Unsere Lebenserwartung steigt stetig

"75 ist das neue 65"

Wir leben immer länger – „nichts deutet darauf hin, dass sich die Entwicklung verlangsamt“, sagt der Demograf Prof. James Walton Vaupel. Wir haben uns erklären lassen, welche "Besser"-Faktoren dafür sorgen, dass wir immer älter werden - und welchen Einfluss wir selbst darauf haben.

WIESBADEN

07.09.2016, 11:32 Uhr / Lesedauer: 2 min
Studium im Alter: Demografen zufolge kann jedes
zweite Kind, das heute geboren wird, damit rechnen,
100 Jahre alt zu werden.

Studium im Alter: Demografen zufolge kann jedes zweite Kind, das heute geboren wird, damit rechnen, 100 Jahre alt zu werden.

Die 868.356 Menschen, die 2014 in Deutschland starben, waren im Durchschnitt knapp über 78 Jahre alt. Vor zehn Jahren waren die Verstorbenen im Schnitt etwas über 76 Jahre alt, berichtet das Statistische Bundesamt. Vaupel, der das Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock leitet, ist „nicht überrascht“. Im Vergleich zu anderen Industrienationen wie zum Beispiel Japan hinke Deutschland bei der Lebenserwartung sogar hinterher.

Bessere Gesundheit und höheres Alter

„Wir erreichen hohes Alter in besserer Gesundheit“, sagt der Bevölkerungswissenschaftler. „Anders ausgedrückt: Das Alter setzt verzögert ein. 75 ist das neue 65.“ Das Fundament für ein langes Leben werde in der Kindheit gelegt. „Einer der Hauptgründe, warum wir im Alter gesünder sind, ist die Tatsache, dass wir gesünder waren in unseren ersten Jahren: bessere Ernährung, mehr Vorbeugung, bessere Behandlung im Krankheitsfall.“

Bessere Luft

Im Laufe des Lebens kämen weitere „Besser“-Faktoren dazu, zum Beispiel bessere Bildung. „Gebildetere Menschen passen besser auf sich auf.“ Vaupels Liste ist lang: „Die Luft ist besser als früher, das Wasser sauberer, Straßen sicherer, Einkommen höher, das Gesundheitssystem leistungsfähiger. Darum sind Menschen heute gesünder als früher.“

Vieles haben wir selbst in der Hand, erklärt Vaupel. Beispiel Rauchen: „Wer raucht, stirbt rund zehn Jahre früher.“ Auch gute Ernährung und viel Bewegung haben einen Einfluss. „In den Ländern, die sich am meisten bemühen, steigt die Lebenserwartung seit 1840 um zweieinhalb Jahre pro Dekade. Das ist ein sehr langer Zeitraum.

"Gene kann man nicht austricksen"

Prof. Karl Lenhard Rudolph, Direktor des Leibniz-Instituts für Altersforschung in Jena, ist anderer Ansicht: „Die Gene kann man nicht austricksen. Ob wir 70 Jahre alt werden oder 100, liegt zum großen Teil an unserem genetischen Makeup“, sagt er. Aber: „Innerhalb der genetisch vorgegebenen Grenzen können wir über die Art und Weise, wie wir leben, erheblich Einfluss nehmen, gesund zu altern.“

Auch die Politik kann einiges forcieren. Vaupels Kollege Tobias Vogt zeigt, welche Wirkung Investitionen ins Gesundheitssystem haben können – am Beispiel deutsche Wiedervereinigung. Zwischen Mauerfall und Jahrtausendwende stieg die Lebenserwartung im Osten um fast vier Jahre. Die öffentlichen Sozialausgaben kletterten indes von 2100 auf knapp 5100 Euro pro Person und Jahr. Plakativ zusammengefasst heißt das: „Drei Stunden Leben pro Euro.“

 

von dpa