Die Unionsfraktion (CDU/CSU) hat eine Kleine Anfrage zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen im Bundestag gestellt. Unter dem Titel „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ werden darin 551 Fragen zu Organisationen wie Omas gegen Rechts, dem Recherchenetzwerk „Correctiv“ und Greenpeace gestellt. Mehrere von ihnen hatten zuletzt zu Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und auch gegen die CDU aufgerufen. Unterzeichnet ist die Anfrage zwei Tage vor der Wahl (21.2.) von „Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Fraktion“.
In der Anfrage heißt es: Hintergrund der Anfrage seien die „Proteste gegen die CDU Deutschlands, die teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden.“ Dies werfe die Frage auf, „inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die zusätzlich noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden.“
Unter anderem werden diese Fragen von der Unionsfraktion gestellt:
- Gibt es Fälle, in denen die CORRECTIV gGmbH explizit für oder gegen
eine Partei geworben hat? - Gibt es direkte Verbindungen zwischen dem Verein Omas gegen Rechts
Deutschland e. V. und bestimmten Parteien oder politischen Akteuren? - Wie beeinflusst der BUND e. V. die mediale Berichterstattung über politische Themen?
Des Weiteren werden auch ähnliche Fragen gegen das globalisierungskritische Netzwerk Attac, die Amadeu Antonio Stiftung, die Tierschutzorganisation Peta, die Organisation Animal Rights Watch, die Organisation Foodwatch, die Deutsche Umwelthilfe, Agora Agrar, Agora Energiewende, Netzwerk Recherche und dem Verein Neue deutsche Medienmacher gestellt, wie die Tagesschau berichtet.
Anfrage der Unionsfraktion: Klingbeil äußert Kritik
Die Anfrage der Union zur politischen Neutralität von NGOs stößt auf breite Empörung und belastet auch die Gespräche über eine Koalitionsbildung mit der SPD. Parteichef Lars Klingbeil erklärte, die Anfrage stelle Organisationen an den Pranger, die die Demokratie schützten. „Deswegen muss die Union jetzt für sich klären, wie ernsthaft sie in Gespräche mit der Sozialdemokratie gehen will.“
Klingbeil, der auch zum SPD-Fraktionschef gewählt wurde, nannte die Anfrage ein „Foulspiel“. Im Hinblick auf mögliche Koalitionsgespräche mit CDU und CSU sagte er, dass er sich nicht vorstellen könne, morgens in Arbeitsgruppen zusammenzusitzen und nachmittags solche Anfragen der Union zu erleben. „Die Union sollte noch mal sehr schnell in sich gehen, ob sie daran festhält.“
Kritik von Linken und Grünen
Die Linke kritisierte die Anfrage als „Frontalangriff“ auf die Demokratie, wie der Spiegel berichtet. „Mit einer parlamentarischen Anfrage rächt sich die Union für die antifaschistischen Proteste der letzten Wochen und startet zugleich einen beispiellosen Angriff auf die demokratische Zivilgesellschaft“, erklärte die Abgeordnete Clara Bünger laut Spiegel-Bericht. „Das erinnert an autoritäre Staaten und ist angesichts der Tatsache, dass die Union aller Wahrscheinlichkeit nach die nächste Bundesregierung anführen wird, äußerst besorgniserregend.“
Auch die Grünen haben Kritik an der Unionsanfrage geäußert. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte die Anfrage ungeheuerlich. „Es sieht alles danach aus, dass Teile der Zivilgesellschaft hier eingeschüchtert werden sollen“, sagte sie der dpa.
Sven Giegold, Mitglied des Grünen-Bundesvorstands und Ex-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, schreibt auf X: „Noch bevor Merz Kanzler wird, will die CDU/CSU die Zivilgesellschaft offenbar prophylaktisch mundtot machen. Dazu traktieren Merz, Dobrindt & Co. 15 NGOs in einer „Kleinen Anfrage“ mit 551 Fragen! Diese Fragenkanonade gegen unliebsame progressive Organisationen ist übergriffig.“
Noch bevor Merz Kanzler wird, will die CDU/CSU die Zivilgesellschaft offenbar prophylaktisch mundtot machen. Dazu traktieren Merz, Dobrindt & Co. 15 NGOs in einer "Kleinen Anfrage" mit 551 Fragen! Diese Fragenkanonade gegen unliebsame progressive Organisationen ist übergriffig. pic.twitter.com/uI8dyi1CRr
— Sven Giegold (@sven_giegold) February 25, 2025
Auch Amnesty International Deutschland erhebt auf X Vorwürfe gegen die Unionsfraktion. In einer Kleinen Anfrage unterstelle die Union zahlreichen NGOs „eine Schattenstruktur zu sein, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt“. Das sei „infam“. „Vor der Wahl waren viele Organisationen gegen die menschenrechtsfeindliche Migrationspolitik von #Merz auf die Straße gegangen. Gemeinsam mit hunderttausenden Aktiven haben sie ihr Recht auf #Versammlungsfreiheit wahrgenommen“, heißt es in dem X-Post.
Am Tag nach der #BTW2025 richtet sich die @CDU_CSU gegen die Zivilgesellschaft. In einer "Kleinen Anfrage" unterstellt sie zahlreichen #NGOs „eine Schattenstruktur zu sein, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt“. Das ist infam!https://t.co/X4eTTLVpCH (1/2)
— Amnesty Deutschland (@amnesty_de) February 25, 2025
Union rechtfertigt sich
Für die Union verteidigte Fraktionsvize Mathias Middelberg das Vorgehen. „Zivilgesellschaftliches Engagement ist unverzichtbar und förderungswürdig“, sagte der CDU-Politiker. „Allerdings darf öffentlich gefördertes Engagement nicht zu parteipolitischen Zwecken eingesetzt werden.“ Aus diesem Grund habe die Union vor der Wahl die Anfrage gestellt. Die Prüfung der rechtmäßigen Verwendung von Steuermitteln sei eine Kernaufgabe des Parlaments.
Die Bundesregierung will die Anfrage mit hoher Priorität beantworten, wie ihr Sprecher Steffen Hebestreit sagte. Es sei „ein Königsrecht des Parlamentes“, Fragen zu stellen. Man bewerte sie zunächst nicht. Für die Beantwortung federführend ist das Finanzministerium. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte grundsätzlich, die Bundesregierung fördere „ausschließlich Programme und Projekte, die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten und das entsprechend ja auch nachweisen müssen“.
551 Fragen: Petition gegen Antrag
Bei der Plattform Campact ist nach der Kleinen Anfrage der Union eine Petition erschienen. Die Petition mit dem Titel „Schluss mit dem Angriff auf NGOs und Medien! Keine Zensur durch die CDU!“ habe laut Webseite bereits über 45.000 Unterschriften gesammelt (Stand 26.2., 11.13 Uhr).
mit dpa