unter anderem auf den Seychellen, in Island und auf Madeira müssen Geimpfte nach der Einreise nicht mehr in Quarantäne.
Der Artikel "Urlaub samt Corona-Impfung – was ist dran am umstrittenen Angebot?" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.